Lokale Mitbestimmung und das eigene Verhalten sind der Weg zur Lösung
Der Aufschrei war gross, als jüngst Medien berichteten, dass Klimakompensationsprogramme weniger bringen als versprochen. Schlechte Nachrichten? Nicht, wenn einem der Schutz der Natur wirklich am Herzen liegt. Denn es ist erfreulich, dass die Zerstörung der Wälder nicht das Ausmass angenommen hat, worauf der Markt spekuliert hat und auf dessen Grundlage komplexe Finanzprodukte entwickelt worden sind.
Die auf dem Waldschutz basierenden Kompensationsprodukte wurden unter der Annahme erarbeitet, dass die Menschen vor Ort wenig zur Erhaltung ihrer natürlichen Umwelt beitragen und die Wälder ohne Kohlenstofffinanzierung weitgehend abgeholzt würden. Als Schweizer NGO, die in einkommensschwachen Ländern tätig ist, sehen wir jedoch täglich, wie Menschen vor Ort aus Eigeninteresse die Umwelt schützen. Die derzeitige Krise auf dem Kohlenstofffinanzierungsmarkt ist der Moment, um die Schlüsselrolle der lokalen Bevölkerung als Hüterin ihrer natürlichen Ressourcen zu betonen.
Für Unternehmen, die ihr Netto-Null-Narrativ auf dem Kauf von Kompensationen aufgebaut haben, sind die neuen Erkenntnisse schlechte Nachrichten. Dennoch darf man das Kind nicht mit dem Bade ausschütten; jeder Beitrag zum Klimaschutz ist wertvoll. Entwickelte Länder, die Hauptverursacher der Klimaerwärmung, müssen ihre Emissionen schneller reduzieren als ärmere Länder. Die Märkte und der Finanzsektor haben dabei eine wesentliche Bedeutung – und die Schweiz sollte eine Vorreiterrolle spielen.
Es gibt viele Optionen, die über Waldschutz und Aufforstung hinausgehen. Methan ist nach Kohlendioxid dasjenige Treibhausgas, das am stärksten zur Klimakrise beiträgt. So ist die Reduktion der Methanemissionen besonders wichtig. Der bewässerte Reisanbau ist eine der beiden Hauptquellen für Methan in der Landwirtschaft, die andere sind Wiederkäuer.
Helvetas arbeitet in mehreren Ländern mit Bauernfamilien zusammen, um die Flutung der Reisfelder, die zu Methanemissionen führt, mit trockenen Perioden abzuwechseln und so die Emissionen zu verringern. Dies hängt vom spezifischen Kontext wie etwa der Bodenbeschaffenheit ab und muss genau gemessen werden, um Fehlprognosen wie im Waldschutz zu vermeiden.
Damit wir die Ziele für nachhaltige Entwicklung erreichen, sind grosse Investitionen auf globaler Ebene erforderlich, wobei der Einbezug der lokalen Bevölkerung für den Erfolg entscheidend ist. Und hier liegt das Problem des Kohlenstoffmarkts: Er wurde auf internationaler Ebene entwickelt, verlangt komplexe Verfahren zur Überprüfung der Wirkung und ist teuer.
Schliesslich bleibt die ethische Frage: Ist es richtig, dass wir unseren Lebensstil fortsetzen und uns mit Kompensationszahlungen freikaufen? Angesichts der Dringlichkeit der Lage braucht es beides: Die Veränderung unseres Verhaltens, was nicht ohne Verzicht geht kombiniert mit globalen Investitionen im Einklang mit der lokalen Bevölkerung. Heute tobt in Europa ein Krieg, der eine rasche Anpassung im Energiesektor ausgelöst hat. Können wir unseren Verbrauch in ähnlichem Umfang ändern, ohne dass wir durch Kriege dazu gezwungen werden? Wir müssen dies tun – für unsere eigenen Kinder.