Mit Tourismus eine nachhaltige Entwicklung fördern: das Projekt Flores
Basel, 09.09.2010, akte/
Wie kommt Swisscontact nach Flores?
Swisscontact arbeitet seit bald vierzig Jahren in Indonesien. Bis Ende der 90er-Jahre stand die Berufsbildung im Vordergrund, seit Mitte der 90er-Jahre die Förderung der Kleinen und Mittleren Unternehmen (KMU). Seit 2004 führten wir innerhalb unseres eigenen Enwicklungsprogrammes in Flores ein Projekt für die lokale Wirtschaftsförderung mit Farmergruppen durch. Dabei geht es um die Verbesserung der Lebensbedingungen der Landbevölkerung durch verbesserte Produktions- und Verarbeitungsmethoden sowie durch einen erleichterten Marktzugang für Cashewnüsse, Seegras und Kakao.
Aufgrund unserer Kenntnisse der lokalen Begebenheiten erhielten wir einen Auftrag der Australischen Regierung, im Westen von Flores über die Jahre 2006-2008 ein Tourismusprojekt aufzubauen. Labuan Bajo, der Hauptort dieser Gegend, ist das Eintrittstor zu den Komodo-Inseln, wo der berühmte Waran, oder eben der letzte Drache lebt. Mit touristischen Angeboten auf dem Festland sollen potentielle Gäste angesprochen und Durchreisende dazu motiviert werden, länger auf Flores zu verweilen.
Wie muss man sich die Insel vorstellen? Was hat sie zu bieten?
Flores gehört zur Provinz Ost Nusa Tenggara (NTT), den kleinen Sunda-Inseln, zu denen auch Sumba, Alor und West-Timor gehören. Es ist eine 450 Kilometer lange aber nicht sehr breite Insel, auf der fünf indigene ethnische Gruppen leben, insgesamt 1,6 Millionen Menschen. Die Insel ist mit 14 Vulkanen bergig, aber auch mit Urwald bewachsen und daher artenreich. Da die Insel von starken Strömungen umgeben ist, konnten sich hier besondere Spezies herausbilden, wie eben der Waran auf der Komodo-Insel. Auf Flores und Umgebung gibt es zwei Nationalparks, den Kelimutu- und den Komodo-Nationalpark. Besonders eindrücklich sind auch die sehr reiche Unterwasserwelt, Korallenriffe und faszinierende Fischarten. Mit etwas Glück können Taucher und Schnorchler zum Beispiel einen Riesenmanta oder Teufelsrochen mit ihrer unglaublichen Spannweite beobachten. Anfang nächsten Jahres werden wir zwei Büchlein publizieren, eines über Land und Leute von Flores mit ihrer Geschichte und Kultur, und das zweite übers Tauchen im Westen von Flores.
Wie geht ihr bei der Förderung des Tourismus vor?
Wir streben an, die Insel Flores als Destination zu fördern, nicht einfach westliche und östliche Gebiete der Insel, die weit auseinander liegen. Als Grundlage analysieren wir zur Zeit die aktuelle Lage, um zu sehen was bereits vorhanden ist, wo es Potentiale gibt und welche Defizite existieren. Die Resultate präsentieren wir den lokalen Behörden, Gewerbetreibenden und Vertretern der Bevölkerung zusammen mit dem Ziel des Projektes. So sensibilisieren wir die verschiedenen Stakeholder entlang der Transflores-Route dafür, wie viel es ihnen bringt, wenn sie zusammen ein gemeinsames Ziel verfolgen. Dabei motivieren wir sie, den Aufbau einer Destination Management Organisation (DMO) zu unterstützen. Die DMO wird die Destination nach aussen vertreten und die verschiedenen Akteure unterstützen. Sie wird sich also um das Marketing und die Produktentwicklung kümmern.
Ihr möchtet, dass der Tourismus auf Flores nachhaltig ist. Flores ist ökologisch (Urwald, Korallen usw.) und sozial (fünf indigene Ethnien) ein sensibles Gebiet. Welches sind eure Nachhaltigkeitskriterien? Habt ihr beispielsweise die mengenmässig tragbaren Obergrenzen des Tourismus ermittelt?
Bis jetzt haben wir noch keine Carrying Capacity-Studie für Flores durchgeführt oder verbindliche Nachhaltigkeitskriterien formuliert. Wir werden aber die Lokalregierungen bei der Erarbeitung eines Masterplanes für Flores unterstützen, welcher diese Aspekte beinhaltet. Die Gäste kommen heute vorwiegend mit dem Flugzeug aus Bali angereist. Das relativ magere Flugangebot verhindert bis jetzt ein zu starkes Anwachsen der Besucherzahl. Bei steigendem Bekanntheitsgrad kann sich dies allerdings ändern. Bei unserer direkten Beratung und Ausbildung von Hotels, Restaurants, Reiseveranstaltern und Tourguides sind ökologische und soziale Aspekte immer auch ein wichtiger Bestandteil wie etwa der sparsame Umgang mit Wasser und Energie, Hygiene und Gesundheitsaspekte, aber auch faire Anstellungsbedingungen – auch, damit die Angestellten länger bleiben.
Wie sieht es mit der Mitsprache der nicht direkt am Tourismus teilhabenden, aber davon betroffenen Lokalbevölkerung aus?
Der Einbezug möglichst vieler Akteure ist uns ein Anliegen. Wenn wir zum Beispiel die Entwicklung eines Trekking-Angebotes in der Gegend eines Dorfes unterstützen, wird die Dorfbevölkerung einbezogen, damit sie sich einbringen und davon profitieren kann. Zudem streben wir an, dass Tourismusbetriebe wenn immer möglich lokale Produkte verwenden und dass zum Beispiel Hotels und Restaurants ihr Gemüse und Früchte von lokalen Bauern beziehen. Unser Ziel ist es, entlang der Trans-Flores-Route möglichst viele Tourismusbetriebe und Dorfgemeinschaften einzubeziehen. Dies ist sicher kein einfaches Unterfangen und braucht Zeit.
Wer reist heute nach Flores und welche Reisenden wollen Sie dazugewinnen?
Heute besuchen pro Jahr etwa 30’000 Gäste die Insel. Nicht mitgerechnet sind die Kreuzfahrttouristen, welche nur einen kurzen Abstecher zur Komodo-Insel machen. Von diesen Besuchern profitiert die Bevölkerung von Flores nicht. Zu 70 Prozent sind die Flores-Besucher Individualreisende, mehrheitlich gut informierte. Ein kleinerer Teil kommt mit arrangierten Reiseangeboten von Bali aus. Der Grossteil der BesucherInnen ist aus Europa, allen voran aus Holland. Wir möchten den Anteil der gut informierten Individualreisenden steigern. Ältere und junge Kultur- und Naturliebhaber, welche etwas erleben möchten. Was wir sicher nicht wollen ist ein Partytourismus. Deshalb vermeiden wir auch künstlich produzierte Attraktionen, die gibt es ja in Bali. Hier sind die Natur und die lokale Kultur das Grundkapital. Vor Ort bieten lokale Touroperator die verschiedenen Produkte an. Im Weiteren arbeiten wir mit Reiseanbietern in Bali zusammen, um dort mit attraktiven Reiseprogrammen neue Besucher zu gewinnen. Lokal und regional verfügen wir über ein gutes Beziehungsnetz. International ist es schwieriger, wir sind aber am Aufbauen. Mit einem soliden Erscheinungsbild und marktgerechten Produkten werden wir versuchen, spezialisierte Reiseveranstalter zu gewinnen.
Die Zentralregierung in Indonesien setzt auf den Tourismus als Entwicklungsmotor. Dazu hat sie den Provinzen auch Vorgaben gemacht. Nützen oder schaden die dem Konzept des Tourismus für eine nachhaltige Entwicklung in Flores?
Die Zentralregierung hat einen Vierjahresplan für die Entwicklung von 15 Destinationen nach dem Prinzip der Destination Management Organisation erarbeitet. Es ist gut, wenn die Regierung den Tourismus nicht einfach wild weiterwuchern lässt, sondern ihn koordiniert entwickeln will. Indonesien hat noch so viele unentdeckte Paradiese. Wenn man das weitsichtig angeht, das heisst mit einem soliden Nachhaltigkeitsanspruch, hat Indonesien noch ein grosses Wachstumspotential. Allerdings ist in Südost-Asien die Konkurrenz gross und andere Länder wie Malaysia werben mit einem klaren Promotionskonzept für sich. Hier hat Indonesien noch einiges aufzuholen.
Wir möchten in diese ganze Entwicklung die Nachhaltigkeit verstärkt einbringen. Flores soll ein positives Beispiel werden. Natürlich lässt sich das nicht einfach für eine andere Destination kopieren, aber wir sind bestrebt, einen regen Erfahrungsaustausch zwischen den verschiedenen Destinationen zu pflegen und werden ein Anwender-Handbuch zur freien Verfügung erstellen. Wir sind auch bestrebt, uns international auszutauschen. Das Staatssekretariat für Wirtschaft seco fördert diesen Austausch.
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Destination Management Organisation (DMO):
Mit einer DMO soll erreicht werden, dass touristische Anbieter und Behörden nicht einfach zufällig nebeneinander existieren, sondern gut aufeinander abgestimmt zusammenarbeiten, sei es in der Entwicklung der Angebote, in der Qualitätsentwicklung oder in der Vermarktung. So kann sich die Destination im Wettbewerb besser behaupten.
Weitere Informationen:www.swisscontact.ch; www.florestourism.com/