Künstliche Beschneiung: Stellungnahme der Schweizerischen Stiftung für Landschaftsschutz und Landschaftspflege (SL)
Die künstliche bzw. mechanische Beschneiung mittels Schneekanonen aus wirtschaftlichen oder freizeittechnischen Gründen ist als Teilaspekt der Kolonialisierung der Berge durch den Menschen zu betrachten. Wird erst einmal mit dem Einrichten der entsprechenden Infrastruktur begonnen, so stellt sie bald schon ein weiteres Element im scheinbar unvermeidlichen Zusammenspiel von Ursache und Wirkung dar. Die künstliche Beschneiung ist somit eng verbunden mit der Tourismusindustrie, die nach dem gleichen Prinzip funktioniert: Nämlich dem des unbegrenzten Wachstums und der Rentabilität von Investitionen, die ihrerseits wiederum Neuinvestitionen nach sich ziehen.
Wir wehren uns gegen die gängige, aus diesem Wachstumsprinzip resultierende Praxis, denn sie steht am Ursprung einer Verschandelung weiter Landstriche und ist verantwortlich für die Verschmutzung von Luft, Wasser und Boden.
Während die teuren Schneekanonen anfänglich nur in begrenztem Mass angeschafft und mobil an besonders exponierten Stellen eingesetzt wurden, überzeugten sich die Verantwortlichen der Skistationen nur allzu schnell von deren Unentbehrlichkeit, notabene um eine frühzeitige Eröffnung der Saison garantieren zu können (Marketing oblige!). Im Konkurrenzkampf zwischen den Tourismusregionen sind Schneekanonen somit zu einem wirksamen Argument geworden.
In Betracht gezogen werden einzig finanzielle Überlegungen. Dass die Zuleitung von Wasser aus den Tälern Konsequenzen für die tieferliegenden Regionen zeitigt und dass die Leitungen oft ungenügend eingebettet sind, so dass die Kanonen permanent in Betrieb gehalten werden müssen, um das Einfrieren zu verhindern, findet keine Beachtung. Zudem müssen oftmals noch unmotorisierte Gebiete durch Strassen erschlossen werden, weil das Legen der Wasserleitungen mit dem Einsatz schwerer Maschinen verbunden ist. Schneekanonen vermögen nur eine sehr dünne Schneedecke zu produzieren. Die scheinbar unabdingbaren Pistenfahrzeuge aber vertragen keine Unebenheiten, keine Geländeerhebungen oder -vertiefungen, wie sie charakteristisch sind für alpine Landschaften. Sind erst einmal Geländefahrzeuge am Werk, um die Pisten zu präparieren, so wird oftmals zugleich jede kleinste Unebenmässigkeit plattgewalzt und jede Vertiefung aufgeschüttet. Zurück bleibt eine Wüstenlandschaft, zumal Begrünungsversuche in dieser Höhe gescheitert sind. Die festen Installationen (Pumpen, Hangars, Transformatoren etc.) sind das ganze Jahr Störfaktoren in der Landschaft.
Die Mehrheit der Gesellschaften, welche Winterbahnen betreiben, schreiben rote Zahlen. An Investitionshilfen für die Berggebiete appellierend, leben diese Betreibergesellschaften von kollektiven Zuschüssen, die eng an ihr Kapital gebunden sind. Dabei gilt es zu bedenken, dass es sich hier um wirtschaftlich bedeutende Investitionen handelt. Die elementarsten Regeln der Marktwirtschaft bleiben somit unbeachtet.
Die SL ist der Ansicht, dass die mechanische Infrastruktur in den Alpen einen Sättigungsgrad erreicht hat, der nicht überschritten werden darf. Es ist an der Zeit, auf jegliche weitere Installationen, die neue Gebiete erschliessen würden, zu verzichten. Ebenso ist von jeglicher Vergrösserung der bestehenden Skigebiete abzusehen. Keine öffentlichen Finanzmittel und Stromvergünstigungen sollten diese Ziele unterwandern.
In qualitativer Hinsicht soll auf die Wiederinstandsetzung verschandelter Gebiete und die bessere Integration bereits existierender Installationen oder Gebäude in die Landschaft hingearbeitet werden. Ebenso sollen Verbesserungen im Bereich des öffentlichen Verkehrs und somit die Verbannung der gigantischen Parkings und der verstopften Zugangsstrassen angestrebt werden.
Wir verurteilen die künstliche Beschneiung als Ursache und Wirkung der selbstzerstörerischen Flucht nach vorne der Schweizer Wintersportverantwortlichen.
SL 14.12.98 (gekürzt)/Übersetzung mb