Mit Emissionen handeln: Licht und Schatten
Wirtschaft ist energieabhängig. Solange wirtschaftliche Aktivität auf fossilen Energiequellen basiert, hängt die Frage, welche wirtschaftlichen Entwicklungen möglich sind, davon ab, wie viel Treibhausgase emittiert werden können. Hier setzt der Handel mit Emissionsrechten an.
I: Der EU-Emissionshandel
Die Europäische Union hat als erste grosse Wirtschaftsregion ein marktwirtschaftliches Instrument des Emissionshandels, das sogenannnte europäische Emission Trading System (ETS) eingeführt. Das ETS ist das wichtigste Klimaschutzinstrument der Europäischen Union. Es verbindet die Festlegung einer erlaubten Emissionsmenge (englisch: cap) mit dem Instrument des Handels von Emissionszertifikaten (trade) zwischen den beteiligten Unternehmen. Es wird daher vom Prinzip des Cap&Trade gesprochen.
Nachdem ein Cap verbindlich festgelegt ist, wird diese Emissionsmenge auf die betroffenen Sektoren, also auf die Teilnehmer des ETS (derzeit vor allem Energieversorgung, Industrie) aufgeteilt. Die Grundidee ist, weniger Emissionsberechtigungen auszugeben, als die Unternehmen benötigen, um damit eine Knappheitssituation und einen Preis für CO2 zu schaffen. Die Unternehmen können ihre Deckungslücke ausgleichen, indem sie Emissionszertifikate kaufen und/oder technische Minderungsmassnahmen durchführen. Sollten eigene Massnahmen teurer als der aktuelle CO2-Marktpreis sein, werden Zertifikate gekauft. Unternehmen, die effizient wirtschaften, können durch den Verkauf nicht genutzter Zertifikate zusätzliche Einnahmen erzielen. Volkswirtschaftlich werden die geforderten Emissionsminderungen dort erzielt, wo mit geringsten Vermeidungskosten die höchsten Reduktionen erzielt werden. In der ökonomischen Theorie gilt der Emissionshandel als effizienter als fiskalische (CO2-Steuer) oder ordnungsrechtliche Ansätze (Grenzwerte, Verbote). Ob dies tatsächlich in der Praxis gilt, hängt davon ab, wie die Rahmenbedingungen gestaltet werden.
Das ETS trat am 1. Januar 2005 in Kraft. Das Gesamtbudget (Cap) wurde auf 2190,8 Mio. Tonnen (Mt) CO2 pro Jahr festgelegt. Da die Obergrenze sehr hoch angesetzt wurde und einzelne Länder mehr Zertifikate ausgegeben hatten, als eigentlich benötigt wurden, kam es zunächst zu einem starken Preisverfall. Da die ausgegebenen Zertifikate den Unternehmen überwiegend kostenlos zugeteilt wurden, war die Anreiz- und Lenkungswirkung des ETS zunächst gering. Die Unternehmen realisierten vielmehr „Windfall Profits“. Konkret wurde beispielsweise den grossen Energieversorgungsunternehmen vorgeworfen, dass sie zukünftig angenommene Preise für CO2-Zertifikate schon als tatsächliche Kosten an den Endverbraucher überwälzten, obwohl sie ihre Zertifikate in der ersten Phase kostenlos erhalten hatten.
Die zweite Phase (2008-2012) ist zeitlich identisch mit der ersten Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls, das die Reduktion von Treibhausgasen für die Industrieländer verbindlich regelt. Die EU hat zugesagt, ihre Emissionen in diesem Zeitraum um acht Prozent gegenüber dem Niveau von 1990 zu verringern. Deutschland hat sich im Rahmen der EU-Lastenteilung verpflichtet, im gleichen Zeitraum insgesamt 21 Prozent weniger klimaschädliche Gase zu produzieren. Ein Teil der Zertifikate wird versteigert. Die Erlöse von ca. 400 Millionen Euro pro Jahr fliessen in die Klimaschutzinitiative der Bundesregierung, mit der im In- und Ausland Klimaschutzprojekte gefördert werden.
In der dritten Handelsperiode (2013-2020) soll allmählich ein höherer Anteil versteigert werden. Für energieintensive Wirtschaftszweige gelten zunächst noch Ausnahmeregelungen, die später auslaufen sollen. Die EU hat die Obergrenze bei 2039 Mt für das Jahr 2013 festgelegt, die jährlich kontinuierlich sinken soll. Ab 2012 wird der Flugverkehr in den Emissionshandel integriert. Chemische Industrie, die Aluminiumindustrie und später möglichst auch Schiffsverkehr sollen folgen.
Die Kritik bezieht sich vor allem auf die kostenlose Zuteilung der Zertifikate und die zu hoch angesetzten Obergrenzen. Ausserdem können regionale Emissionshandelssysteme dazu führen, dass der Treibhausgasausstoss teilweise in andere Regionen verlagert wird, in denen die Umweltschutzbestimmungen geringer sind.
II: Emissionshandel zwischen Industrie- und Entwicklungsländern
Das Kyoto-Protokoll erlaubt als "Flexible Mechanismen" neben dem Emissionshandel auch projektbezogene Instrumente. In Staaten, die das Kyoto-Protokoll ratifiziert, aber keine eigenen Minderungsverpflichtungen haben, können im Rahmen des Mechanismus für umweltverträgliche Entwicklung (Clean Development Mechanism – CDM) Minderungsprojekte realisiert werden. Industrieländer oder private Akteure aus Industrieländern können, statt die Emissionen im eigenen Land zu mindern, Projekte in Drittstaaten durchführen oder finanzieren. Für dabei realisierte CO2-Einsparungen werden Minderungszertifikate (Certified Emission Reductions – CER) ausgestellt, die auf die Verpflichtungen im europäischen Emissionshandel anrechenbar sind. Der CDM ist ein Null- Summen-Spiel, jede in einem solchen Projekt eingesparte Tonne in Entwicklungsländern wird auf die Reduktionsbeiträge der Industrieländer angerechnet, die dies finanziert haben. Die CDM-Emissionszertifikate erhöhen die Gesamtmenge der zur Verfügung stehenden Zertifikate im ETS.
Zur Begründung des CDM wird auf Effizienz verwiesen. Der klimapolitische und ökonomische Ansatz lautet: In Entwicklungs- und Schwellenländern wird Energie häufig ineffizient eingesetzt, es bestehen hohe Einsparpotenziale. Mit den gleichen finanziellen Mitteln kann ein grösserer Beitrag zum Klimaschutz geleistet werden im Vergleich zu Industrieländern oder in hocheffizient arbeitenden Sektoren. Gleichzeitig trägt der CDM zum Technologie- und Finanztransfer bei und soll nachhaltige Entwicklungsprozesse fördern. So weit die Theorie.
In der Realität zeigt sich allerdings, dass der CDM-Mechanismus zahlreiche Schwachstellen aufweist. Der Beitrag zum globalen Klimaschutz und zur nachhaltigen Entwicklung ist bei vielen Projekten zweifelhaft. Ein Kriterium des CDM, die Zusätzlichkeit, wird häufig ignoriert. Zusätzlichkeit erfordert den Nachweis, dass das Projekt ohne die CDM-Gelder nicht stattgefunden hätte, da es wirtschaftlich nicht rentabel war. Die Aufnahme in den CDM bedeutet, dass global die Emissionen sogar steigen, denn der Käufer der Zertifikate verringert seine Anstrengungen im eigenen Land. Aus einem Null-Summen-Ansatz wird somit global eine Erhöhung der Emissionen. Studien gehen zudem davon aus, dass etwa 20 Prozent der CDM-Projekte dem Kriterium der Zusätzlichkeit nicht entsprechen.
Auch der positive Beitrag zu einer nachhaltigen und armutsorientierten Entwicklung durch den CDM ist eingeschränkt. Da die meisten Projekte industrielle Grossprojekte sind und nur ein Bruchteil im Bereich Erneuerbare Energien und Energieeffizienz angesiedelt ist, sind die direkten Wirkungen auf eine Verbesserung der Lebensbedingungen für die Bevölkerung eher gering. In zahlreichen Fällen haben Grossprojekte durch Vertreibungen der Bevölkerung und den Verlust der Landnutzung die sozialen Verhältnisse sogar verschlechtert. Es gibt in den betroffenen Ländern Proteste gegen CDM-Projekte.
Mit der Entwicklung des Gold-Standards durch Nichtregierungsorganisationen wurde ein Kriterienraster entwickelt, das die soziale und ökologische Integrität der Projekte deutlich erhöht. Der Gold-Standard wird beim CDM und im freiwilligen Kompensationshandel angewendet. Kriterien sind Zusätzlichkeit, Förderung erneuerbarer Energien und Energieeffizienz, nachhaltige Entwicklung sowie Partizipation der lokalen Bevölkerung. Damit wird sichergestellt, dass Kompensationsprojekte tatsächlich zu einer Reduktion von Treibhausgasen führen und tatsächlich die nachhaltige Entwicklung fördern. Zahlreiche Partner des EED, v.a. in Indien, entwickeln Projekte nach dem Gold-Standard. Der EED unterstützt diese Initiativen im Rahmen der internationalen Kooperation und durch den kirchlichen Kompensationsfonds "Klima-Kollekte".