Basel, 28.08.2012, akte/ Glokal, ein Berliner Verein an der Schnittstelle von Entwicklungszusammenarbeit und Rassismuskritik, bietet zu gesellschaftskritischen Themen Bildung und Beratung an. In der aktuellen Broschüre werden Berichte aus dem Einsatz oder aus den Ferien in einem Land des "globalen Südens" unter die Lupe genommen. Denn wenn wir reisen, so die AutorInnen, tun wir dies mit dem Gepäck des Kolonialismus, der uns und die Weltordnung seit Jahrhunderten prägt: 1914 waren 85 Prozent der Erde von EuropäerInnen besetzt. Die AutorInnen beschreiben den Kolonialismus in seiner ganzen Schrecklichkeit und zeigen auf, wie eng das Korsett um die Länder des globalen Südens gelegt wurde: Sie wurden gezwungen, Güter zu produzieren, die für sie vielleicht nutzlos, aber für den Westen unabdingbar waren wie Metalle, Baumwolle, Tee, Kaffee, Zucker, was einherging mit Vertreibungen, Zwangsarbeit, Massenmord, Vergewaltigung und Zerstörung politischer, religiöser und gesellschaftlicher Strukturen sowie ökonomischer Lebensgrundlagen. Wer sich nach der Unabhängigkeit vom Kapitalismus abwenden wollte, wurde in einen Stellvertreterkrieg verwickelt, wie etwa in Vietnam, Korea, Mosambik, Angola, Kongo, Chile, Nicaragua….

Wir denken. Sie tanzen
Zur Begründung der Unterdrückung von Menschen im globalen Süden wurde zwischen Gläubigen oder Ungläubigen unterschieden, später zwischen Hautfarben als Ausdruck bestimmter Fähigkeiten. Heute wird mit Vorliebe zwischen nach europäischen Vorstellungen entwickelten oder weniger entwickelten Menschen und Gesellschaften unterschieden. Stets ging und geht es darum, dass sich Weisse als Mass aller Dinge definieren und damit die Ausbeutung und Unterdrückung anderer legitimieren. "Richtig" heisst heute Kapitalismus, freie Marktwirtschaft, Schulmedizin, Christentum, Schulen nach europäischem Vorbild, Wissenschaftlichkeit, direkte Demokratie. In den Köpfen der EuropäerInnen wurden die verschiedenen Gesellschaften in Lateinamerika zu "Indianern" und in Afrika zu "Stämmen" mit "Häuptlingen" oder zu "Buschmännern", verbunden mit den Vorstellungen von Nacktheit, Stolz, Naturverbundenheit, Brutalität usw. In einem eigenen Kapitel beschreibt die Broschüre, wie "die Anderen" konstruiert und ihrer Individualität beraubt werden, sodass wir plötzlich von den "Arabern" sprechen, und wie einzelne biologische Merkmale mit Persönlichkeitseigenschaften (etwa Pünktlichkeit, Ungehemmtheit usw.) verbunden werden.
Solche über Jahrhunderte geschaffenen Assoziationsketten begleiten uns auch auf Reisen. In der Broschüre werden viele Beispiele zitiert und kommentiert. Leitfragen sollen den Reisenden helfen, die eigene Rolle bei der Beschreibung von Land und Leuten immer mitzubeachten.
Fotografie als Trophäe
Wer fotografiert, bildet nicht einfach die Realität ab, sondern in erster Linie die eigene Wahrnehmung. Oft werden mit der Wahl des Bildsujets oder mit der Bildkomposition (z.B. Weisse Person stehend, Schwarze sitzend) Stereotypen gefestigt. Die AutorInnen geben den Reisenden eine Reihe von Tipps, wie sie verhindern können, mit ihren Ferienbildern die Würde oder gar die Rechte der Bevölkerung im Reiseland zu verletzen.
Sich mit dem eigenen Rassismus zu beschäftigen, ist eine Herausforderung, aber es kann zu einer neueren, reicheren und vielfältigeren Wahrnehmung auf Reisen und zur besseren Selbsterkenntnis führen. Die Broschüre ist dafür ein gelungener Einstieg.
Broschüre von glokal e.V. (Hrsg.): Mit kolonialen Grüssen… Berichte und Erzählungen  von Auslandaufenthalten rassismuskritisch betrachtet. Berlin 2012, 39 Seiten, EUR 2.-. Zum Download oder zur Bestellung: www.glokal.org.