Monika Jäggi: GATS – Tourismus und die Umwelt
Auswirkungen des WTO-Dienstleistungsabkommens GATS auf eine nachhaltige Tourismusentwicklung, insbesondere auf den Natur- und Landschaftsschutz
Erklärung von Bern (EvB), 2006, 80 Seiten, SFr. 15.- (zzgl. Versandkosten)
Basel, 01.12.2006, akte/ Unter den Bestimmungen der Freihandelsabkommen im Dienstleistungsbereich (GATS) können Natur- und Landschaftsschutz als wesentliche Voraussetzungen für eine nachhaltige Tourismusentwicklung nicht gewährleistet werden. Zu diesem Schluss gelangt die Erklärung von Bern in einer neuen Studie.
Dass sich die entwicklungspolitische Organisation mit einer Fragestellung zur Schweiz befasst, mag nur auf den ersten Blick zu verwundern. Immer wieder monieren tourismuskritische Organisationen aus Ländern des Südens, dass die Dienstleistungsabkommen (GATS) zum Tourismus die Handlungsspielräume von Gemeinden gravierend beschneiden und die Regulierungsmöglichkeiten von Staaten aushöhlen. Allerdings fehlen Studien dazu. Denn entgegen ursprünglichen Vereinbarungen haben es Regierungen bisher unterlassen, die Auswirkungen einer WTO/GATS-Mitgliedschaft auf Umwelt und Gesellschaft zu evaluieren. Für die meisten Nichtregierungsorganisationen (NGOs) aber sind Untersuchungen im Bereich der komplexen GATS-Regelwerke oft aufgrund fehlender Daten gar nicht möglich.
Die Geografin Monika Jäggi hat nun im Auftrag der EvB und mit kundiger Hilfe verschiedener Fachstellen die Gesetzgebung im klar abgegrenzten Bereich von Natur- und Landschaftschutz sowie deren Implementierung im Tourismus analysiert und sorgfältig nachgezeichnet, wo die Liberalisierungen im Zuge der GATS-Freihandelsabkommen im Tourismus zu Konflikten führen. Das Fazit der Studie ist alarmierend: Eine nachhaltige Entwicklung des Tourismus ist in der Schweiz unter dem GATS-Abkommen nicht gewährleistet. Werden zum Beispiel einem Investor mit einem verlockenden Grossprojekt – wie derzeit in Andermatt – Umzonungen und Ausnahmen von Schutzbestimmungen gewährt, so müssen diese künftig gemäss dem WTO-Prinzip der Gleichbehandlung allen Investoren zugestanden werden. Zwar sichert das GATS-Abkommen in der Präambel allen Regierungen die Selbstbestimmung zu, indes mit der Einschränkung, dass eine inländische Vorschrift „nicht mehr als notwendig handelsbeschränkend sein“ darf. Will nun eine Gemeinde, eine kantonale oder nationale Behörde gezielt Naturschutzvorschriften erlassen oder besonders umweltfreundliche und soziale Unternehmen bevorzugen, entscheidet im Streitfall das WTO-Schiedsgericht, ob die Massnahme gerechtfertigt ist oder als „handelsbeschränkend“ eingestuft wird. Es sei denn, die Schweiz halte genau solche Ausnahmeregelungen bei Vertragsabschluss fest – was sie im laufenden Stand der Verhandlungen nicht tut. Damit sind ganz wichtige Voraussetzungen für einen wirksamen Schutz von Natur und Landschaft für eine nachhaltige Tourismusentwicklung nicht mehr gegeben.
Wollen wir das wirklich? Das muss öffentlich diskutiert werden. Auch wenn männiglich vor der Komplexität der Freihandelsabkommen der Welthandelsorganisation (WTO) zurückschreckt und die Verhandlungen gern den Experten überlässt. Die EvB hat bereits 2001 die Diskussion um die Liberalisierung der Dienstleistungen des sogenannten Service Public angestossen und gemeinsam mit verschiedenen Partnern im In- und Ausland in der Öffentlichkeit ein Bewusstsein geschaffen, dass Wasserversorgung, Gesundheit oder Bildung nicht der Privatisierung preisgegeben werden dürfen. Die Freihandelsverhandlungen verlagerten sich in der Folge auf andere, weniger exponierte Dienstleistungsbereiche – den Finanzsektor etwa, oder den Tourismus. Dieser gilt sowieso schon als weltweit weitgehend liberalisiert und kann gemäss Befürwortern nur von weiteren Marktöffnungen profitieren. Doch die Dienstleistungsverhandlungen, die auch nach der vorläufig gescheiterten Doha-Runde weiterlaufen, sind so weit fortgeschritten, dass es nicht mehr bloss um Marktöffnung und Gleichbehandlung von in- und ausländischen Investoren geht, sondern um staatliche Regulierungen, um Gesetze und Vorschriften zum Beispiel im Umwelt- und Sozialbereich, die als Handelsbeschränkungen definiert werden.
Die EvB hat das Verdienst, mit ihrer neuen Studie den Finger auf den wunden Punkt zu legen und auch Leuten, die nicht mit den GATS-Abkommen vertraut sind, am Beispiel von Umweltschutz und Tourismus verständlich zu machen, was bei den jetzigen Verhandlungen auf dem Spiel steht und eingefordert werden muss. Wichtig ist nun, dass Tourismusgemeinden, Behörden und NGOs, die sich für Naturschutz und nachhaltige Entwicklung – auch im Tourismus – engagieren, die Diskussion aufnehmen und die notwendigen Ausnahmen und Schutzklauseln in die GATS-Verträge einbringen, bevor diese unwiderruflich abgeschlossen werden. Dieser Prozess kann wiederum wertvolle Impulse für Organisationen und Behörden im Süden liefern, die sich – oft unter schwierigen undemokratischen Verhältnissen – für den Schutz der Natur und eine nachhaltige Tourismusentwicklung einsetzen.
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Zusammenfassung der Studie und Forderungen auf https://www.evb.ch/