Krisenszenario Tourismus: Die gefallenen Tiger erschüttern die Reisewelt
Die Finanzkrise in Asien hat der seit Jahren steil nach oben führenden Wachstumskurve des internationalen Tourismus einen Knick versetzt. Laut der in Madrid ansässigen Welttourismusorganisation (WTO) stieg die Zahl der grenz-überschreitenden Reisen 1997 nur noch um rund 3 % gegenüber 4,5 % im Vorjahr. Immerhin reisten 1997 weltweit 617 Millionen Menschen ins Ausland und brachten damit total 448 Milliarden US Dollar Einnahmen. Eine Art psychologischer Schock sei über die Menschen in den krisenbetroffenen Ländern Asiens gekommen und hätte zur harten Einschränkung der Ausgaben für Auslandsreisen und zum Einbruch der Reisetätigkeit geführt, kommentierte Ende Januar 1998 der WTO-Generalsekretär Francesco Frangialli die Veröffentlichung der neuen Reisestatistik. Medienberichte über Massenentlassungen und Währungszerfall, den Verkauf des Familiensilbers und den zunehmenden Kampf ums tägliche Brot in den Ländern Südostasiens lassen zwar weniger auf psychologische als auf handfeste Finanznöte in den Haushalten schliessen. Die asiatischen "Tiger" galten seit Jahren als die Boomregionen des Tourismus, sowohl als Zielorte wie als aufstrebende Entsendermärkte. 1997 war der Einbruch aber auf der ganzen Linie, denn die
Negativschlagzeilen zu Krise, Flugzeugabstürzen, vor allem aber die riesigen Waldbrände und Smogprobleme haben auch die Zunahme der ausländischen Besucherzahlen auf 1% schrumpfen lassen, wo die Region Asien-Pazifik über die letzten Jahren durchschnittlich 10% mehr Ankünfte jährlich vermelden konnte. Von einem schlagartigen Verlust von 500’000 Arbeitsplätzen in
Tourismus und Zulieferbetrieben spricht Geoffrey Lipman, der Präsident des "World Travel & Tourism Council" (WTTC). Die WTO sieht die Lage etwas weniger dramatisch, korrigierte aber ihrerseits ihre optmistischen Prognosen des Tourismus für die nächsten drei Jahre um rund 10% nach unten. Mittel- bis langfristig jedoch, bereits ab dem Jahr 2000, sagt sie der Tourismus-
Industrie in Südostasien weiterhin glänzende Aussichten voraus. Umso mehr, als die Länder Südostasiens nun mit sehr attraktiven Preisen Langstreckenreisende anziehen könnten. Die schlechten Auslastungszahlen in den Hotels erlaubten es den Reiseveranstaltern, sehr günstige Preise und Rabatte auszuhandeln. Kein Wunder jubiliert am anderen Ende der Produktionskette die Schweizer Tourismuspresse, dass Asien nun zu Spottpreisen bereist werden könne, die Flugtarife nach einem Einbruch von 30 bis 40% im vergangenen Jahr komplett am Boden seien und Thailand als günstigstes Reiseland der Welt gelte. Noch kämpfen thailändische Hoteliers darum, die Verträge über ihre Betten in US Dollar abzuschliessen, um nicht den Verlust aus dem Verfall des Baht in Kauf nehmen zu müssen. Auf wen die Hoteliers ihrerseits den Preisdruck abwälzen – die Angestellten, die Zuliefer-betriebe, die geplanten Umwelt- oder Sanierungsmassnahmen? – das fragt niemand ob der Euphorie, den Tourismus günstig wieder ins Rollen zu bringen. Thailand, vom Internationalen Währungsfonds frisch "strukturangepasst", bemüht sich mit verstärkten Kräften und dem teuren Werbejahr "Amazing Thailand", den Devisenbringer Tourismus wieder anzukurbeln. Derweil nimmt sich auch niemand die Mühe nachzufragen, inwiefern die millionenschweren Investitionsvorhaben in prestigeträchtige "Golfcum-Casino-Resorts" zur Verschuldungs- und Spekulationskrise in Asien beigetragen haben./cp
WTO-Pressreleases 27.1.98; WTO-News March-April 1998; WTO-Highlights 1997; Address by Francesco Frangialli, Secretary of the World Tourism Organization, ITB Berlin, 7.3.98; WTTC-News Release 2.2.98; Begrüssung von Professor Dr. M. Busche anlässlich des PATA Asia Update Media Briefing, ITB, 9.3.98; PATA-News, ITB-San Francisco, 9.3.1998; Schweizer Touristik 4.3.98; Travel Inside 18.2.98, 28.1.98, New Frontiers January-February 1998/cp