«Land heisst Leben»: Die tansanischen Maasai fürchten um ihre Existenz
Im Oktober tauchten Berichte über abgebrannte Häuser von Maasai auf. Der jahrelange Landkonflikt zwischen der Urbevölkerung der Maasai und der tansanischen Regierung wird heisser.
Für Lilian Loolotai, eine Maasai aus Ostafrika, bedeutet Land Leben: Für ihren nomadisch lebenden Hirtenstamm, der die Herden seit Jahrhunderten im nördlichen Hochland Tansanias weiden lässt, ist die erbitterte Auseinandersetzung am Rande des Serengeti Nationalparks nicht nur beunruhigend, sondern existenzbedrohend. Es ist die neuste Episode der Spannung zwischen Wildtierschutz, die dem Land Einkommen bringt, und dem Recht der Indigenen, die zum Überleben auf das Land angewiesen sind.
"Wie lange will die Regierung den Park noch erweitern? Sie tun es für die Wildtiere, aber wir sind Menschen", sagt Loolotai, Geschäftsführerin von Cords Limited, eine Bürgerrechtsgruppe in der Hauptstadt Arusha. "Als Hirten wird uns der Boden unter den Füssen weggezogen."
Der jahrelange Grenzkonflikt zwischen den Maasai in Loliondo und den Behörden entzündete sich vor zwei Monaten, als Berichte auftauchten, innert zweier Tage seien hunderte von Unterkünften der Maasai abgebrannt worden.
Eine Studie der Internationalen Arbeitsgruppe für Angelegenheiten der Indigenen (IWGIA), eine dänische NGO, die mit lokalen Gemeinschaften in Tansania zusammenarbeitet, gelangt zur Einschätzung, dass 185 Häuser und Hütten im Zuge einer Zwangsräumungsaktion niedergebrannt wurden. Tausende von Frauen, Männern und Kindern wurden obdachlos, ihr Vieh ist weiträumig zerstreut.
Das geschah zu einer Zeit da die Hirten ohnehin mit einer schweren Dürre in der Region zu kämpfen haben, die Qualität und Quantität der Weiden einschränkt.
Am 21. September reichten die BewohnerInnen von vier Dörfern in Loliondo – Ololosokwan, Olorien, Kirtalo und Arash – Klage beim Ostafrikanischen Gericht ein, um den Vertreibungen Einhalt zu gebieten.
"Wir müssen über die Landfragen diskutieren. Die Regierung hat uns nicht genügend aufgeklärt und informiert, was sie mit dem Land zu tun beabsichtigen", erklärte Looloitai. "Den Hirten wird gesagt: ‹Ihr könnt nicht durch dieses Land ziehen, es gehört der Regierung, ihr könnt nicht durch jenes Land ziehen, es gehört den Investoren›. Wir sind nicht sicher, wir sind nicht abgesichert als Gemeinschaft und als Gesellschaft, und das beeinflusst unsere Zukunft. So wie sie das machen verstösst es gegen die Menschenrechte. Es darf nicht sein, dass sie Menschen vertreiben."
In Tansania gehört alles Land dem Staat. Daher seien auch Zwangsvertreibungen nicht illegal, erklärt Looloitai. Aber sei legt der Regierung nahe, eine friedliche Lösung zu finden: "Der Präsident hat die Macht, die Nutzung des Landes zu überwachen und zu kontrollieren, aber ohne die Menschenrechte zu verletzen."
Looloitai, die aus dem Monduli-Bezirk stammt, einem Nachbarsbezirk des Ngorongoro, wo Loliondo liegt, sagt: "Für mich bedeutet Land Leben. Es ist eine grundlegende Ressource, die es Hirten ermöglicht, ihre traditionelle Lebensweise fortzuführen."
Als 2012 berichtet wurde, dass die tansanische Regierung die Maasai-Hirten von ihrem Land zwangsvertreiben wolle, um Safari-Jagden zu erlauben, gab es einen internationalen Aufschrei. Der Plan würde der Otterlo Business Corporation mit Sitz in Dubai zugutekommen, einem Luxus-Safarianbieter von Behörden der Vereinigten Arabischen Emirate, die der Königsfamilie nahestehen. Vorgesehen war, 30’000 Menschen umzusiedeln, was es den Maasai verunmöglicht hätte, weiter als Hirten zu leben, da sie vom saisonalen Grasangebot zum Weiden ihres Viehs abhängig sind.
Die tansanische Regierung, die einen Wildtierkorridor von 579 Quadratmeilen einrichten wollte, legte die Pläne nach der von Avaaz angeführten Kampagne aufs Eis. Der damalige Präsident Jakaya Kikwete versprach in einem Tweet 2014, die Vertreibungen würden nicht stattfinden.
Die jüngsten Berichte geben aber Anlass zu neuer Besorgnis. NGOs sagen, die Vertreibungen seien überraschend gekommen, denn eine Kommission arbeite daran, eine Lösung für den Landkonflikt zu finden. Die IWGIA beschreibt das umstrittene Land in Loliondo als "legal eingetragenes Dorfgebiet" und rief dazu auf, die Vertreibungen unverzüglich zu stoppen.
Julie Koch, die Geschäftsführerin von IWGIA, meinte: "Angesichts der anhaltenden Krise in Loliondo, rufen wir die Regierung dringend auf, den Vertreibungen und Menschenrechtsverletzungen Einhalt zu gebieten. Die Regierung muss der Stopp Order der Kommission für Menschenrechte und Guter Regierungsführung in Tansania Folge leisten."
Der Guardian hat die tansanische Regierung um Stellungnahme angefragt, aber bis zur Publikation keine Antwort erhalten.