UNITE HERE war die erste Gewerkschaft, die sich in einer umfassenden Erklärung zu den bürgerlichen und wirtschaftlichen Rechten der LGBTQI*-Bevölkerung bekannt hat. Warum war das ein wichtiger Schritt für Ihre Gewerkschaft?

Reinigungspersonal in großen Hotelketten und Beschäftigte im Lebensmittelsektor sind das Rückgrat unserer Gewerkschaft. Unsere Mitglieder sind sehr divers – sie kommen aus fast allen Ländern der Welt. Die meisten sind Frauen, People of Colour sowie Einwander*innen. Insofern kämpfen viele von ihnen bereits vermehrt mit Diskriminierung, Belästigung und Gewalt am Arbeitsplatz. Wenn Beschäftigte ausserdem noch Teil der LGBTQI*-Gemeinschaft sind, kommt eine weitere Ebene der Komplexität im Kampf um ihre Rechte auf menschenwürdige Arbeit und Schutz vor Diskriminierung hinzu. Für uns als Gewerkschaft ist es wichtig zu zeigen, dass wir offen für alle sind, unabhängig von Hautfarbe, Herkunft, geschlechtlicher Identität oder sexueller Orientierung. Letztendlich stehen wir alle vereint in unserem Kampf für menschenwürdige Arbeit, ökonomische Gerechtigkeit und Gleichberechtigung.

Welcher Art von Diskriminierung sehen sich LGBTQI*-Beschäftigte im Restaurant- und Gastgewerbe ausgesetzt? 

In den USA gibt es kein allgemeingültiges  Gesetz, was LGBTQI*-Menschen am Arbeitsplatz vor Diskriminierung schützt. Wie anfällig sie für Diskriminierung sind, hängt von der Rechtsprechung des Staates ab, in dem sie arbeiten. In Kalifornien sind LGBTQI*-Beschäftigte seit vielen Jahren gesetzlich geschützt. In Staaten mit einem weniger toleranten politischen Klima wie Louisiana, Georgia oder Texas sieht die Sache dagegen ganz anders aus. Hier ist es absolut legal, Beschäftigte zu feuern oder ihnen eine Beförderung zu verweigern, nur weil sie zum Beispiel schwul oder transsexuell sind.
Viele Mitglieder der LGBTQI*-Gemeinschaft berichten, dass sie verbal und emotional – in einigen Fällen sogar sexuell – belästigt oder missbraucht werden – weil es nicht der Heteronormativität entspricht, wen sie lieben oder wie sie ihr Geschlecht ausdrücken. Wir hören immer wieder von Arbeitgeber*innen, die sich weigern, die geschlechtliche Identität von transsexuellen Arbeitnehmenden anzuerkennen. Sie sprechen ihre Mitarbeitenden dann zum Beispiel ständig mit dem falschen Namen und/oder Pronomen an oder verbieten ihnen, Duschen oder Umkleideräume zu benutzen, die dem Geschlecht entsprechen, mit dem sie sich identifizieren.

In zu vielen Fällen werden Partner*innen von schwulen und lesbischen Arbeitnehmenden Gesundheitsleistungen komplett verweigert, oder es stehen ihnen deutlich weniger Leistungen zu als heterosexuellen Ehepartner*innen. Oftmals decken ihre Verträge und die entsprechenden Gesundheitsleistungen die HIV-Behandlung nicht ab – weder für Arbeitnehmer*innen noch für ihre Partner*innen.

Wie geht UNITE HERE mit diesen Problemen um?

Die Verhandlung von Verträgen mit Hotelketten und Gastronomiebetrieben für bessere Arbeitsbedingungen für alle Beschäftigten ist unser tägliches Brot. Wir bestehen auf Klauseln für soziale Sicherung von LGBTQI*-Arbeitnehmenden in Gewerkschaftsverträgen, die sie vor Diskriminierung schützen – auch dort, wo es keinen solchen Schutz im Gesetz gibt. Wenn es sein muss, rufen wir Streiks aus – unser stärkstes und effektivstes Mittel, um von unserer Kollektivmacht Gebrauch zu machen.

Im Schulterschluss kämpft ihre Gewerkschaft mit der LGBTQI*-Gemeinschaft für eine faire und gleichberechtigte Behandlung aller. Wie ist Ihnen das gelungen? 

Durch die Teilnahme an mehr als 32 Pride-Paraden allein in diesem Jahr erhöhen wir unsere Sichtbarkeit als Gewerkschaft in der LGBTQI*-Gemeinschaft. Bei politischen Fragen arbeiten wir Seite an Seite mit LGBTQI*-Aktivist*innen. In Kalifornien haben wir zum Beispiel erfolgreich Proposition 8 bekämpft, die darauf abzielte, die gleichgeschlechtliche Ehe zu verbieten. Einer der grössten Befürworter des Gesetzesvorhabens, Doug Manchester, war Besitzer des Grand Hyatt Hotel in San Diego. Mitglieder unserer Gewerkschaft und der LGBTQI*-Gemeinschaft organisierten Streiks, Boykotts und Medienkampagnen. Am Ende kam es nicht zur Verabschiedung des Gesetzes und Manchester musste sein Hotel verkaufen. Wir zeigen unsere Solidarität auch international. Als der Sultan von Brunei homosexuelle Handlungen unter Todesstrafe stellte, haben wir uns dem Aufruf zum Boykott aller Dorchester Hotels im Besitz des Sultanats Brunei angeschlossen. Zusammen mit der LGBTQI*-Gemeinschaft haben wir vor der Botschaft von Brunei und den Dorchester Hotels in den USA demonstriert.

Ausserdem betreiben wir eine Multimedia-Kampagne, die LGBTQI*-Reisende ermutigt, ihre Macht als Verbraucher*innen zu nutzen. Immerhin geben sie mehr als 200 Milliarden US-Dollar jährlich fürs Reisen aus. Mit unserer Kampagne „Sleep With The Right People” („Schlaf mit den richtigen Leuten“) rufen wir dazu auf, sich mit Streikenden zu solidarisieren, bestimmte Hotels zu boykottieren und, wann immer möglich, in Hotels zu übernachten, die gewerkschaftlich organisiert sind.

Übersetzung aus dem Englischen: Helena Gupta

Bahnbrechendes Urteil des Obersten Gerichts zugunsten der LGBTQI*

Sechs oberste Richter der Vereinigten Staaten von Amerika gegen drei entschieden am 15. Juni 2020, dass Homosexuelle und Transgender nach Titel VII des Bürgerrechtsgesetzes von 1964 geschützt sind, das Arbeitgebern untersagt, Arbeitnehmende aufgrund von Geschlechts, Rasse, Hautfarbe, nationaler Herkunft oder Religion zu diskriminieren. Zwei konservative Richter schlossen sich den vier Liberalen des Gerichts bei der Entscheidung an: Neil Gorsuch, ein 2017 von Trump ernannter Richter, der das Urteil verfasste, und der Oberste Richter John Roberts. 

Es ist wohl die einschneidendste Verbesserung der Rechtssituation von LGBTQI* seit 2015, als die Ehe für alle durchkam. Die Voreingenommenheit am Arbeitsplatz gegenüber homosexuellen und transsexuellen Mitarbeitenden war in weiten Teilen des Landes nach wie vor legal, und in 28 US-Bundesstaaten fehlten umfassende Maßnahmen gegen Diskriminierung am Arbeitsplatz. Das Urteil – in zwei Schwulenrechtsfällen aus Georgia und New York und einem Fall von Transgender-Rechten aus Michigan – erkennt den neuen Arbeitnehmerschutz im Bundesrecht an. /fairunterwegs/ni