
Ferien im Baudenkmal: Mit schönen Häusern zu nachhaltigem Tourismus
Matteo Baldi: Bewegen sich Tourist*innen anders in den besuchten Orten, wenn sie in einem historischen Gebäude übernachten?
Christine Matthey: Die meisten unserer Feriengäste wählen in erster Linie ein Baudenkmal als Reiseziel. Es geht ihnen um das Erleben von Baukultur. Dabei lernen sie aber auch die jeweilige Region kennen, die sie unter anderen Umständen vielleicht nicht als Destination in Betracht gezogen hätten. Die Neugier, die sie dem Baudenkmal entgegenbringen, überträgt sich auf die Region. Sie entdecken die lokale Kultur und Gastronomie, die Natur und das Leben vor Ort. Damit fügen sie sich nahtlos in die Idee des nachhaltigen Tourismus ein.
MB: Über 80% der Besucher*innen kommt aus der Schweiz selbst. Das können wir bei fairunterwegs kaum glauben! Was macht Ferien im Baudenkmal zum Erfolgsrezept für Nahreisen?
CM: Die Stiftung Ferien im Baudenkmal bietet Ferien an, die man als «exotisch» und doch «nah» bezeichnen kann. Unsere Häuser sind authentisch, einzigartig und bieten eine aussergewöhnliche Begegnung mit unserer Geschichte und Baukultur – abseits der ausgetretenen Pfade. Dieses Konzept überzeugt viele Menschen in der Schweiz, die sich nach sinnvollen und ökologischen Ferien sehnen.
MB: In diesem Zusammenhang ist auch interessant, dass die Belegungsrate während der Pandemiejahre am höchsten war. Kann man Ferien im Baudenkmal also als Paradebeispiel in Sachen touristischer Resilienz betrachten?
CM: Die Pandemie war für die Stiftung ein Glück im Unglück. Damals hatten wir noch etwas weniger Baudenkmäler im Angebot als heute. Und als der Bundesrat die Bevölkerung aufforderte, ihre Ferien in der Schweiz zu verbringen, waren wir mit einer überwältigend hohen Buchungsanfrage konfrontiert. Wir hatten damals genau das Angebot, das den Bedürfnissen der Bevölkerung entsprach: individuelle Aufenthalte innerhalb der Grenzen und mit viel Entdeckungspotenzial. Das Interesse an dieser Art von Ferien hat sich seither stabilisiert, ist aber nach wie vor da.

MB: Ihre Häuser werden nach eigenen Angaben eher von «kulturaffinen Paaren und Familien aus dem urbanen Umfeld» besucht. Gibt es Hinweise dafür, dass Baudenkmäler und Slow Tourism auch breitentauglicher werden?
CM: Laut Tourismus-Trendforschern dürfte diese Art des Reisens in den kommenden Jahren tatsächlich an Bedeutung gewinnen. Wir führen zwar keine Statistiken über die Profile unserer Gäste, aber ich bin überzeugt, dass unsere Kundschaft immer vielfältiger wird.
MB: Wie stehen Tourismus, Heimatschutz und Abwanderungen im Verhältnis zueinander?
CM: Die Abwanderung ist ein gesellschaftliches Problem, das weit über unsere Tätigkeit hinausgeht. Sie ist auch eine Herausforderung für das kulturelle Erbe, denn wenn es nicht lebendig ist, ist es in Gefahr. Die touristische Aktivität, die wir anbieten, ist eine – natürlich punktuelle – Antwort auf dieses Problem. Die Häuser erhalten wieder eine Funktion, werden gepflegt und schaffen einen Mehrwert für die Region, sei es durch Renovierungsarbeiten, Instandhaltungsaufträge, Hausbetreuungsstellen oder durch die Ausgaben der Gäste vor Ort. Das wertet die Kulturlandschaft auch für die Anwohner auf.

Die Stiftung Ferien im Baudenkmal belebt Randregionen neu
MB: Welche Bedeutung haben Randregionen (oder wie wir sie nennen: Orte abseits touristischer Hotspots) für Ferien im Baudenkmal?
CM: In diesen Gebieten befinden sich die meisten historischen Gebäude, die vom Abriss bedroht sind oder leer stehen. Zum Teil seit Jahrzehnten unbewohnt, sind sie unverändert geblieben und weisen noch viele ursprüngliche Merkmale auf. Hier kann die Stiftung ansetzen und etwas bewegen. In Stadtzentren und Agglomerationen sowie in touristisch stark genutzten Gebieten ist die Siedlungsentwicklung meist schneller und von der ursprünglichen Bausubstanz oft nicht mehr viel übrig.
MB: Wieso funktionieren gewisse Häuser nicht mehr als Wohnhäuser, werden aber als Ferienhäuser plötzlich nachgefragt?
CM: Dies hängt unter anderem mit den heutigen Ansprüchen an den Wohnkomfort zusammen. Niedrige Decken, steile Treppen, kleine Fenster mögen für den Alltag ungeeignet sein, in dem alles funktional und schnell erreichbar sein muss. Aber genau das macht unsere Häuser so besonders! Obwohl alle unsere Baudenkmäler mit modernen Küchen und Bädern ausgestattet sind, muss nicht jeder Raum den heutigen Ansprüchen genügen. Knarrende Dielen, hohe Türschwellen, ein Ofen zum Einheizen bieten ein einzigartiges Erlebnis für ein bis zwei Wochen Ferien. Die Rückbesinnung auf einfachere Zeiten und die Entschleunigung während des Aufenthaltes sind eine Art neuer Luxus.
MB: Was braucht es dazu, Menschen für Ferien im Baudenkmal zu begeistern?
CM: Nicht viel! Die Menschen, die von uns hören und unsere Häuser entdecken, sind meist begeistert von der Idee – was uns natürlich sehr freut! Sie verlieben sich in die Bilder und Stimmungen und dann in die Baudenkmäler. Und unsere Gäste bleiben uns oft treu. Das ist für uns der beste Beweis, dass unsere Mission richtig ist und Zukunft hat.
Einige Baukulturliebhaber*innen engagieren sich darüber hinaus, indem sie unsere Aktivitäten finanziell unterstützen. Diese Unterstützung ist für unsere Arbeit unerlässlich. Ohne Spenden wären wir nicht handlungsfähig.
MB: Sie haben sich entschieden, mit Bedacht zu wachsen, was steht hinter dieser Entscheidung?
CM: Der Bekanntheitsgrad und das Interesse an der Stiftung und ihrer Arbeit haben in den letzten Jahren zugenommen, was uns natürlich sehr freut. Wir erhalten viele Anfragen zur Rettung von Baudenkmälern und zur Zusammenarbeit. Um unseren Verpflichtungen nachkommen zu können, müssen wir jedoch darauf achten, dass das Wachstum nicht zu einem Engpass bei unseren Ressourcen führt und dass sich Angebot und Nachfrage parallel entwickeln. Wir konzentrieren uns daher auf Objekte, die unser Angebot sowohl geografisch als auch hinsichtlich des Baustils und/oder der Bauzeit ergänzen. Weitere Auswahlkriterien sind die historische Qualität der Gebäude, die Qualität eventuell bereits durchgeführter Renovierungen oder das touristische Potenzial der Region.

Christine Matthey
Christine Matthey, gebürtige Westschweizerin, hat an der Universität Genf Geschichte studiert, einen Master in «Europastudien – Kultur und Gesellschaft» erworben und sich in Management und öffentlicher Verwaltung weitergebildet. Zuvor war sie Geschäftsführerin des Forum Helveticum und leitete bei Pro Helvetia ein gesamtschweizerisches Kulturprogramm. Durch verschiedene Mandate bei Turespaña konnte sie auch Erfahrungen im Tourismusbereich sammeln. Seit 2022 leitet sie die Stiftung Ferien im Baudenkmal und führt diese mit einem eingespielten Team aus baukulturbegeisterten Mitarbeiterinnen.