«Mini Farb und dini»
Unweigerlich versetzt Andrea Hiratas Roman "Die Regenbogentruppe" die Leserinnen und Leser in ihre eigene Kindheit zurück. Und das, obwohl sich die Erinnerungen an die eigenen Schuljahre doch ziemlich drastisch von den Erfahrungen der jungen Regenbogenschüler unterscheiden. So musste in unserer Schulzeit wohl niemand wortwörtlich "dem Ruf der Natur" in den Wald folgen, weil es in der Schule keine Toilette gab, und den wenigsten wird auf dem Schulweg ein Krokodil begegnet sein. Trotzdem ist das Geschehene sofort nachvollziehbar. Dafür sorgt die erfrischende, unmittelbare Sprache, mit der Ikal, Hiratas Ich-Erzähler, die Erlebnisse seiner Jugend wiedergibt.
Mit präzisen Worten zeichnet Ikal ein buntes Bild seiner Klasse, der "Regenbogentruppe", wie sie von ihrer Lehrerin liebevoll genannt wird. Denn die Schülerinnen und Schüler beobachten jeden Regenbogen staunend von den Ästen des grossen Filiciumbaumes neben ihrem Schulzimmer aus. Und tatsächlich gemahnt die Beschreibung der bunten Truppe an das Kinderlied, das in der Deutschschweiz wohl alle kennen: "Mini Farb und dini, das git zäme zwe, wärets drü vier füüf sächs sibe, wo gern wettet zäme blibe, gits en Rägeboge, wo sich cha lo gseh."
Besonders ergreifend ist die Beschreibung der Geschichte des genialen Mitschülers Litang, des ältesten Sohnes einer armen Fischerfamilie. Er fährt jeden Tag auf seinem klapprigen Fahrrad zahlreiche Kilometer durch den Urwald, um den Unterricht zu besuchen. Aber auch die anderen Kinder und ihre Geschichte beschreibt Andrea Hirata auf berührende, sensible und farbenreiche Weise. Da sind beispielsweise der schöne Trapani, der einmal Lehrer werden möchte, und der geistig beeinträchtigte Hakun, der einmal wie Trapani werden möchte. Da sind Makal, der übersinnliche Kräfte beschwört, und Kucai, der schon in jungen Jahren sein Talent für die Politik entdeckt. Ihnen allen gemein ist die Liebe und Dankbarkeit.
Andrea Hirata: Die Regenbogentruppe. Übersetzt von Peter Sternagel. Hanser Verlag, Berlin 2013. CHF 29.90, EUR 19.90, ISBN 978-3-446-24146-6
Dieser Beitrag wurde dem Amnesty-Magazin vom August 2013 entnommen. Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung. Amnesty International Schweiz ist Infopartner von fairunterwegs.org