Der reich dokumentierte Bildband lädt zu einer Weltreise der besonderen Art: Ansichten von Menschen, Palästen, Hütten, Tempeln, Städten, Dörfern, Flora und Fauna aus aller Welt sollten vor gut 100 Jahren der Bevölkerung des Binnenlandes Schweiz ein Bild des Globus entwerfen und Kaufleute auf den globalen Markt vorbereiten. Die Idee war in der Blütezeit des Imperialismus so bahnbrechend modern wie das dafür verwendete Medium: die Fotografie.
Ansichten und Gegenstände aus der ganzen Welt zu sammeln, um eine globale Weltsicht zu erhalten und zu vermitteln, war zentrales Anliegen der „Mittelschweizerischen Geographisch-Commerciellen Gesellschaft“, die 1884 in Aarau gegründet wurde. Nach dem Vorbild solcher Gesellschaften in den Metropolen der Weltmächte Paris, London und Berlin, welche enormen Zulauf verbuchten und veritable Speerspitzen der imperialistischen Bestrebungen bildeten, entstanden damals vergleichbare Vereine in verschiedenen Schweizer Städten, die damit Weltoffenheit manifestieren, Entdeckungsgeist befriedigen sowie Forschungs- und Handelsinteressen fördern wollten. Die „Mittelschweizerische Geographisch-Commercielle Gesellschaft“ verfügte dank rühriger Gründerväter innert kürzester Zeit über ein weltweites Netz an Mitgliedern. Diese brachten Artefakte, Kuriositäten, Karten und Fotografien aus allen Herren Ländern nach Aarau, wo sie im „Ethnologischen Gewerbemuseum“ ausgestellt und in thematischen „Wanderausstellungs-Schränken“ an Schulen gezeigt wurden. Die Sammlung platzte bald aus allen Nähten, weshalb auch ein eigenes „Photographisches Museum“ eingerichtet wurde. Allerdings geriet die „Mittelschweizerische Geographisch-Commercielle Gesellschaft“ zur Jahrhundertwende arg in Schulden, wurde ziemlich genau 20 Jahre nach ihrer Gründung aufgelöst und übergab ihre Sammlung dem Kanton Aargau.
Praktisch 100 Jahre lang schlummerten die Sammelobjekte und Fotografien in Estrichen und Kellern vor sich hin. Das Staatsarchiv des Kantons Aargau hob nun den Schatz, erschloss ihn neu und machte ihn mit einer Ausstellung im vergangenen Jahr der Öffentlichkeit zugänglich. Wer die Ausstellung verpasst hat, findet im grossformatigen Bildband „Fernschau. Global“ sehr schön aufgemacht einen repräsentativen Querschnitt der von 1884 bis 1905 gesammelten Fotografien. Verschiedene ExpertInnen aus Geschichte, Ethnologie und Fotografie führen mit aufschlussreichen Kommentaren durch die Bilder-Welt-Reise und stellen die Ansichten in ihren fotografiehistorischen Zusammenhang. Interessant ist dabei, wie wenig sich doch die vom Kolonialismus geprägte globale Fernschau des ausgehenden 19. Jahrhunderts vom heutigen touristischen Blick auf die Welt unterscheidet.

Verlag hier + jetzt Baden 2006, 223 Seiten, SFr. 78.-, Euro 52.80, ISBN 13: 978-3-03919-029-4