Lindiwe Dlamini, Guesthouse-Besitzerin in Südafrika: «Die Möbel für die Gäste ’stehle› ich aus meinem eigenen Haus»
Dass sich eine schwarze Frau im Tourismus selbständig macht, ist in Südafrika auch zehn Jahre nach der Apartheid keine Selbstverständlichkeit. Lindiwe Dlamini meistert die Hürden mit Erfolg. „Es ist das erste Mal, dass ich nach Europa komme und erst noch für mein Guesthouse Werbung machen kann,“ sagt sie augenzwinkernd. Auf Einladung der südafrikanischen Botschaft in Bern ist sie zusammen mit Jennifer Seif, der Koordinatorin von Fair Trade in Tourism South Africa (FTTSA), der ersten Labelorganisation für faire Tourismusprojekte, in die Schweiz gereist, um über ihre Erfahrungen im Tourismus zu berichten und ihre Arbeit auch der Schweizer Reisebranche vorzustellen. Lindiwe ist eine Powerfrau. Eine stattliche Erscheinung, humorvoll, kommunikativ, überzeugend. Bevor sie spricht, schickt sie gute Energien ins Publikum. Damit alle wach werden. Gar nicht nötig, eigentlich. Ihre Ausstrahlung zieht alle in ihren Bann. Seit fast drei Jahren betreibt sie das Mandulo Guesthouse in Durban, eine einfache Pension, aber mit dem „gewissen Etwas“, nämlich „Wellness“-Angeboten wie etwa Fussreflexzonenmassage. Aufgrund ihrer Ausbildung in Gesundheitstherapien wurde die Jungunternehmerin nun auch als Beraterin des Tourismusprojektes Lilani Hotsprings beigezogen, wo erstmals eine Gemeinde eine „Wellness“-Anlage aufbauen will.
„Leider gibt der Tag nur 24 Stunden her“, kommentiert sie ihr Arbeitspensum. Doch schlafen ist für sie Zeitverschwendung. „Schlafen kannst du ja, wenn du tot bist.“ Der Erfolg ihres Guesthouses liegt in seiner Einzigartigkeit begründet. Lindiwe will aber nicht, dass es dabei bleibt. Im Gegenteil: Ihr Guesthouse soll die in Südafrika aufwachsenden Menschen inspirieren. Ihr Credo: „Öffnet Eure Herzen, statt die Türen zu schliessen.“ Damit die TouristInnen das wahre Afrika kennen lernen. Deshalb berichtet Lindiwe auf verschiedensten Ausbildungskursen rund um Durban von ihren Erfahrungen. „Tourismus ist eine Chance für die lokale Bevölkerung“, betont sie. „Vor allem Frauen in Südafrika sind erst dabei, dies zu realisieren.“ Erkannt hat dies auch die südafrikanische Regierung, die seit dem Ende der Apartheid einen sozialverantwortlichen Tourismus fördert, der vor allem der ehemals benachteiligten Bevölkerungsmehrheit neue Einkommen und Entwicklungsmöglichkeiten bieten sollte. Dabei mitzuwirken, erfüllt Lindiwe mit Stolz.
Ihre Gäste erlebt sie als sehr unterschiedlich. Einige wollten nichts über sich erzählen, und da finde man keinen Draht. „Sie schätzen es nicht, dass man das Herz für sie öffnet, dass sie hier wohnen können.“ Bei solchen Gelegenheiten wartet Lindiwe still ab, wie sich die Gäste entscheiden. „Wenn sie gleich wieder gehen, werden sie nie erfahren haben, wer ich bin, woher ich wirklich komme.“ Bleiben sie, ergeben sich meist wundervolle Begegnungen, die Lindiwe das Gefühl geben, die Gäste lebten schon seit Jahren bei ihr. Dieses Gefühl entschädigt sie für vieles. Lindiwe, die selber aus einer Familie mit zehn Kindern stammt, musste hart kämpfen, um ihr Guesthouse zu eröffnen. Sie durchlief verschiedene Ausbildungen, vor allem aber musste sie ihren Mann überzeugen, denn er war sehr misstrauisch und nicht gewillt, die Privatsphäre preiszugeben. Der Kompromiss: Lindiwe kaufte ein Haus im gleichen Quartier, das vier Zimmer mit Meersicht zu bieten hat. Mittlerweile ist ihr Guesthouse recht gut belegt, in den Juli- und Dezemberferien ist es jeweils ausgebucht. 40 Prozent der Gäste kommen aus Europa. In den Anfängen jedoch und heute noch während einiger Monate im Jahr müssen Lindiwe und ihre Angestellten sich zur Decke strecken. Die staatliche Unterstützung für Kleinunternehmen hat sie bisher aber nicht beansprucht. „Finanzielle Hilfe gibt es im Prinzip, doch sie ist wegen all der Bürokratie nur schwer zu bekommen und es dauert sehr lange.“ Die fünf Kinder im Haus helfen mit, dass sich die Gäste wohl fühlen. Sie besorgen die Kommissionen, bedienen die Gäste, legen Musik auf. Und bereits träumt die Guesthouse-Besitzerin davon, ihr Haus aufzustocken. „Zwanzig Zimmer, das wäre schön.“ Die Möbel für die Gäste würde sie dann einfach aus ihrem eigenen Haus „stehlen“, meint sie und ihre Augen leuchten dabei so intensiv wie das orange Tuch, aus dem ihr traditionelles Kleid gemacht ist. /lu