Kontinuität und Wandel von Alpenbildern seit 1700

In seiner Dissertation „Alpen aus der Untersicht“ geht der Literatur- und Umweltwissenschaftler Matthias Stremlow der Frage nach, wie Menschen aus dem deutschsprachigen Flachland über die Alpen sprechen und welcher Bilder sie sich dabei bedienen. Die Geschichte der ausseralpinen Alpenbilder beginnt Stremlow um 1700. Er beschreibt die Naturbegeisterung und den Wandel von den schrecklichen zu den erhabenen Alpen, dokumentiert die Ästhetisierung und literarische Standardisierung der Alpen im achtzehnten und frühen neunzehnten Jahrhundert und zeigt die Popularisierung des romantischen Alpenbildes von ersten Reiseberichten bis in die Bildbände und Tourismuswerbung der jüngsten Vergangenheit. Das idyllische Bild einer heilen, an der Vergangenheit orientierten Bergwelt, das den sozialen und ökologischen Folgen der Modernisierung entgegengestellt wird, ignoriert die Tatsache, dass die Alpen seit Jahrhunderten eine vom Menschen geprägte Kulturlandschaft sind. Eine Differenzierung des Alpenbildes stellt sich laut Stremlow erst seit dem vergangenen Jahrhundert allmählich ein. Im letzten Drittel des Buches analysiert er drei neuere Diskursfelder: die Tourismuswerbung, populäre Fotobände sowie die Alpenbilder der Umweltschutzorganisationen und
jene im Sportbereich. Im Aktivsport sieht Stremlow die Landschaft zur „Steigerung des Ich-Erlebnisses funktionalisiert“. Die sportlichen Erlebnisräume werden dadurch auswechselbar. In den Publikationen der Internationalen Alpenschutzkommission CIPRA stösst er in zeitlicher Abfolge auf drei Bilder: die Alpen als Naturlandschaft, als sensibles Ökosystem und als Modellregion Europas. Erst im dritten Bild, so Stremlow, nimmt die Umweltorganisation die Alpen nicht mehr als ein „aus dem Modernisierungsprozess ausgegrenztes, quasi geschichtsloses Gebiet“ wahr. Mit seiner textanalytischen Annäherung an die handlungsleitenden Alpenbilder liefert Matthias Stremlow einen wertvollen Beitrag für die aktuelle Diskussion über eigene und fremde Darstellung der Alpenregion und zeigt damit auch die Möglichkeiten und Grenzen der Akteure künftiger Entwicklungen im Alpenraum auf.
Verlag Paul Haupt Bern, Stuttgart und Wien 1998, 318 Seiten, Fr. 48.-, ISBN 3-258-05848-2