Am 29. Juni verhaftete die israelische Poizei BewohnerInnen in Silwan, während Bulldozer einen Pferdestall im besetzten Stadtteil zerstörten und andere Baumaschinen ein kleines Lagerhaus in Abu Tur in der Nähe plattwalzten. Diese Zerstörungen kommen in der Folge des Urteils des israelischen Gerichts, beide Gebäude seien illegal und unter Nichtbeachtung der Bauvorschriften erstellt worden. In einem Statement vor dem Gericht sagte der Stadtpräsident von Jerusalem, Nir Barkat, er werde von der Behörde in seiner Ansicht unterstützt, dass es "einen richtigen und einen falschen Weg, einen richtigen und einen falschen Platz zum Bauen in Jerusalem gibt".
Vertreibung im Namen der touristischen Entwicklung
Barkats "Masterplan" für die Stadt sieht eine beschleunigte Zerstörung palästinensischer Wohnhäuser vor. Beispielhaft dafür ist das kürzlich angekündigte Vorhaben, 22 Häuser im Stadtteil Silwan zu zerstören, das bereits mehrfach von Häuserzerstörungen und Häuserübernahmen durch bewaffnete jüdische Siedler unter dem Schutz der israelischen Sicherheitskräfte verwüstet worden ist. "Anfang dieser Woche hat die Stadt, nach mehreren Jahren der Debatten, den aufwieglerischen Plan formell gutgeheissen, 22 Häuser im al-Bustan-Block in Silwan plattzuwalzen, um für touristische Besichtigungsstätten und städtebauliche Massnahmen Platz zu machen. … Jüdische Entwicklungsunternehmen haben mit dem Einzug von Siedlern Keile in den palästinensischen Stadtteil getrieben und archäologische Grabungen finanziert, wo einst palästinensische Gebäude standen", berichtete am 26. Juni der Palestine Monitor.
Mindestens 500 DemonstrantInnen, PalästinenserInnen, Israeli und internationale AktivistInnen zogen am 25. Juni durch die Strassen von Silwan, um gegen die Zerstörung der Wohnhäuser und den beschleunigten Bau von jüdischen Siedlungskolonien in der Stadt zu protestieren. Mehr als 50 Personen wurden bei gewaltsamen Zusammenstössen mit den israelischen Sicherheitskräften verwundet. Diese schossen Berichten zufolge mit scharfer Munition, Tränengas und Handgranaten mit Aufschlagzünder (percussion grenades) in die Menge. Ein Palästinenser verlor sein Auge, als ihn eine Handgranate mit Aufschlagzünder in seinem Gesicht traf, eine Palästinenserin hatte eine Fehlgeburt, nachdem sie zu viel Tränengas eingeatmet hatte, schreibt die Palestinensische Maan Nachrichtenagentur am 29.06.2010. Maan berichtet weiter, eine 19-jährige schwangere Palästinenserin habe einen Schock erlitten, als israelische Sicherheitskräfte in ihre Wohnung einzudringen versuchten. Man brachte sie schnellstens ins Rotkreuz-Spital gebracht, wo sie eine Fehlgeburt erlitt.
Palästinensische Familien werden unter Druck gesetzt
In der Nacht nach den Protesten kurz vor der Morgendämmerung des 29. Juni seien fünf Palästinenserinnen von israelischen Sicherheitskräften in einer Razzia festgenommen worden, darunter der 12-jährige Baha al-Rajabi. Dutzende von Kindern aus Silvan seien seit Anfang Jahr von israelischen Sicherheitskräften und Grenzwächtern entführt, verhaftet und verhört worden. Die Verantwortlichen der Gemeinde und die Eltern sehen dahinter die Absicht, den verwundbarsten Teil der Gemeinschaft anzugreifen, um so Druck auf die Familien aufzubauen, den Stadtteil zu verlassen.
Die israelische Menschenrechtsgruppe B’Tselem weist darauf hin, dass strenge Wohn- und Gebäudevorschriften und die chronisch rassistisch-diskriminierende Ablehnung von Baueingaben die palästinensischen EinwohnerInnen Jerusalems zwingen, ohne richtige Baugenehmigung in Gebieten wie Silwan zu bauen. Wenn später die Polizei die Häuser zerstöre, wirke das legitim und wie eine simple Amtshandlung. "Die Stadtbehörde Jerusalems ist bei PalästinenserInnen bezüglich Bauvorschriften viel strikter als bei der jüdischen Bevölkerung, obwohl die Verletzung von Bauvorschriften in den jüdischen Quartieren viel häufiger vorkommt."
Verhinderung eines künftigen palästinensischen Staates
In einer Mitteilung des Palestine Monitor erklärte Dr. Mustafa Barghouti, Generalsekretär der palästinensischen Nationalen Initiative al-Mubadara, der Plan, die Wohnhäuser in Silwan zu zerstören, sei ein Beispiel für Israels Bemühungen, Ostjerusalem jüdisch zu machen, auch mit  verwaltungstechnischen Tricks. "Die Werkzeuge Israels für die Verhandlungen mit den PalästinenserInnen sind Bulldozer, die Erweiterung jüdischer Siedlungseinheiten und die Veränderung der demografischen Zusammensetzung der Stadt zugunsten der jüdisch-israelischen Bevölkerung", stellte Bargouti fest: "Wir erleben die systematische Vertreibung der PalästinenserInnen aus Jerusalem, was gegen eine künftige Einrichtung eines souveränen palästinensischen Staates gerichtet ist."
Sowohl die Europäische Union wie die Vereinten Nationen verurteilten Israels Plan und erklärten, dass er gegen internationales Recht verstosse. Die Leiterin Aussenbeziehungen der EU, Catherine Ashton sagte am 30. Juni auch, die Zerstörung der 22 Häuser sei ein "Hindernis für den Frieden".
Israel reagiert nicht auf internationalen Druck
Zakariya Odeh, ein politisch aktiver Bewohner von Ostjerusalem und Direktor der Civic Coalition for Defending Palestinian Rights in Jerusalem, sprach mit dem Newsportal "The Electronic Intifada (EI)" nach einem Sit-in-Protest in den Büros des internationalen Komitees des Roten Kreuzes am 1. Juli. Hunderte hatten sich dort versammelt zum Protest gegen die Vertreibung von vier palästinensischen Politikern aus Ostjerusalem in derselben Woche, nachdem ihre Einwohnerrechte im Juni aufgehoben worden waren.
Odeh erklärte gegenüber Electronicintfada, Baraks "Masterplan" für Jerusalem diene bloss dazu, die palästinensische Bevölkerung in engere Enklaven abzudrängen oder sie ganz aus dem Land zu vertreiben. "Der Plan, die Zerstörung, die Sache mit den Vertreibungen – es ist frustrierend. Als Menschenrechtsorganisation können wir nicht viel mehr tun als anwaltschaftlich unsere Stimme gegen dieses Unrecht zu erheben", sagte Odeh, "Die Leute haben genug. Es ist offensichtlich, dass Israel auf keinen Druck der internationalen Gemeinschaft hört. Sie wollen uns als kleine Minderheit in unserer eigenen Stadt halten. Wenn sie mit ihrem Plan durchkommen, gibt es keine Zukunft für die PalästinenserInnen in Jerusalem."

Andernorts im besetzten Ostjerusalem, berichtete Maan am 28. Juni, hätten die Bulldozer und Baumaschinen Boden für neue ausschliesslich jüdische Wohnsiedlungseinheiten in der Nähe der illegalen Pisgat Zeev-Siedlung unmittelbar beim palästinensischen Flüchtlingslager und dem Quartier Beit Hanina vorbereitet. Der Bauplan wurde im Februar 2010 bekanntgegeben und sieht den Bau von 600 Häusern auf Grund vor, der ursprünglich den Palästinensern gehörte.
Willkürliche Zerstörungen
Zusätzlich kündigt das regionale israelische Planungskomittee den Bau von zwei Hotels auf Palästinensischem Grund in den Aussenbezirken des Stadtteils Jabal al-Mukkaber an. Das Israelische Komitee gegen Häuserzerstörungen (ICAHD) berichtete am 29. Juni auch, Israelische Sicherheitskräfte hätten einen Stall, eine Hecke, eine Strasse und mehrere Fruchtbäume im Stadtteil Isawiya zerstört. Das sei nun die sechste Welle von Zerstörungen im letzten Jahr seit die Gemeinde den Plan umsetzte, die Entwicklung in diesem Stadtteil aktiv zu unterbinden.
"Das Grundstück gehört einer Familie mit einer kleinen Farm auf dem Grund, die eine Bewilligung hat, Tiere auf dem Grundstück zu halten", berichtet ICAHD in einer Medienmitteilung. "Die Rechtmässigkeit der Zerstörungen ist selbst nach Israelischen Gesetzen unklar, waren doch die gerichtlichen Verfahren bezüglich des Grundstücks noch hängig, als die Zerstörungen stattfanden."

Hoffnung auf den Widerstand der Zivilgesellschaft
Mittlerweile stellen viele die Krise im besetzten Ostjerusalem in den Zusammenhang mit der generellen Situation der PalästinenserInnen unter der Apartheid- und militärischen Besatzung überall in Palästina. "Die Regierung unter Premierminister Benjamin Netanyahu stellt überall unmögliche Bedingungen her, in Jerusalem, an den Grenzen, bei den Siedlungen, beim Wasser und im Jordantal", bemerkte Dr. Barghouti in seiner Mitteilung im Palestine Monitor. "Die Antwort auf diese Strategien liegt in der Ausdehnung des gewaltlosen Widerstands der Zivilgesellschaft, der Wiederherstellung der nationalen Einheit und der Aufgabe jeder Illusion, dass die momentanen Verhandlungen zu positiven Resultaten führen können. Wir können nicht darauf warten, bis Israel ernsthafte positive Schritte unternimmt, denn das wird nie passieren."

Quellen: Five seized in Silwan, including 12-year-old child, Palestinian Maan news agency, 29.06.2010; Barghouthi, Jerusalem Master Plan to Erase Palestinian Existence from the City, Mitteilung Palestine Monitor vom 29 June 2010; Demolition in Isawiya Today, Medienmitteilung der ICAHD, 29.06.2010; Israelis, Internationals Take Action Against Silwan Demolitions, Palestine Monitor on 26.06.2010; Israel set to enforce revocation of Jerusalemites› residency rights HThe Electronicintifada, 20.06.2010; B’Tselem: "Policy of discrimination in planning, building and land expropriation;
Der Beitrag erschien am 2. Juli auf www.electronicintifada.net ;The Electronic Intifada (EI) ist eine unabhängige online-Nonprofitpublikation zum israelisch-palästinensischen Konflikt aus einer palästinensischen Perspektive, mit dem Ziel "die proisraelische, proamerikanische Tendenz  zu bekämpfen", die laut den HerausgeberInnen in den Mainstream-Medien vorherrscht. EI wurde von Ali Abunimah, Arjan El Fassed, Laurie Kind und Nigel Parry gegründet.

Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung. Übersetzung und redaktionelle Bearbeitung: Nina Sahdeva, arbeitskreis tourismus & entwicklung, Basel