Ich begann 1994 als Kassier an der Réception des Old Winter Palace Hotel Luxor zu arbeiten. Jetzt bekleide ich die Funktion des Daily Duty Managers (stellvertretenden Gastgebers). Ich bin für die operativen Abläufe dieses grossen, prestigeträchtigen Hotels verantwortlich, in dem illustre Persönlichkeiten wie Staatsoberhäupter, Diplomaten und Stars ein- und ausgehen. Mit Geduld, Fingerspitzengefühl und Diskretion sorge ich dafür, dass die individuellen Anliegen und Wünsche unserer Gäste erfüllt werden.
Im Moment liegt der Tourismus in Ägypten danieder, und dies hat spürbare Auswirkungen auf die lokale Wirtschaft: Bei den Einkaufsgeschäften, Taxibetrieben und Anbietern von Flusskreuzfahrten und Ausflügen zu historischen Stätten herrscht Flaute.

Ali lockt Reisende mit den Vorzügen von Luxor

Luxor ist aber ein sicherer Ort, an dem von den Unruhen nichts zu spüren ist. Hier gibt es vieles zu erleben und zu geniessen: Entspannung am Hotelpool, Nilfahrten mit Motorbooten oder traditionellen Felucken, Ballonfahrten über das westliche Nilufer, Ausflüge ins Tal der Könige mit seinen historischen Grabstätten. Zu den berühmten Sehenswürdigkeiten gehören auch die Tempelanlagen von Karnak und Luxor, an denen nach Einbruch der Dunkelheit beeindruckende Ton- und Lichtshows geboten werden.
Abends kann man das Treiben in den geschäftigen Souks beobachten und um Trouvaillen feilschen oder auf der "Corniche" entlang des Nilufers promenieren. Zahlreiche Restaurants im Zentrum bieten leckere lokale Spezialitäten an. Ausflüge nach Kairo, Hurghada oder Assuan lassen sich einfach organisieren, sei es mit dem Boot, Taxi oder einem Privatchauffeur, mit einem eigenen Reiseführer oder in einer geführten Gruppe. Es besteht ein breites Angebot an Nilkreuzfahrten von der zwei- bis dreitägigen Minikreuzfahrt bis zur einwöchigen Tour inklusive Besuch verschiedener archäologischer Stätten. Das Hotelpersonal hilft Gästen gerne, Ausflüge nach ihren Wünschen zu organisieren.

Der tägliche Kontrast zwischen bescheidenem Zuhause und Luxus im Hotel

Die letzten zwei Jahre waren nicht einfach. Letzten Herbst standen die Zeichen auf Erholung. Doch Bilder von erneuten Protesten in Kairo verunsichern auch potenzielle Gäste von Destinationen weitab der Hauptstadt. Die Hotels in Luxor und Assuam sind teilweise nur zu 5 bis 10 Prozent belegt. Ich bemühe mich sehr, ein positives Arbeitsklima zu fördern. Mit meinen Mitarbeitenden pflege ich einen freundlichen, respektvollen Umgang, und ich habe stets ein offenes Ohr für ihre Sorgen und Anliegen. Im Laufe meines Berufslebens habe ich immer wieder Stellenangebote von anderen Häusern erhalten. Es wurden mir auch Positionen im Ausland angeboten, wo die Anstellungsbedingungen vorteilhafter und die Löhne höher sind. Doch habe ich alle abgelehnt, weil ich in erster Linie für meine Familie und mein Dorf da sein will und mich für das Winter Palace Hotel und vor allem für die Al Bader-Stiftung engagieren möchte.
Nach der Arbeit tausche ich Anzug und Krawatte gegen meine traditionelle Galabija, setze mit der Fähre ans westliche Nilufer über und fahre mit einem öffentlichen Bus ins 45 Minuten entfernte Dorf Beshlaw, wo ich mit meiner Frau, unserem Sohn und weiteren Angehörigen zusammenlebe. Manchmal muss ich die letzten vier Kilometer zu Fuss gehen, weil nach Mitternacht keine Mikrobusse mehr verkehren. Täglich erlebe ich den Kontrast zwischen den bescheidenen Verhältnissen im Dorf und dem Luxus im Winter Palace Hotel.
Wenn ich zu Hause ankomme, ist mein Tagewerk noch lange nicht vollbracht. 2008 habe ich nämlich die gemeinnützige Institution Al Bader gegründet und offiziell registrieren lassen. Seither haben wir eine kleine Schule aufgebaut, an der über 80 Kinder von vier Lehrpersonen und zwei Hilfslehrkräften unterrichtet werden. Wir haben auch unsere Moschee um ein Stockwerk erhöht, um einen Gebetsraum für Frauen einzurichten, der bei Bedarf zu einem Gemeinschaftszentrum oder gar zu einem Operationssaal umfunktioniert wird. In einem kleinen Gebäude haben wir ein Nähatelier aufgebaut. Dort stellt eine Gruppe von Witwen Bettüberwürfe, Vorhänge und Stofftaschen her und kann so ein Einkommen erzielen.

Alis Engagement für Bildung, Gesundheit und Wohlfahrt

Zurzeit baut Al Bader ein dörfliches Gesundheitszentrum. Wir konnten mit dem Krankenhaus im nahe gelegenen Naqada eine Vereinbarung für die kostenlose Behandlung von bedürftigen Personen abschliessen und die örtliche Apotheke überzeugen, mittellosen DorfbewohnerInnen kostenlos Medikamente abzugeben und Al Bader in Rechnung zu stellen. Unsere Stiftung verfolgt das Ziel, die Bildung, Gesundheitsversorgung und Wohlfahrt der Bevölkerung zu fördern. Das hat sich mittlerweile auch in den benachbarten Dörfern herumgesprochen, so dass immer mehr Menschen in der Schule vorbeikommen und uns um Bettlaken, Medikamente und Nahrungsmittel bitten. Wir weisen niemanden zurück.
Ich verbringe viel Zeit damit, ÄrztInnen aus den Krankenhäusern der Region für unsere Sache zu gewinnen. Ich lade sie nach Beshlaw ein, damit sie die Bevölkerung zu Gesundheitsthemen aufklären und beraten. Es gelang mir auch, Optiker und Augenärztinnen nach Beshlaw zu holen, die Sehtests und Augenbehandlungen durchführten.
Meine Familie ist mir sehr wichtig. Ich bin gläubiger Muslim und habe eine klare Vorstellung von einer guten Lebensführung. Meine Frau engagiert sich ebenfalls im Team von Al Bader und übernimmt verschiedene Aufgaben im sozialen Bereich. Die ganze Familie verbringt viel Zeit mit dem gemeinsamen Dienst an der Gemeinschaft und der Entwicklung von Beshlaw.
* Das Old Winter Palace Hotel Luxor ist eine Ikone des internationalen Tourismus. Der prachtvolle Palast wurde 1886 für eine betuchte englische und europäische Kundschaft erbaut und diente später dem ägyptischen Königshaus als Winterresidenz. In seinem Gästebuch finden sich die Namen vieler mächtiger und prominenter Persönlichkeiten aus verschiedenen Epochen. Agatha Christie arbeitete hier 1937 an ihrem berühmten Roman "Tod auf dem Nil" und der Archäologe und Entdecker des Grabes von Tutanchamun, Howard Carter, schlenderte vor fast einem Jahrhundert durch die tropischen Gärten des Hotels. Das im viktorianischen Stil gebaute Haus gehört einer ägyptischen Gesellschaft und wird von der Accor-Gruppe unter der Luxusmarke Sofitel geführt.
Deutsche Bearbeitung: Jacqueline Hefti, arbeitskreis tourismus & entwicklung, Basel