Die faire Kreuzfahrtnation

Die Schweiz ist Europas Nummer 1 bei der Anzahl Kreuzfahrtschiffe. Schön wärs, wenn wir auch die Nummer 1 bei nachhaltigeren Kreuzfahrten wären. Sechs Vorschläge, wie die Politik die Kreuzfahrt aufs grüne Podest hieven kann.

1. Faire Steuern – faire Vergünstigungen

Faktum: Die OECD-Mindeststeuer von 15 Prozent gilt nur für eine einzige Branche  nicht: die Seefahrt. Für die Ausnahmeregelung der Schifffahrtbranche gibt es keine Begründung: Sie ist unverständlich und unfair allen andern Branchen gegenüber.

Forderung: Anwenden der OECD-Mindeststeuer auch bei Kreuzfahrtunternehmen. Auf die Erhebung einer Tonnagesteuer kann verzichtet werden. Dafür können grosszügige Steuerrabatte gewährt werden für Massnahmen, welche das Klima nachweislich weniger belasten und die Umweltschäden belegbar reduzieren.

Durch diese Rabatte können die Reedereien ermuntert werden, Schweizer Innovationen zu nutzen. Voraussetzung ist, dass menschenrechtliche Mindeststandards einhalten.

Kein Rabatt für LNG-Schiffe

Gerne sähen es die Reedereien, wenn sie auf Schiffe, welche mit Flüssigerdgas (LNG) betrieben werden können, eine Steuervergünstigung bekommen. Schliesslich werde damit weniger CO2 und praktisch kein Feinstaub und Schwefeldioxid ausgestossen. Das lehnt fairunterwegs strikt ab, da beim LNG auch Methangas emittiert wird, das 82,5-mal klimaschädlicher ist als CO2.

2. Faire Arbeitsbedingungen dank Konzernverantwortung

Faktum: Schweizer Kreuzfahrtunternehmen beschäftigen schätzungsweise 35’000 Mitarbeitende zu See. Zwar gibt es seit 2006 ein Internationales Seefahrtabkommen, «Maritime Labour Convention», das von 93 Staaten, darunter auch die Schweiz, unterzeichnet wurde. Obwohl es nur minimalste Standards setzt (etwa ein 14 Stunden-Tag und eine 72-Stunden-Woche) wird es auch auf Schweizer Schiffen bloss lasch kontrolliert.

Forderung: Die Schweiz braucht eine Regelung der Unternehmensverantwortung. Diese muss sich auch auf die Seefahrt beziehen. Es muss Betroffenen aus dem Ausland ermöglichen, bei Verstössen gegen Arbeits- und Menschenrechte auf durch Schweizer Firmen kontrollierten Kreuzfahrtunternehmen hierzulande zu prozessieren.

3. Fairer Klimaschutz – nicht erst 2050

Faktum: Schweizer Kreuzfahrtunternehmen kontrollieren Schiffe, die zusammen über 2 Millionen Tonnen CO2 ausstossen. Das entspricht 5,5 Prozent der Kohlendioxid-Emissionen in der Schweiz (35 Millionen Tonnen) und ergibt eine Umweltschadensumme von einer halben Milliarde Franken (zur Schadensberechnung: hier).

Was die Schweizer Kreuzfahrtunternehmen unternehmen, um den Schaden zu beheben, ist diffus. Viking, die Nummer 2, gab der renommierten deutschen Umweltorganisation NABU dazu keine Auskunft. Und die Aktivitäten von MSC Cruises bestehen vor allem darin, in Flüssigerdgas verbrennende Motoren zu investieren. Diese stossen zwar weniger CO2, dafür aber auch Methan aus, das 82,5-mal klimaschädlicher ist als CO2. Das ist definitiv der falsche Kurs.

Forderungen: Die Schweiz soll hier ansässige Kreuzfahrtunternehmen dazu verpflichten, verbindliche Pläne zu erstellen, wie sie ihre Treibhausgasemissionen bis 2050 auf Netto-Null reduzieren (so wie es auch die IMO, die internationale Seefahrtsbehörde verlangt). Dabei sollen sie bis 2030 die Emissionen halbieren.

Die Schweiz soll sich für eine weltweite, schadensgerechte Klimaabgabe auch bei Kreuzfahrtschiffen einsetzen. Ein kleiner Zwischenschritt ist der Einbezug der von der Schweiz aus kontrollierten Schifffahrt in den europäischen Emissionshandel.

Die Schweiz unterstützt die Förderung für strombasierte Kraftstoffe (E-Fuels) und andere nachhaltige alternative Antriebstechnologien mit Steuerrabatten (und sie unterstützt die Einführung von Flüssiggas (LNG) und Biokraftstoffen nicht):

Die Schweiz erhebt bei in der Schweiz gekauften Tickets für eine Kreuzfahrt eine Klimaabgabe.  

Link: Zur Kreuzfahrtvision des NABU, des renommierten Naturschutzbund Deutschland.

4. Fairer Meeresschutz gegen das Absterben der Meere

Faktum: Die Kreuzfahrtindustrie belastet das Meer mit Stickstoff, Schwefel, verschiedenen Abwassern und Abfall. Damit beschleunigt sie das Absterben der Meeresfauna und -flora und es besteht die Gefahr, dass antibiotikaresistente Keime in die Nahrungskette gelangen.
Zwar gibt es Vorschriften der Internationalen Schifffahrtorganisation (IMO), welche verschiedene Schadstoffemissionen regeln, doch neigt die Schifffahrtindustrie dazu, diese Regeln zu umdribbeln. So liegen denn die beiden grossen Schweizer Reedereien im Umweltverschmutzungsranking von Friends of the Earth im Mittelfeld (MSC Cruises) bzw. am Schluss (Viking).

Forderungen: Wie beim Schutz der Arbeiter*innen  besteht auch beim Schutz der Meere ein Vollzugsproblem. Die Schweiz als Binnenland kann dagegen wenig ausrichten. Um so wichtiger ist es, dass Verstösse gegen Umweltvorschriften in der Schweiz eingeklagt werden können. Es braucht eine griffige Gesetzgebung zur Unternehmensverantwortung.  

5. Faire Kommunikation – kein Greenwashing

Faktum: Reedereien neigen dazu, ihre Umweltmassnahmen in leuchtendes Grün zu tauchen. Auch wenn dies, wie etwa beim Wechsel auf Flüssigerdgas, wissenschaftlichen Erkenntnissen widerspricht.

Forderung: Wie die EU führt auch die Schweiz ein Gesetz ein, welches die Verwendung von Werbebegriffen wie «klimafreundlich», «öko» etc. auf einer wissenschaftliche Grundlage regelt.

6. Faire Preise – höhere Preise

Faktum: Kreuzfahrten sind zu billig. Die Kreuzfahrtunternehmen drücken die Kosten bei den Arbeitskräften, bei den Steuern, bei den Emissionen, beim Meeresschutz oder auch bei der Lokalbevölkerung. Daher können sie auch einwöchige All-Inklusiv-Kreuzfahrten für 750 CHF anbieten.

Forderung: Wo immer möglich müssen Steuern und Abgaben dafür sorgen, dass die realen Kosten bezahlt werden. Ein Anfang ist eine Klimaabgabe auf Kreuzfahrtreisen, welche beim Kauf in der Schweiz erhoben wird. Reiseveranstalter und Kreuzfahrtunternehmen können schon mal vorangehen und die realen Klimakosten im Reisepreis inkludieren.

Autor: Jon Andrea Florin

Jon Andrea Florin leitet seit Ende 2019 fairunterwegs. Er studierte Soziologie, Betriebswirtschaftslehre und Tourismusökonomie (CAS), arbeitete als Journalist, Texter, strategischer Planer und Fundraiser unter anderem bei claro fair trade, bei diversen Werbeagenturen und bei Swissaid. Und er gründete die erste Suppenbar der Schweiz.
Während er lieber nicht mit 5’000 andern Menschen auf einem Kreuzfahrtschiff unterwegs sein möchte, mag er Hafenstädte wie Neapel, Lissabon oder Cartagena.