Menschenrechte: Staaten in der Pflicht
Was besagen Achtungspflichten?
Der Staat darf den einzelnen Menschen nicht an der Ausübung seiner Rechte hindern. Beispiele: Der Staat unterlässt willkürliche Tötungen, unrechtmässige Verhaftungen, Folter, Zensur, Eingriffe in die Meinungs- und Versammlungsfreiheit, willkürliche Zwangsvertreibungen sowie Gesundheitsgefährdungen und schliesst keine Bevölkerungsgruppen zum Beispiel von öffentlichen Gesundheits- und Bildungseinrichtungen aus.
Was bedeuten Schutzpflichten?
Der Staat muss den einzelnen Menschen vor Eingriffen in seine Rechte durch "Dritte" schützen. Beispiele: Der Staat ergreift Massnahmen zum Schutz der Menschen vor Gefährdungen des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit, vor Störungen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit oder auch vor Landvertreibungen, Mietwucher, Arbeitssklaverei und Ausbeutung durch Privatpersonen, gesellschaftliche Gruppen oder Unternehmen.
Was ist unter Gewährleistungspflichten zu verstehen?
Der Staat muss Massnahmen ergreifen, damit die Menschen ihre Menschenrechte auch wirklich nutzen können. Beispiele: Der Staat sorgt in Ländern ohne rechtsstaatliche und demokratische Tradition für funktionsfähige Gerichte und eine demokratische Wahlorganisation sowie in Ländern ohne ein ausgebautes Gesundheits- und Bildungssystem für eine ausreichende Zahl an Krankenhäusern und Schulen, damit die einzelnen Menschen in diesem Fall ihr Recht auf faire Gerichtsverfahren, ihr Wahlrecht sowie ihre Rechte auf Gesundheit und Bildung nutzen können. Demokratische Rechts- und Sozialstaaten sind am ehesten fähig, die Menschenrechte umfassend umzusetzen.
Wann greift der internationale Menschenrechtsschutz?
Sind die Regierungen nicht fähig oder willens, ihren menschenrechtlichen Pflichten nachzukommen, gewinnt der internationale Menschenrechtsschutz an Bedeutung. Die Vereinten Nationen unterstützen die Regierungen beim Aufbau staatlicher Kapazitäten zum Menschenrechtsschutz. Über Kritik und Empfehlungen im Rahmen von Berichts-, Untersuchungs- und Beschwerdeverfahren werden die Staaten zudem dazu angehalten, die Menschenrechte zu achten und besser umzusetzen. Dem gleichen Ziel können Anreize wie Handelserleichterungen oder Wirtschaftshilfe dienen oder Sanktionen wie etwa Handels- und Waffenembargos. Gewaltsame militärische Interventionen hingegen sind hochproblematisch und taugen nicht als Standardlösung zur Durchsetzung der Menschenrechte.
Pflichten auch über Staatsgrenzen hinaus?
Traditionell bezieht sich die Verantwortung des Staates auf das eigene Hoheitsgebiet. Doch stehen die Staaten auch in ihrem auswärtigen Handeln in der Pflicht, die Menschenrechte nicht selbst zu verletzen und, wenn möglich, zu schützen und zu fördern. Zugleich müssen die Staaten auf eine internationale Ordnung hinarbeiten, in welcher die Menschenrechte verwirklicht werden können.
Stehen nur Staaten in der Pflicht?
Die völkerrechtliche Fokussierung auf den staatlichen Menschenrechtsschutz droht ins Leere zu laufen, wenn die Nationalstaaten zu schwach sind, um die Menschenrechte – gerade auch gegenüber Eingriffen durch Dritte – effektiv zu schützen. In Ländern, in denen der Staat schwach oder vergleichsweise ungeschützt dem Globalisierungsdruck ausgesetzt ist, wächst die menschenrechtliche Verantwortung internationaler Organisationen und nichtstaatlicher Akteure, auch von Unternehmen. Die staatlichen Schutzpflichten und die Stärkung der menschenrechtlichen Verantwortung der Unternehmen sind zentrale Bestandteile der 2011 verabschiedeten UN-Prinzipien zu Wirtschaft und Menschenrechten.