Krokodilstränen aus Öl
Die burmesische Militärregierung fühlt sich sicher. Der Auftritt des stellvertretenden Verteidigungsministers Aya Myint beim gerade beendeten Sicherheitsgipfel in Singapur sei laut Kanadas Verteidigungsminister Peter MacKay „unglaublich zynisch“ gewesen. Myint hatte behauptet, dass die burmesische Regierung ihr Möglichstes tue, um den Opfern des verheerenden Zyklons Nargis von Anfang Mai zu helfen. Sie habe „ihr Volk bereits ab dem 24. April“ über alle Medien vor dem Sturm gewarnt. Ausserdem hätten „sich Gäste, Medienvertreter, Diplomaten und Mitglieder der internationalen Hilfswerke von Anfang an ein Bild der Lage in Irrawaddy-Delta machen können“, und seine Regierung arbeite „harmonisch mit allen Hilfswerken und Staaten“ zusammen.
Doch trotz der Empörung der meisten VertreterInnen von Regierungen und Organisationen in Singapur über diese offensichtlichen Lügen und die mangelnde Hilfe für die eigene Bevölkerung scheint es, dass Burmas Regierung einmal mehr die internationalen Proteste gegen sein Regime ignorieren kann. Wie schon nach den landesweiten Massendemonstrationen 1988 und erneut im September 2007.
Postkoloniale Kontakte
Das zeigte such auch bei einer gemeinsam von den Vereinten Nationen und der Vereinigung südostasiatischer Nationen ausgerichteten internationalen GeberInnenkonferenz am 25. Mai in Ranguns Nobelhotel Sedona. Dabei ging es um die finanzielle Unterstützung für Burma nach der Naturkatastrophe, die vermutlich über hunderttausend Menschen das Leben gekostet hat. Zwar zeigten sich die Geberstaaten eher zurückhaltend, doch die Junta hat im Ausland nach wie vor erstaunlich viele UnterstützerInnen.
So unterhielt Britannien als ehemalige Kolonialmacht stets enge Bande mit Burma. Daran änderte sich auch nichts, als das burmesische Militär 1962 die Macht an sich riss. Selbst wenn die Junta hin und wieder wegen ihrer Taten angeprangert wurde, blieben die Geschäftsbeziehungen zwischen der britischen und der burmesischen Regierung stets intakt. Geschäftliche Beziehungen mit demokratischen Nationen würden dem burmesischen Volk Erfahrungen mit demokratischen Prinzipien beibringen, hiess es beispielsweise lange aus dem britischen Aussenministerium.
Heute hat sich zwar der Ton der Veröffentlichungen verändert, doch im Wesentlichen gilt auch weiter „business as usual“. Das betrifft britische Reiseunternehmen wie Orient Express und Asean Explorer ebenso wie Rolls Royce und Lloyds of London. Allein unter der Labour-Regierung des ehemaligen Premierministers Tony Blair vervierfachte Britannien seine Importe aus Burma – von Waren im Wert von 34 Millionen Franken im Jahr 1998 auf solche im Wert von über 151 Millionen Franken 2004.
Doch in London residiert mit der internationalen Burma-Kampagne (www.burmacampaign.org.uk) auch eine Organisation, die das Geschäftsgebaren internationaler Firmen und deren Kontakte zur burmesischen Junta kritische beäugt und analysiert. Die Organisation fordert, dass Staaten und internationale Firmen keinen Handel mit Burma treiben sollen, solange die burmesische Regierung die Einhaltung von Demokratie und Menschenrechten nicht garantiert. Auf ihrer „Schmutzliste“ sind über hundert Firmen aufgeführt, die allen Sanktionsaufrufen zum Trotz beharrlich mit der Militärjunta kooperieren und lukrative Geschäfte machen. Darunter befindet sich auch das Reisebüro STA Travel der Schweizerischen Diethelm Keller Group.
Dominantes China
Doch nicht Britannien, sondern die Volksrepublik China ist heute die mit Abstand engste politische Verbündete und wirtschaftlich bedeutsamste Partnerin Burmas. Sie ist darum bemüht, an der Grenze ihrer südwestlichen Provinz Yunnan den ungehinderten Zugang zu Burmas Bodenschätzen offen zu halten. Ausserdem bietet sich das Land als Transitroute für den internationalen Handel an.
Die chinesische Reigierung unterhält enge Kontakte zur Führungstroika in der neuen Hauptstadt Nayidaw – der neben Than Shwe General Maung Aye und Armeechef Thura Shwe Mann angehören – und ist weltweit als einzige in der Lange, international zu vermitteln und auf ihren Nachbarn mässigend einzuwirken.
Der Warenverkehr zwischen Yunnans Hauptstadt Kunming und den nordburmesischen Städten Lashio, Mandalay und Myitkyina sowie die chinesischen Investitionen in dieses Gebiet sind seit dem Jahr 2004 sprunghaft gestiegen. Bereits werden auf beiden Seiten Pläne geschmiedet, durch dieses Gebiet die Strasse in den Nordosten Indiens wieder aufzubauen. China hat signalisiert, dieses Projekt zu finanzieren und dafür 40’000 chinesische BauarbeiterInnen einzusetzen.
Im Hafengebiet von Rangun entsteht derweil unter chinesischer Führung eine Sonderzone für steuerfreie Exporte. Und gleichzeitig wird mit chinesischer Hilfe Burmas marode Strassenverbindung zwischen den beiden grössten Städten Rangun und Mandalay bis hin zur chinesischen Grenze repariert. so hat China nicht nur einen Zugang zum indischen Subkontinent. Von Rangun aus können auch die Exporte nach Südasien, in den Nahen Osten sowie nach Europa erhöht und der Golf von Bengalen sowie der Indische Ozean als zusätzliche, strategisch bedeutsame Seewege stärker genutzt werden. Bislang war Peking auf die längere Route durch das Südchinesische Meer und die Strasse von Malakka zwischen Singapur und Indonesien angewiesen. In diesem Jahr haben die beiden Regierungen nun ein Abkommen über eine Gasleitung von Burma nach China abgeschlossen. Und die China National Petroleum Corporation handelte mit den Militärmachthabern einen Deal aus, der China Öllieferungen garantiert.
Burmas geostrategische Lage, doch vor allem sein Reichtum an Öl- und Gasvorkommen machen das Land auch für westliche Staaten interessant. Ihre Kritik an der unzureichenden Nothilfe nach der Naturkatastrophe mutet deswegen unglaubwürdig an. Laura Bush, die First Lady der USA, sowie die US-Aussenministerin Condoleezza Rice gehörten in den vergangenen Monaten zu den prominentesten Stimmen gegen Burmas Militärjunta. Bereits im Herbst 2007, auf dem Höhepunkt der nach der Farbe der Mönchskutten als Safranrevolution bezeichneten Proteste, sagte Rice: „Die USA sind entschlossen, international den Fokus auf die sich in Burma vollziehende Travestie zu lenken.“
Allerdings wäre es naheliegender, einen solchen Fokus auf den US-Konzern Chevron zu lenken, dessen Direktorium Rice von 1991 bis 2001 angehörte, und das sie erst verliess, als US-Präsident George Bush sie zu Beginn seiner ersten Amtszeit zur nationalen Sicherheitsberaterin ernannte. Chevron, der auch die Ölfirmen Texaco und seit 2005 Unocal gehörten, ist Teil eines Konsortiums von Burmas Staatsunternehmen Myanmar Oil and Gas Enterprises und der französischen Ölfirma Total, das im Gas- und Erdölgeschäft im Süden des Landes engagiert ist. Das Gas wird durch die Yadana-Pipeline nach Thailand transportiert. An der Konstruktion der Pipeline 1996 war die Halliburton Corporation massgeblich beteiligt – welcher der US Vizepräsident Dick Cheney bis zum Jahr 2000 als CEO vorstand. Beim Bau wurde auch das burmesische Militär eingesetzt. Es nötigte die BewohnerInnen der Region zu Zwangsarbeit und war verantwortlich für die Folterung, Ermordung und Vertreibung Tausender BurmesInnen in dieser Zeit. Die Journalistin und Regisseurin Milena Kaneva dokumentierte diese Menschenrechtsverletzungen 2005 im Film „Total Denial“.
Kein Ruhmesblatt
Doch nicht nur die USA sagen das eine und tun etwas anderes. Auch für die Politik der Europäischen Union gegenüber Burma fand der Journalist John Pilger bereits im Januar 2005 in der britischen Wochenzeitung „New Statesman“ scharfe Worte: „Die Burma-Politik der EU ist geradezu ekelerregend. `Sie betreibt gegenüber der burmesischen Junta eine schamlose Beschwichtigungspolitik, offensichtlich mit Blick auf den grossen asiatischen Markt“. Weiter zitiert Pilger den Burma-Experten John Jackson, der noch nie einen EU-Offiziellen getroffen habe, der leugnen würde, dass „in Burma ausländische Investitionen und der Militärhaushalt eng zusammenhängen“.
So habe das Regime laut Jackson noch in derselben Woche, in der es 1000 seinen ersten Scheck von Total Oil für eine Gaslieferung an Thailand erhielt, 130 Millionen US-Dollar in bar für den Kauf von zehn MIG-298-Kampfflugzeigen von Russland hingeblättert. Zwischen 1998 und 2002 betrug der Import von Waren aus Burma in die EU umgerechnet über vier Milliarden Franken- während das Regime weiter jede Opposition unterdrückt.
Die internationalen Organisationen begnügen sich ebenfalls mit Lippenbekenntnissen. Als Burmas Regierung im Oktober 2007 zugab, während der landesweiten Proteste etwa 3’000 Personen festgenommen zu haben, reiste der von den Vereinten Nationen zum Sondergesandten für Burma ernannte Nigerianer Ibrahim Gambari insgesamt viermal ins Land. Er konferierte unter anderem mit Than Shwe und hatte auch die Möglichkeit, mit der Oppositionspolitikerin und Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi zusammen zutreffen. Verändert hat sich dadurch allerdings nicht. Die Hoffnung der BurmesInnen, dass die Uno das Regime zur Einsicht bringen könnte, hat sich zerschlagen. Der Name Gambari ist für viele Menschen inzwischen gleichbedeutend mit der Schwerfälligkeit der Uno.
Und auch die 1967 für den „wirtschaftlichen Aufschwung, sozialen Fortschritt und politische Stabilität“ gegründete Vereinigung südostasiatischer Nationen (Asean) hat andere Interessen, als Burma unangenehme Fragen zu stellen, im Gegenteil: Man mischt sich nicht in die inneren Angelegenheiten eines Mitgliedstaates ein und duldet auch keine wie immer gearteten Kräfte, die den Bestand des jeweiligen Staates infrage stellen.
Innerhalb der Asean ist es in erster Linie Singapur, das Burma entscheidend unterstützt. Mit bisher drei Milliarden US-Dollar Direktinvestitionen zählen Singapurs Unternehmen zu den grössten Investorinnen in Burma: Von noblen Hotelanlagen, Fluglinien, militärischen Geräten und Telekommunikationssystemen bis hin zu Bankinstituten, Erholungsmöglichkeiten und Spitälern für Burmas Juntamitglieder stellt Singapur alles Notwendige für die Elite seines nördlichen Nachbarn bereit.
Andrew Selth, ein Kenner des burmesischen Militärs, der an der australischen Queensland Griffith University lehrt und unter dem Namen Willam Ashton mehrfach Beiträge für die „Jane’s Intelligence Review“ verfasste, recherchierte, dass Singapur unter anderem das burmesische Verteidigungsministerium mit Computerprogrammen ausstattet. Diese sollen den Austausch zwischen den regionalen Befehlshabern so verbessern, dass sie vorbeugende gegen jede Form von Widerstand in der Bevölkerung vorgehen können. Dazu gehört auch ein sogenanntes Cyberkriegszentrum. Damit können die Aktivitäten von RegimegegnerInnen verfolgt, pro-demokratische Gruppierungen ausfindig gemacht und beispielsweise der Datenverkehr in Internetcafés kontrolliert werden.
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Knausrige GeberInnen
Nach Meldungen der chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua nannte die burmesische Regierung zum Auftakt der internationalen GeberInnenkonferenz Ende Mai folgende Opferzahlen des Zyklons Nargis: 77’738 Tote, 55’917 Vermisste und 19’359 Verwundete. Insgesamt seien 5,5 Millionen Menschen betroffen, der Sachschaden betrage umgerechnet rund 11 Milliarden Franken.
Weil das Regime internationalen Hilfsorganisationen auch weiterhin in vielen Fällen den Zugang ins Krisengebiet verweigert, übernehmen die meisten diese Daten. Die Hilfsgüter waren zwar willkommen, doch über deren Verteilung wollte die Militärregeierung selbst entscheiden. Immer wieder waren deshalb auch die Hilfslieferungen ausgesetzt worden.
Zu der GeberInnenkonferenz hatten sich dann doch über 360 TeilnehmerInnen aus 52 Staaten und von Dutzenden Uno-Organisationen, internationalen Finanzinstituten und nichtstaatlichen Organisationen zusammengefunden. In der etwa 400 Kilometer nördlich von Rangun gelegenen neuen Hauptstadt Naypyidaw bekundeten Burmas Machthaber unter der Leitung von General Than Shwe erstmals öffentlich, ausländischem Hilfspersonal die Einreise und den Einsatz in den Katastrophengebieten zu gestatten.
Dennoch vermochten diese Zusagen die Geberstaaten nicht zu überzeugen. Trotz überschwänglicher Zusagen zahlreicher Regierungen im Vorfeld fielen die Finanzhilfen am Ende der Konferenz relativ gering aus. Die EU sagte umgerechnet 103 Millionen Franken zu, die USA 21 Millionen, die Volksrepublik China 11 Millionen, Australien 25 Millionen, die Philippinen rund 20 Millionen und Südkorea 2,6 Millionen. Zusätzlich verpflichtete sich die Uno zu dieser Summe im Laufe des kommenden Halbjahres unmgerechnet weitere 209 Millionen Franken beizusteuern.
Es sei nicht mangelnde Hilfsbereitschaft, welche die Saaten zögern lässt, erklärte George Yeo, Singapurs Aussenminister und Chef der Asean-Delegation. Vielmehr müsse die „Vertrauenslücke zwischen Burma und der Weltgemeinschaft“ überwunden werden. Wenige wunderten sich denn auch, dass die Junta nur wenige Stunden nach Ende der Geberkonferenz anordnete, die Oppositionspolitikerin Aung San Suu Kyi ein weiteres Jahr unter Hauarrest zu stellen.
Der Artikel erschien am 5.6.2008 in der Wochenzeitung (www.woz.ch). Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung der Redaktion und des Autors.