Mit einem neuen Gesetz macht Kuba einen weiteren entscheidenden Schritt in der Öffnung gegenüber ausländischen Investitionen‑, War seit zwei Jahren die bis zu fünfzigprozentige Beteiligung ausländischen Kapitals an kubanischen Unterneh­men erlaubt und wurden Investitionen in der Tourismus‑, Nickel‑ und Zitrusin­dustrie gefördert, so ist seit anfangs September eine Auslandsbeteiligung von bis zu hundert Prozent möglich. Gleichzeitig werden Verstaatlichungen ausgeschlos­sen sowie der freie Gewinn‑ und Kapitaltransfer garantiert. Ausgenommen vom neuen Investitionsgesetz sind einige strategische Bereiche wie das Militär, das Gesundheits‑ und das Erziehungswesen. Die neuen Bestimmungen sollen drin­gend benötigtes Kapital ins Land locken, und die Zahl der 212 Jointventures im Wert von insgesamt zwei Milliarden Dollar erhöhen. Diese gemischten Gesell­schaften beschäftigen heute gegen 60’000 KubanerInnen. Einige Restriktionen bleiben auch in Zukunft bestehen: Ausländische Unternehmen dürfen ihre Arbei­terInnen und Angestellten nicht selber anheuern sondern müssen das über eine staatliche Vermittlungsstelle tun. Der in Devisen ausbezahlte Lohn geht an den Staat, der die ArbeiterInnen dann seinerseits in Pesos entlöhnt. Auch kann zwar ein Gebäude gekauft, aber kein Land erworben werden. Mit dem Gesetz fällt aber ein anderes Tabu: Neu erhalten auch Exilkubanerlnnen das Recht, zu denselben Bedingungen zu investieren wie alle anderen ausländischen Unternehmen. Die begrenzten privatwirtschaftlichen Aktivitäten, die den Insel‑Kubanerlnnen erlaubt sind, erweitern seit kurzem vor allem das kulinarische Angebot im ganzen Land. Vor wenigen Monaten wurden die ersten privaten Restaurants eröffnet, und heute konkurrenzieren bereits 766, davon rund _i00 in der Hauptstadt Havanna, die staatlichen Lokale. Die "Paladares", wie diese Klein‑ und Kleinstbetriebe ge­nannt werden, benötigen eine Lizenz, dürfen nur Familienmitglieder beschäftigen, nicht mehr als zwölf Plätze aufweisen und einzig mit einer Sonderbewilligung Dollars einkassieren. Trotz diesen Einschränkungen wurden bisher allein in Havanna gegen tausend Lizenzanträge gestellt.
Basler Zeitung 12.10.95, 28.9.95; Liberation 8.9.95/kg