Basel, 19.02.2008, akte/ Im Ishpingo Tambicocha Tibutini-Gebiet (ITT) im ecuadorianischen Regenwald sollen rund 1 Milliarde Barrel Erdöl lagern, auf die es Erdölunternehmen abgesehen haben. Die ecuadorianische Regierung hat der brasilianischen Ölfirma Petrobrás die Förderlizenz für den umstrittenen Block 31 des Yasuní-Nationalparks erteilt und damit auch eine Petition des Indígenavolks der Waorani ignoriert, welche gegen die Lizenzierung Einsprache erhoben hatte. Block 31 liegt unmittelbar neben ITT, einem Gebiet, für dessen Schutz sich Energieminister Alberto Acosta auf eine innovative Idee einer Umweltgruppe eingelassen hatte.
Acosta  machte den Vorschlag zur Regierungspolitik, zum Schutz des Yasuní unter Ausgleichszahlung der Industrieländer auf Rohölausbeutung zu verzichten: Die internationale Gemeinschaft soll die Hälfte des Nettogewinns für das nicht geförderte Erdöl zahlen – ungefähr 30 Millionen US-Dollar im Jahr. Dafür böte Ecuador keine CO2-Emission, Schutz der Artenvielfalt und der indigenen Völker sowie den vom Regenwald produzierten Sauerstoff. Zahlen sollten multilaterale Kreditgeber wie die Weltbank, Staaten, NGOs, Unternehmen und Privatpersonen. In einem Interview diesen Frühling mit der WOZ meinte Acosta dazu: „Es liegt auch eine ökonomische, unternehmerische Logik darin, die Biodiversität zu schützen. Denn im Amazonas liegen zahlreiche Antworten auf medizinische Fragen. Dort leben die Erfahrungen von Millionen Jahren Natur und Kultur, die uns bei globalen Herausforderungen helfen können, die wir noch nicht einmal kennen. Wer weiss, ob der Sauerstoff nicht mal das wertvollste Gut sein wird – viel teurer als Öl heute. Was heute wenig wert zu sein scheint, kann in einigen Jahrzehnten grossen Wert haben – und auch einen höheren Preis.“
Druck der Ölfirmen
Die Erdölunternehmen halten allerdings wenig von dieser unternehmerischen Logik. Sie schlugen stattdessen eine „ökologisch verträgliche“ Ölförderung vor. Interessenten, die das ITT-Öl zusammen mit der staatlichen Gesellschaft Petroecuador ausbeuten wollen, standen Schlange: Ölgesellschaften aus Indien, Brasilien, China, Venezuela, Chile, Vietnam, der Türkei und Russland. Offensichtlich hat sich die Regierung von dieser Argumentation überzeugen lassen: Die lizenzierte Erdölfirma erfülle die ökologischen Auflagen, begründete das Umweltministerium seinen Entscheid, die Lizenz auszugeben. Petrobrás werde keine Zufahrtsstrassen bauen, sondern das Öl mit unterirdischen Leitungen anzapfen.
Ölreichtum führt zu Armut
Acosta kennt die Logik der Ölförderer, denn er war selbst  einmal Marketingchef von Petroecuador am Amazonas. Aber heute ist Acosta überzeugt, dass Ölreichtum ein Fluch ist für Entwicklungsländer, nur Abhängigkeit, Korruption und Vetternwirtschaft fördert. Er verweist auf  40 Jahre, in denen 4 Milliarden Barrel Öl im Wert von 82 Milliarden Dollar gefördert wurden. Vom Geld hat die Bevölkerung Ecuadors nichts gesehen. Vor der Ölförderung war der unberührte Urwald nur von Pumas und ein paar indigenen Stämmen bevölkert. Die wurden vertrieben und ausgerottet, als Texaco kam – und die Siedler. Hinterlassenschaft der Texaco ist die Goldgräberstadt Lago Agrio, in der Morde an der Tagesordnung sind. Eine Industriebrache mit hunderten hochgiftigen Öltümpeln. Und verseuchtes Grundwasser. Seit 15 Jahren klagen indigene Organisationen gegen Texaco, um den US-Konzern zu zwingen, die Schäden zu beseitigen. Sechs Milliarden Dollar, sagen Experten, würde das kosten, das wäre mehr als der gesamte Staatshaushalt Ecuadors. Umwelt- und Indígenaorganisationen unterstützen die Kampagne „Fordern statt fördern“. Die interamerikanische Entwicklungsbank finanziert eine Studie, welche die Kosten berechnen soll. Ein paar Universitäten wollen das Projekt unterstützen, ebenso wie Schauspieler Harrison Ford und Indiana Jones. Carlos Larrea Maldonado, Professor an der Universidad Andina Simón Bolivar in Ecuador, Berater von Unicef und Weltbank, sieht in „Fordern statt Fördern“ einen neuen Entwicklungsweg für Natur und Menschen.
ITT – UNO Biosphärengebiet der Menschheit
Ishpingo Tambococha Tibutini, kurz ITT, ist ein Naturreservat von enormer Biodiversität, mit mehr als 500 Vogelarten und seltenen Pflanzen. Es wurde von der UNO zum Biosphärengebiet der Menschheit erklärt. Es leben dort auch die letzten indigene Völker, die keinen Kontakt mit der Aussenwelt haben. Und keinen wollen. Zum Beispiel die Tagaeri, die dorthin geflohen sind, oder die Taromenani und Oñamenane. Diese Völker stehen unter dem Schutz der UNO. Bereits heute ist der Yasuní-Nationalpark, in dem das ITT-Naturreservat liegt, eine beliebte Destination für Ökotourismus. So steht zu befürchten, dass die Erschliessung des Gebietes mit Strassen im Block 31 den Tourismus nach sich zieht. Die Nichtregierungsorganisation Amazonia por la vida, in der sich verschiedene Umwelt- und Indígena-Organisationen für den Erhalt des Yasuní-Reservates einsetzen, kämpfen weiter für die Utopie, welche sie „Fordern statt Fördern nennen.“ Zum Beispiel mit einem offenen Brief an den Präsidenten Ecuadors.
Quellen: www.amazioniaporlavida.org  12.11.2007; www.deindymedia.orgwww.ecuadoronline.de 08/2007; www.tropenwaldnetzwerk-brasilien.de Juli 2007; www.saveamericasforests.org/Yasuni/ Mai 2007; WOZ 24.05.2007 www.woz.ch ; TAZ 4.5.07 www.taz.de;

Offener Brief an den Präsidenten Ecuadors