
«Mit unseren Produkten leisten wir einen Beitrag an die Artenvielfalt.»
Basel, 22.05.2012, akte/
Herr Hunkeler, wie sind Sie auf den Soglio Fusspflegebalsam gekommen?
Es war ein Produkt, das von der Kundschaft verlangt wurde. Es führen so viele Wanderrouten durch das Bergell, da ist es naheliegend, ein Produkt für Wanderer zu entwickeln.
Ist es das älteste Produkt von Soglio?
Nein, das erste Produkt war ein Rheumamittel namens Soliosan. Es war ein von der Heilmittelbehörde zugelassenes Medikament. Irgendwann war aber der Aufwand für die Zulassung des Heilmittels zu gross, und wir begannen, uns auf die Produktion von Pflegemitteln wie die Massagecremes Soliofit und Valserbalsam zu konzentrieren
Was ist das Besondere an Ihren Produkten?
Jedes Soglioprodukt enthält mindestens einen Rohstoff aus unseren Bergen. Alle weiteren Rohstoffe müssen eine dermatologische Qualität aufweisen. Durch besondere Extraktionsverfahren und möglichst viel Handarbeit können wir eine Qualität anbieten, die mit konventionellen Methoden nur schwer erreichbar ist. Die Ziegenbutter stammt von Ziegen aus dem Valsertal, die Molke von den Schafen in Davos, die Kräuter von einem Bauern in Soglio. Damit leisten wir einen Beitrag zur Artenvielfalt. Vielen Städtern ist nicht bewusst, dass die Abwanderung aus den Bergdörfern eine Verwaldung zur Folge hat. Wo Bauern noch Weiden und Hecken pflegen, gibt es Magerwiesen mit Blumen und Schmetterlingen, die im Wald nicht fliegen. Die Verwaldung geschieht in atemberaubender Geschwindigkeit: ein Tennisplatz pro Tag. Deshalb ist eines unserer wichtigsten Ziele, die Rekultivierung zu fördern. Die Besiedelung der Berge vor Tausenden von Jahren war ein Gewinn für die Artenvielfalt, der jetzt wieder auf dem Spiel steht. Wichtig ist uns auch: Was immer man bei der Produktion sinnvollerweise von Hand machen kann, machen wir von Hand. Wir verstehen uns als Manufaktur, die Produkte sind also nicht nur mit der Natur, sondern auch mit den Menschen an diesem Ort verbunden. Wir geben etwas von uns weiter.
Was ist denn im Fusspflegebalsam drin?
Wir haben ein eigenes Verfahren entwickelt, um aus der Ziegenbutter ein reines Ziegenbutteröl herzustellen. Es enthält viel mehr kurz- und mittelkettige Fettsäuren als Kuhbutter. Dadurch dringt der Balsam besser in die Haut ein, hält sie geschmeidig, befeuchtet, belebt, stärkt und durchblutet sie. Dabei helfen auch Heilkräuter wie Rosmarin, Thymian, Wacholdernadel- und Wacholderbeerenöl, die ausserdem fein riechen. Ausserdem enthält der Balsam Bienenwachs, Lanolin und Jojobaöl.
Was bedeutet Soglio für Sie?
Soglio ist für mich eine Art Bezugspunkt zwischen nördlicher Strenge und dem südlichen Charme, zwischen westlicher und östlicher Weisheiten. Mit seinen Hangterrassen ist Soglio auch klimatisch interessant, mit einer ganz besonderen Flora. Auch die Kultur ist besonders: Das Bergell gehört zu den vier italienischsprachigen Bündnertälern, wobei ein Dialekt gesprochen wird, der oft stark an Rumantsch erinnert. Es ist das einzige reformierte Tal im italienischsprachigen Graubünden. Wobei das hier nicht so eine Rolle spielt, die Bündner sind sehr liberal und freiheitsliebend. Ich suchte damals vor über dreissig Jahren nach so einem Ort. Meine Arbeit als Laborant in der immunologischen Grundlagenforschung befriedigte mich nicht mehr, es war zu viel Kopf und zu wenig Herz und Hand. Ein Freund nahm mich damals mit nach Soglio, und mir wurde klar, dass dies der richtige Ort ist, um etwas aufzubauen. Die Kenntnisse für die Entwicklung der Pflegeprodukte habe ich mir autodidaktisch angeeignet, zusammen mit Paul Niedermann, einem ehemaligen Chemielaboranten, der inzwischen auch schon 25 Jahre bei uns tätig ist. Im Moment arbeitet auch ein Chemiker mit uns, und bald stösst eine Spezialistin für Produktion und Kräutertechniken zu uns. Aber die Galenik, also die Lehre von der Herstellung der Arzneimittel, ist auf meinem eigenen Mist gewachsen.
Sie sind ursprünglich ein Basler und sprechen immer noch Baseldeutsch. Sind Sie gut in Soglio integriert?
Es gibt im Dorf einen guten Zusammenhalt. Früher hatten wir eine eigene Gemeindeversammlung, aber heute sind die ehemals fünf Bergeller Gemeinden in der Gemeinde Bregaglia zusammengeschlossen. Aber man kennt sich und schwatzt auf der Gasse. Wenn jemand in Not ist, wird geholfen, auch wenn man vorher gestritten hat.
Und die TouristInnen?
Der Umgang mit TouristInnen beschränkt sich auf ein paar Stunden pro Tag. Wir haben drei Hotels in Soglio, das historische Palazzo Salis, die Stüa Granda und das Hotel Soglina, dazu noch ein Bed and Breakfast. Wir können jetzt halt nicht mehr die Geissen durchs Dorf treiben, das wäre wohl schwierig. Aber sonst stören die Gäste nicht. Schwieriger sind die Besucher aus der Stadt, die zu jeder Tageszeit unangemeldet an die Türe klopfen und meinen, man habe immer Zeit – obwohl sie umgekehrt in der Stadt nie Zeit haben und sich strikte an den Terminplan halten. Es gibt Tage, da steht immer jemand vor der Tür. Da muss ich Grenzen setzen. Manche verstehen es, andere halt nicht. Aber es hat immer wieder interessante Leute in Soglio, Schriftsteller oder Künstler.
Wie wichtig ist der Soglio-Betrieb als Wirtschaftsfaktor?
1986 wurde unser Betrieb zu gross für Soglio. Wir zogen dann nach Castasegna ins ehemalige Hotel Croce Bianca. Hier sind wir auch in bester Nachbarschaft zum Denklabor der Universität Zürich und der ETH Zürich, das interessante Projekte in Zusammenarbeit mit Natur- und Geisteswissenschaften realisiert. Es ist heute wichtig, alte Denkmuster zu durchbrechen, immer noch sprechen wir etwa von Umwelt, als wäre das Individuum oder der Mensch etwas von der Welt Getrenntes. Soglio beschäftigt 14 Personen in Teilzeit, was ungefähr neun bis zehn Vollzeitstellen entspricht. Dazu kommen noch die Zulieferer für die Ziegenbutter, die Schafmolke und die Kräuter. Wir sind, glaube ich, der zweitgrösste Arbeitgeber in der Umgebung. Für die Bauern ist das immer noch ein Tropfen auf einen heissen Stein, aber immerhin.
Sie haben sich mit Soglio einen Traum erfüllt. Jetzt sind sie bald pensioniert. Haben Sie neue Pläne?
Ich werde mich weiterhin um Landschaftspflege kümmern. Wir haben jetzt sehr gute Leute im Betrieb, und ich denke, dass ich, ausser für gelegentliche Beratungen, nicht mehr so oft gebraucht werde. Dokumentarisch werde ich die Firma noch weiter begleiten. Meine ersten Kurzfilme zu Soglio sind auf www.soglio-produkte.ch zu betrachten.