Literatur – 6. Februar 2020

Kühne Mädchen

Autor*in:
Elisa Fuchs

Eine aufmüpfige junge Frau, die in den USA lebt, wird von ihrer Mutter zur Tante nach Lagos geschickt, wo ihr die vermeintlich so brave Cousine ein Beispiel sein soll – ein Plan, der gründlich daneben geht. Ein kühnes Mädchen verstummt, weil sie erlebt, wie sehr ihr Vater unter der Abwesenheit seiner Frau, die für drei Jahre in den USA studiert, leidet. Eine wohlbehütete Heranwachsende ist fasziniert von der Unerschrockenheit eines Hausmädchens, das sich nicht um soziale Konventionen schert und viel riskiert. Die Kurzgeschichten von Lesley Nneka Arimah sind dicht und faszinierend, verstörend manchmal auch, und lassen in einer frischen und funkelnden Sprache auf wenigen Seiten die Komplexität von Familiendramen erahnen. Im Zentrum stehen in vielen Geschichten Mädchen und junge Frauen und deren Beziehung zu Mutter und Familie. Die meisten von ihnen haben Mut und ein gesundes Selbstbewusstsein, manche werden aber auch durch die Umstände, das Gewicht von herkömmlichen Vorstellungen oder durch nackte Gewalt gezwungen, auf ihre Träume zu verzichten, sich anzupassen. Dabei, so die Autorin "braucht es die kühnen Mädchen um die Wölfe dieser Welt in Schach zu halten."

Die Welt, die Arimah beschreibt, ist eine zunehmend globalisierte, in der sich Machtverhältnisse neu strukturieren. Aber die Unterprivilegierten von heute riskieren, wieder auf der Seite der Verlierer zu landen. In der verstörenden futuristischen Titelgeschichte sind die nördlichen Kontinente überschwemmt worden. Überlebende wurden von afrikanischen Ländern aufgenommen und bilden mit den einheimischen Eliten zusammen neue politische Einheiten wie die "Allianz Britannien-Biafra". Neueste Technologien ermöglichen ihnen nicht nur die Kontrolle von Menschen, sondern auch die Absorption von Gefühlen wie Leiden und Trauer, was die geplante Eliminierung gewisser Bevölkerungsgruppen widerstandslos durchführbar machen soll. Aber vielleicht ist doch ein Fehler in der Formel … Es ist kein Zufall, dass die junge nigerianische Autorin, die in den USA lebt, für ihren Erstling schon mehrere literarische Preise bekommen hat. Ihre Geschichten sind von grosser Aktualität und von beeindruckender emotionaler Differenziertheit.

Lesley Nneka Arimah: Was es bedeutet, wenn ein Mann aus dem Himmel fällt. CulturBooks, Hamburg 2019, 240 Seiten, CHF 31.90, EUR 20.00 ISBN-13: 978-3959881050 

Ein Beitrag aus dem afrika bulletin

2008 schlug die NGO GRAIN erstmals Alarm, weil Landübernahmen durch Finanzfonds, Agrarkonzerne und Regierungen stark anstiegen. Solches Land Grabbing betrifft vor allem die Länder des Südens. Die Finanzkrise, die darauf folgende Nahrungsmittelkrise und der EU-Beschluss, den fossilen Treibstoffen zehn Prozent "nachhaltigen" Bio-Kraftstoff beizumischen, liessen Investitionen in Land plötzlich als hoch lukratives Geschäft erscheinen. Zusätzlich pries die Weltbank den Regierungen solche Landkonzessionen als Mittel an, FDIs (Foreign Development Investments) zu gewinnen. So wurden seit dem Jahr 2000 – zusätzlich zu den kolonialen und von der Weltbank schon immer geförderten Plantagenprojekten – weltweit rund 50 Millionen Hektar an Landkonzessionen vergeben. Doch 2018 errechnete GRAIN, dass ein nicht unerheblicher Teil dieser Konzessionen – nämlich 17,5 Millionen Hektar – entweder nie «unter den Pflug» kam oder das Projekt nach wenigen Jahren fallierte und verlassen wurde. Zurück blieb etwa abgeholztes, plattgewalztes, eventuell von leeren Bewässerungsgräben durchzogenes Land. Wie vom Landgrabbing betroffene Bevölkerung sich wehrte und wie es ihr heute ergeht, davon handelt das afrika bulletin vom November/Dezember 2019: Unbedingt lesenswert!