Wie sah Ihre Menschenrechtsarbeit in Sri Lanka aus?

Seit dem Jahr 2000 habe ich für verschiedene Menschenrechtsorganisationen in Sri Lanka gearbeitet. Während des Krieges bestand meine Haupttätigkeit im Dokumentieren der Menschenrechtsverletzungen, die beide Parteien begangen haben, insbesondere von aussergesetzlichen Tötungen, gewaltsamem Verschwindenlassen und Angriffen auf Zivilpersonen. Ich habe mich immer für die Zivilgesellschaft eingesetzt, niemals für eine der beiden Bürgerkriegsparteien. Zudem war es mir wichtig, immer den Opfern beizustehen, weshalb ich beide Seiten des Konfliktes öffentlich kritisierte. Insgesamt habe ich 800 Fälle von gewaltsam Verschwundenen dokumentiert. Bis heute werden noch immer 176‘000 Personen vermisst. 

Ihre Arbeit wurde Ihnen zum Verhängnis – Was ist Ihnen widerfahren?

Es war mir immer ein Anliegen, die Weltöffentlichkeit über die Situation in Sri Lanka aufzuklären. Ich habe meine gesammelten Informationen mit gleichgesinnten Organisationen in Colombo geteilt und regelmässig Diplomaten, UNO-Missionschefs und NGOs über die Geschehnisse im Norden Sri Lankas aufgeklärt. Ausserdem habe ich internationalen Journalisten Zugang zu dieser Region verschafft, obwohl dies damals verboten war. Das war der Regierung ein Dorn im Auge, also beschuldigten sie mich, für die LTTE zu arbeiten. Das habe ich jedoch nie getan, ich habe mich immer für die Interessen und Bedürfnisse der Zivilbevölkerung eingesetzt, nie für die LTTE. Sicherheitskräfte kamen mehrmals in mein Büro und wollten wissen, auf welcher Seite ich stehe, wer meine Auftraggeber seien und für wen ich Informationen beschaffen würde. Bei diesen Besuchen haben sie jeweils auch Ausdrucke von meiner Datensammlung gemacht. Ich denke, dies war eine indirekte Drohung. Danach haben sie mehrmals versucht, mich zu entführen und es schlussendlich geschafft, mich in ein grosses Armeelager zu bringen. Während zwei Verhören haben mich Armeeangehörige geschlagen und beim dritten Mal zwangen sie mich eine unbekannte Tinktur zu trinken. In diesem Gefäss waren sicher über 450 alte Zigarettenstummel und andere undefinierbare Dinge. Die Soldaten hielten mir auf beiden Seiten eine Pistole an den Kopf und drohten mich zu erschiessen. Also trank ich, mir blieb keine Wahl. Daraufhin liessen sie mich gehen. Später stellte sich heraus, dass diese Tinktur Langzeitfolgen hatte und das Nikotin meine Nieren beschädigte – ich muss jetzt dreimal wöchentlich zur Dialyse.
«Der Untersuchungsprozess der Kriegsverbrechen in Sri Lanka muss auf den Anliegen der Opfer basieren, nicht auf denen der Täter. Eine internationale Beteiligung ist unabdingbar.»

Was verlangen Sie von der Sri-Lankischen Regierung, in Bezug darauf, was Ihnen und vielen Anderen angetan wurde?

Erstens braucht es eine aufrichtige politische Reform in Sri Lanka und eine politische Lösung. Erst danach besteht die Chance einer Versöhnung. Zweitens braucht es für eine echte Versöhnung erst eine ernsthafte Untersuchung der Geschehnisse. Die Täter beider Seiten müssen zur Rechenschaft gezogen werden. Eine internationale Untersuchung ist ein Muss für dauerhaften Frieden. Drittens müssen die Opfer beider Seiten entschädigt werden. Die Opfer wollen und brauchen Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung. Schliesslich muss die sri-lankische Regierung gewisse internationale Verträge und Konventionen, wie z.B. das Römer Statut, ratifizieren.

Was erwarten Sie von der Internationalen Gemeinschaft?

Die Internationale Gemeinschaft sollte den kürzlich veröffentlichten Bericht des Hochkommissars für Menschenrechte zur Untersuchung in Sri Lanka unterstützen. Vor allem eine internationale Beteiligung an der Untersuchung und Verurteilung der Verbrechen ist unabdingbar – das Hybrid-Gericht aus internationalen und sri-lankischen Beteiligten ist zwingend nötig.

Sri Lanka will die Verbrechen an einem inländischen Gericht untersuchen. Wie denken Sie darüber?

Wenn Sri Lanka das tun will, muss die Regierung zuerst die Sicherheit der Zeugen garantieren können, was derzeit nicht der Fall ist. Eine strukturelle Veränderung der Armee und Regierung hat noch nicht stattgefunden, die alten Befehlshaber sind noch immer an der Macht. Wie können so die Opfer ohne Gefahr aussagen?! Ein weiteres Problem ist die Tatsache, dass es sich um internationale Verbrechen handelt. Das sri-lankische Rechtssystem ist nicht dazu geeignet, diese zu untersuchen, es gibt nicht genügend kompetente Anwälte und Richter dafür. 

Würden Sie sich sicher fühlen, an einem Gericht in Sri Lanka auszusagen?

Nein. Ich wäre nicht bereit dort auszusagen – wie die meisten Opfer auch nicht. 

Schwache Uno-Resolution

Am 16. September 2015 hat der UNO-Hochkommissar für Menschenrechte seinen Bericht über die Menschenrechtslage in Sri Lanka veröffentlicht. Der Bericht dokumentiert die Folgen des blutigen Krieges und identifiziert Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Menschenrechtsverletzungen, die mutmasslich von beiden Bürgerkriegsparteien begangen worden sind. Die Verbrechen beinhalten unter anderem aussergesetzliche Tötungen, Freiheitsberaubung, Einschränkung der freien Bewegung, gewaltsames Verschwindenlassen, Folter, sexuelle Gewalt, Rekrutierung und Einsatz von Kindern in Kampfhandlungen und die Verweigerung humanitärer Hilfe. Als Reaktion auf diesen Bericht hat der UNO-Menschenrechtsrat am 1. Oktober eine Resolution verabschiedet. Die Forderungen dieser Resolution liegen jedoch weit hinter den Empfehlungen des Hochkommissars zurück. Das grösste Defizit besteht im Bezug zur Gerichtsbarkeit, welche die Verbrechen untersuchen und verurteilen soll. Der Hochkommissar empfiehlt nämlich die Gründung eines Hybrid-Gerichtes unter srilankischer und internationaler Beteiligung. Die Resolution hingegen fordert lediglich eine nationale Gerichtsbarkeit mit einer vagen internationalen Beteiligung. Wie das Interview mit Michael deutlich macht, gibt es jedoch genügend gute Gründe, warum die Opfer des Krieges und deren Angehörigen, insbesondere der tamilischen Gemeinschaft, einer nationalen Gerichtsbarkeit nicht trauen.

Schwache Uno-Resolution

Am 16. September 2015 hat der UNO-Hochkommissar für Menschenrechte seinen Bericht über die Menschenrechtslage in Sri Lanka veröffentlicht. Der Bericht dokumentiert die Folgen des blutigen Krieges und identifiziert Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Menschenrechtsverletzungen, die mutmasslich von beiden Bürgerkriegsparteien begangen worden sind. Die Verbrechen beinhalten unter anderem aussergesetzliche Tötungen, Freiheitsberaubung, Einschränkung der freien Bewegung, gewaltsames Verschwindenlassen, Folter, sexuelle Gewalt, Rekrutierung und Einsatz von Kindern in Kampfhandlungen und die Verweigerung humanitärer Hilfe. Als Reaktion auf diesen Bericht hat der UNO-Menschenrechtsrat am 1. Oktober eine Resolution verabschiedet. Die Forderungen dieser Resolution liegen jedoch weit hinter den Empfehlungen des Hochkommissars zurück. Das grösste Defizit besteht im Bezug zur Gerichtsbarkeit, welche die Verbrechen untersuchen und verurteilen soll. Der Hochkommissar empfiehlt nämlich die Gründung eines Hybrid-Gerichtes unter srilankischer und internationaler Beteiligung. Die Resolution hingegen fordert lediglich eine nationale Gerichtsbarkeit mit einer vagen internationalen Beteiligung. Wie das Interview mit Michael deutlich macht, gibt es jedoch genügend gute Gründe, warum die Opfer des Krieges und deren Angehörigen, insbesondere der tamilischen Gemeinschaft, einer nationalen Gerichtsbarkeit nicht trauen.