Weiblich + dienend = subaltern + unterbezahlt
Das Geschlecht ist in Tourismusberufen entscheidender für die Höhe des Lohnes als Ausbildung und Alter: Frauen sind in den unteren Lohnklassen stark übervertreten und in den oberen Lohnklassen eklatant untervertreten. Was längst vermutet wurde, lässt sich nun klar belegen anhand der Resultate der Branchenumfrage bei über 1’100 ArbeitnehmerInnen aus unterschiedlichen touristischen Betrieben der ganzen Schweiz. Durchgeführt wurde die Umfrage im Herbst 1998 durch die Höhere Fachschule Luzern (HFT/HWV) auf Initiative des Vereins „Frauen im Tourismus“ (FIT) und mit der Unterstützung weiterer Berufsorganisationen. Die Befragung der HFT/HWV ist zwar nicht repräsentativ, die Ergebnisse erweisen sich aber in verschiedener Hinsicht als durchaus aussagekräftig: Männer verdienen im Tourismus durchschnittlich 1’200 Franken mehr als Frauen. Da ist es bloss ein schwacher Trost, dass der Lohnunterschied in der Tourismusbranche damit etwas geringer ausfällt als im gesamten Dienstleistungsbereich. In Leitungspositionen dominieren die Männer klar, praktisch im Verhältnis 3:1, während bei schlechter qualifizierten Funktionen wie Verkaufen, Sachbearbeitung, Operating, Kundenadministration und -betreuung rund doppelt soviele Frauen wie Männer anzutreffen sind. Im direkten Verkauf erreicht der Frauenanteil die Höchstmarke mit 68,7%, in diesem Bereich sind die niedrigen Löhne denn auch markant übervertreten. Auch hier kann nur ein schwacher Trost sein, dass Männer in dieser Sparte nicht wesentlich mehr verdienen als Frauen. Massiv schlägt dagegen das Geschlecht in den höchstqualifizierten Chargen zu Buche: Ein Vergleich der vom Schweizerischen Kaufmännischen Verband (SKV) empfohlenen Durchschnittslöhne 1999 mit den verschiedenen Qualifikationsprofilen im Tourismus zeigt auf, dass hochqualifizierte Frauen mit Universitätsabschluss oder höherer Fachprüfung durchs Band schlechter bezahlt werden als Männer, die Schere sich aber ab dem 40. Altersjahr nochmals drastisch öffnet: In der Altersgruppe von 41 bis 50 Jahren verdienen die Männer etwas mehr, als der SKV empfiehlt; die Jahreslöhne der Frauen liegen aber um rund 27’000 Franken unter den SKV-Empfehlungen und gar um 29’000 Franken unter den Männerlöhnen. Das heisst, Frauen verdienen satte 30% weniger. Auffallend ist aber auch, dass Männer mit kaufmännischem oder Handelsschulabschluss bereits ab 31 Jahren erfolgreich die Karriere- bzw. Lohnleiter erklimmen, während Frauen bis 36 Jahre auf niedrigem Lohnniveau sitzen bleiben und ab 41 Jahren durchschnittlich 12’000 Franken oder rund 12% im Jahr weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen gleicher Qualifikation. Sie bleiben damit auch unter den SKV-Empfehlungen; Männerlöhne liegen jedoch im Schnitt um 8’000 bis 10’000 Franken pro Jahr über den SKV-Empfehlungen./cp

Wie wichtig sind Frauen für den Tourismus?
Rund 60% der im Rahmen der Untersuchung der HFT/HWV Befragten sind Frauen. Das entspricht der Tatsache, dass Frauen in touristischen Berufen überdurchschnittlich vertreten sind. Wie hoch der Frauenanteil bei den Beschäftigten im Tourismus generell ist, lässt sich bislang aufgrund lückenhaft erhobener geschlechtsspezifischer Daten sowie der Komplexität der breitverzweigten Wirtschaftsbranche kaum präzis ermitteln.  Beschäftigungsstatistiken unterschiedlicher Herkunft sind im Tourismus immer nur schwer vergleichbar. Dennoch zeigt der Blick auf die Statistik des Internationalen Arbeitsamtes (ILO), dass sich 1997 der Anteil der Frauen im Schweizer Hotel- und Gastgewerbe auf 59% belief. Die Tourismusbranche empfiehlt sich rund um den Globus als besonders geeignetes Tätigkeitsfeld für Frauen, und ihr Anteil ist über die letzten Jahre kontinuierlich gestiegen. Weltweit, das zeigt die Auswertung der ILO-Statistik im Rahmen einer neuen britischen Studie zu „Gender & Tourism“, machen Frauen im Durchschnitt 46% der Beschäftigten im Tourismus aus. Ihren männlichen Kollegen gegenüber sind sie oft gleich mehrfach benachteiligt. Frauen verdienen in touristischen Berufen in den Industriestaaten durchschnittlich 20% weniger als Männer, in Entwicklungsländern beträgt die Lohndifferenz rund 30%. Die Auswertung zeigt auch, dass im Tourismus beschäftigte Frauen, trotz vieler Teilzeitpensen, annähernd so viele Arbeitsstunden leisten wie Männer. In Anbetracht der Doppelbelastung vieler Frauen, die neben einer Erwerbsarbeit ausser Haus auch den weitaus grössten Teil der Hausarbeit und Kinderbetreuung zu leisten haben, arbeiten viele im Tourismus beschäftigte Frauen weltweit 70 bis 90 Stunden und mehr pro Woche. Haushaltführung und Kinderbetreuung bedeuten für die meisten Frauen einen mehr oder weniger längeren Unterbruch im Erwerbsleben, der wiederum ihre Karrierechancen einschneidend beeinträchtigt. Diesen Bezug hat die Branchenumfrage der HFT/HWV nicht explizit hergestellt, doch ihre Ergebnisse lassen einige Fragen bezüglich Aufstiegsmöglichkeiten und gezielter Förderung von Frauen im Tourismus zu./cp

Wie wichtig ist der Reisebranche die Zufriedenheit ihrer Angestellten?
Wertvolle Einsichten liefert die Branchenumfrage der HFT/HWV auch in Berufe des Tourismus, die lange als „Traumjobs“ galten: So arbeitet die Hälfte der Befragten in einem Reisebüro oder Reiseunternehmen; die andere Hälfte der Antworten stammt von Beschäftigten aus diversen touristischen Unternehmen, Tourismusorganisationen, Hotellerie/Gastronomie, Fluggesellschaften und Transportbetrieben. Die Arbeit im Reisebüro oder beim Reiseveranstalter entpuppt sich in der Umfrage als die mit Abstand am schlechtesten bezahlte
administrativ-kaufmännische Tätigkeit im Tourismus: Auch wenn der Verdienst im Tourismus im Branchenvergleich durchschnittlich um 200 Franken höher ausfällt als im privaten Dienstleistungssektor generell, liegen die Löhne für Männer und Frauen unter 35 Jahren deutlich unter den Empfehlungen des Schweizerischen Kaufmännischen Verbandes (SKV). Bei 32,5% aller Befragten ist der Lohn leistungsabhängig. Zwar verweisen die Personalverantwortlichen der Reisebranche Jahr für Jahr bei den mager ausfallenden Lohnrunden auf die Bonuszahlungen. Doch laut Umfrage der HFT/HWV ist der Anteil Leistungslohn im Verkaufsbereich bedeutend geringer als in den höheren Lohnkategorien. 40% der befragten Frauen und rund 18% der Männer schätzen, dass ihr Lohn bei gleicher Leistung und Qualifikation im Tourismus niedriger ist als in anderen Branchen; 60% aller Befragten beurteilen ihren Lohn als schlecht oder sehr schlecht. Diese Ergebnisse, so das Fazit der Branchenumfrage, bestärken die Hypothese, dass viele der im Tourismus Beschäftigten eher die Branche wechseln, als eine neue Stelle im Tourismus zu suchen, um mehr verdienen zu können. Zunehmend klagen Reiseveranstalter über den Mangel an qualifiziertem Personal und bemühen sich um QuereinsteigerInnen aus anderen Branchen, mit Vorliebe aus dem „wenig lohnverwöhnten“ Hotelfach, wie Personalverantwortliche zu präzisieren pflegen. Noch scheint sich die Einsicht erst anbahnen zu müssen, dass zufriedene Angestellte vielleicht nicht nur ein Kostenfaktor sind, sondern einen Marktvorteil darstellen könnten, insbesondere weil, wie Marktumfragen zeigen, das Bedürfnis nach Beratungsqualität bei der Kundschaft zunimmt, während der Preis für die Buchung an Bedeutung verliert./cp

Quellen: Lohn und Qualifikation im Tourismus. Resultate einer Branchenumfrage im Herbst 1998. Auswertung von Manfred Ritschard, Höhere Fachschule für Tourismus an der Hochschule für Wirtschaft Luzern, 1999; Minu Hemmati, Lara Marsh: Gender & Tourism. Employment and Participation of Women in Tourism. Draft Report prepared for the UN-Commission on Sustainable Development 7th Session. United Nations Environment & Development – UK Comittee, February 1999; Travel Inside 9/99, 8/99; Schweizer Touristik 16.12.98; eigene Recherchen