Menschenrechte konkret: Menschenrechtliche Sorgfaltspflichten bei Reiseveranstaltern
Die Tagung war Teil eines fortbestehenden Roundtable-Prozesses, an dem die Unternehmen Kuoni und Studiosus beteiligt sind, die bereits Handlungskonzepte zu Menschenrechten entwickelt und eingeführt haben. Darüber hinaus sind Nichtregierungsorganisationen wie der arbeitskreis tourismus & entwicklung, Naturfreunde Internationale und Tourism Watch beteiligt sowie das Deutsche Global Compact Netzwerk, die Hamburger Stiftung für Wirtschaftsethik und die Zertifizierungsgesellschaft TourCert, die den Prozess moderiert.
Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte
Referenzrahmen für die Umsetzung menschenrechtlicher Verantwortung von Unternehmen sind die Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte, die 2011 von den Vereinten Nationen anerkannt wurden. Sie definieren zum ersten Mal die Verantwortlichkeiten im Zusammenspiel von Staaten und Unternehmen. Wie Michael Windfuhr vom Deutschen Institut für Menschenrechte in seiner Einführung beschrieb, folgen die Leitlinien zwar einem konservativem völkerrechtlichen Ansatz, in dem die Staaten die Pflicht zum Schutz der Menschenrechte haben, aber die Unternehmen haben eine Pflicht zur Achtung der Menschenrechte und sollen Zugang zur Abhilfe bei Menschenrechtsverletzungen gewähren.
Trotz der zivilgesellschaftlichen Kritik an dieser konservativen Diktion, die die Unternehmen nicht als gleichwertige Pflichtenträger im Sinne des Völkerrechts versteht, betont der Menschenrechtsexperte dass die Leitprinzipien weitreichende Konsequenzen haben. Die Achtungspflicht ist keine passive Verantwortung, sondern erfordert konkrete Aktivitäten durch die Unternehmen im Sinne der erforderlichen Sorgfalt ("due diligence"). Der Zugang zu Abhilfe sowie die Berücksichtigung aller Dienstleister entlang der Wertschöpfungskette sind weitere Grundlagen der Leitprinzipien. Die Prinzipien bieten den internationalen Referenzrahmen, in dem alle Unternehmen unter denselben Bedingungen agieren.
Miriam Schaper von der Hamburger Stiftung für Wirtschaftsethik stellte die Ergebnisse einer Studie vor, die CSR-Standards vergleicht und den Vorteil eines gemeinsamen Vorgehens innerhalb einzelner Branchen hervorhebt. Ein Multistakeholder-Ansatz, der verschiedene Akteure aus Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft einbezieht, gewährleistet eine hohe Glaubwürdigkeit.
Umsetzung menschenrechtlicher Verantwortung bei Reiseveranstaltern
Die Veranstalter Studiosus und Kuoni stellten ihre Erfahrungen mit menschenrechtsbezogenen Managementstrategien vor. Studiosus hat einen sehr breiten Konsultationsprozess in den Zielgebieten angestossen. Es wurden jeweils die menschenrechtliche Ausganglage analysiert und Aktivitäten zur Verbesserung identifiziert und umgesetzt. Kuoni hat in einer tiefgehenden Analyse in Kenia Möglichkeiten identifiziert, Verbesserungen in Bezug auf prioritäre Menschenrechtsfelder herbeizuführen.
So unterschiedlich beide Ansätze auf den ersten Blick erscheinen, so sehr zeigen sie die Vielfältigkeit des möglichen Vorgehens. Vielfältig ist auch die Branche selbst. Allein die anwesenden Reiseveranstalter reichten von spezialisierten Kleinveranstaltern bis zu internationalen Konzernen. Die Komplexität der touristischen Wertschöpfungskette ist ein weiterer Grund, weshalb ein branchenweites Vorgehen nötig ist, das auf einer starken internationalen Strategie basiert.
Während Einvernehmen darüber besteht, dass jedes Unternehmen seine eigene Strategie zur Umsetzung menschenrechtlicher Verantwortung entwickeln muss, ist gleichzeitig klar, dass das im Rahmen der Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte entwickelte Konzept der "due diligence" Mindestkriterien benennt, die nicht unterschritten werden dürfen. Dazu gehört die Entwicklung einer menschenrechtsbezogenen Unternehmenspolitik, ihre Integration in die Unternehmenskultur, das betriebliche Management und die Zusammenarbeit mit den Zulieferern.
Ausserdem müssen die Auswirkungen der eigenen Geschäftstätigkeit auf die Menschenrechte geprüft werden, es muss Abhilfe gewährleistet werden und die Massnahmen müssen regelmässig kontrolliert werden.
Viele Unternehmen müssen nicht bei Null anfangen, denn es bestehen bereits Managementstrukturen in Bezug auf Nachhaltigkeit oder Risikominderung, die es um menschenrechtliche Komponenten zu erweitern gilt.
Gleichzeitig besteht Potenzial zur Kooperation bei einzelnen Massnahmen, wie der Einrichtung von Beschwerde- und Meldeverfahren oder der Menschenrechtsanalyse in einzelnen Zielgebieten. Verbände und internationale Strukturen im Tourismus sind an dieser Stelle unterstützend gefragt und können wichtige Funktionen übernehmen.
"Wir wollen uns auf den Weg begeben, aber wir stehen noch ganz am Anfang eines langen Weges und brauchen viele weitere, die mitgehen" wäre wohl das erweiterte Fazit der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Der Wille ist vorhanden, nun müssen Kräfte und Akteure mobilisiert werden. Um diesen Prozess zu unterstützen, entwirft der Roundtable, der weiteren Mitgliedern offen steht, eine Absichtserklärung, die von Unternehmen getragen werden soll. Geplant sind auch ein Managementleitfaden und ein praxisnahes Bildungsprogramm. Eine weitere Fachtagung im Spätsommer 2013 wurde verabredet und soll zur Intensivierung der Kooperation in der Branche dienen.