Rezension und Empfehlung von Literatur glObal, Arbeitsgruppe Literatur aus Afrika, Asien und Lateinamerika - EvB

Ullstein Verlag, 2004
383 Seiten, Fr. 16.50
ISBN 3-548-25892-1

Lucia Engombe ist sieben, als sie 1979 aus dem Flüchtlingslager am Rande des Urwaldes geholt und in die DDR gebracht wird. Zusammen mit zahlreichen anderen namibischen Kindern – die meisten von ihnen unterernährt und krank – soll sie in einem Kinderheim zur neuen Elite des unabhängigen Namibias erzogen werden.
Der Kulturschock ist gross. Nur langsam begreifen die Kinder, dass man Zahnpasta nicht essen kann, und dass die Mohrrübe eigentlich für das Gesicht des Schneemannes gedacht ist, den die Erzieherinnen mit ihren afrikanischen Schützlingen bauen. Zu tief sitzt die Erfahrung des Hungers.
Regelmässig werden die Kinder von Swapo-Kämpfern besucht und militärische Übungen gehören genauso zum strukturierten Alltag wie der Unterricht nach einem leicht veränderten DDR-Lehrplan. Langsam verblasst die Erinnerung an Afrika.
Als sie nach dem Mauerfall nach Namibia abgeschoben wird, schwankt Lucia zwischen Glücksgefühl und Panik. Doch sie ist es nicht gewohnt, die Entscheidungen zu hinterfragen, die für sie getroffen werden. Zurück in ihrer Heimat fühlt sich die inzwischen 18-Jährige genauso fremd, wie sie es bei ihrer Ankunft in Deutschland war.
Lucia Engombe erzählt von einer Kindheit, die geprägt ist von Abschied und Neubeginn. Am überzeugendsten gelingt ihr dies bei der Beschreibung ihrer frühesten Erinnerungen an Afrika und der Angewöhnungszeit in Europa. Mit ihrer Autobiografie ermöglicht sie uns einen Einblick in ein dunkles Kapitel der Weltgeschichte, das hierzulande weit gehend unbemerkt blieb.

Katrin Ruchti-Fehr

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