Bern/Lausanne, 27. März 2008. Die Schweiz will es zulassen, dass einzelne Staaten nur ausgewählte Menschenrechte einklagbar machen. Internationale Menschenrechts- und Entwicklungsorganisationen stellen sich gegen diese „à-la-carte“-Position und fordern die Schweizer Delegation auf, den bevorstehenden Verhandlungen über das Zusatzprotokoll zu den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechten in Genf fern zu bleiben – oder sich zur Schadensbegrenzung aus den Verhandlungen heraus zu halten.

Zum 60. Geburtstag der Universellen Erklärung der Menschenrechte steht die Schweiz mit leeren Händen da. Dabei böten die am kommenden Montag beginnenden Verhandlungen in Genf über das Zusatzprotokoll zu den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechten die historische Chance, allen Menschenrechten den gleichen Stellenwert zu geben. Konkret: Die Rechte des so genannten Sozialpakts sollen auf internationaler Ebene einklagbar werden. Denn was für zivile und politische Recht längst gilt, ist für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte wie das Recht auf Nahrung noch ein weit entfernter Traum.

Doch statt sich für ein umfassendes und wirkungsvolles Zusatzprotokoll einzusetzen, verfolgt die Schweizer Delegation einen „à la carte“-Ansatz. Dieser würde es den Mitgliedstaaten ermöglichen, jeweils nur einige ausgewählte Menschenrechte einklagbar zu machen. Den Schweizer Entwicklungs- und Menschenrechtsorganisationen, die seit Juni letzten Jahres im Dialog mit der Schweizer Verhandlungsdelegation stehen, ist diese Haltung aus vier Gründen unverständlich:

    * Der Schweizer  Ansatz widerspricht dem Grundsatz der Unteilbarkeit aller Menschenrechte.
    * Die Schweizer Position steht in frappantem Widerspruch zum sonstigen Einsatz der Schweiz für die Menschenrechte.
    * Will man die Millenniums-Entwicklungsziele zur Halbierung von Hunger und Armut erreichen, braucht es einen starken, internationalen Menschenrechtsrahmen.
    * Ein griffiges Zusatzprotokoll käme vor allem der Bevölkerung in Ländern des Südens zugute, die im Bereich der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte Defizite aufweisen. Es erstaunt deshalb, dass sich ein Industrieland wie die Schweiz quer stellt, das bereits über einen hohen Menschenrechts-Standard verfügt.

Über 250 Entwicklungs- und Menschenrechtsorganisationen aus der ganzen Welt haben in einem Brief die Schweizer Regierung vergangene Woche aufgerufen, sich für ein umfassendes Protokoll einzusetzen. Denn der „à-la-carte“-Ansatz sei „ein gravierender Rückschritt“ und könnte als Präzedenzfall auch in anderen Bereichen des internationalen Rechts negative Folgen haben.

Falls die Schweiz ihre Position nicht ändert, wäre es nach Ansicht dieser Organisationen besser, wenn die Delegation der Schweiz den Verhandlungen in Genf fernbliebe oder sich dort zumindest still verhielte. So stehe sie anderen Delegationen, die sich für ein starkes Protokoll einsetzen, wenigstens nicht im Wege.

Informationen: www.amnesty.ch; www.bfa-ppp.ch; www.swissaid.ch; www.fastenopfer.ch; www.fian.org/world-wide/fian-switzerland