Vor fünfzig Jahren erklärte der vierte König von Bhutan, Jigme Singye Wangchuck: "Das Bruttoinlandglück ist wichtiger als das Bruttonationalprodukt", für eine ganzheitlich nachhaltige Entwicklung müssten nichtwirtschaftliche Aspekte des Wohlbefindens stärker beachtet werden.

Indigenes Wissen

Bald schon hatte die Beratergruppe der Regierung einen ersten Index für die Messung des Bruttoinlandglücks entwickelt. Die neun Kennwerte waren: Psychologisches Wohlbefinden, Gesundheit, Bildung, Zeitverwendung, kulturelle Vielfalt und Resilienz, gute Regierungsführung, Vitalität der Gemeinschaft, Ökologische Vielfalt und Widerstandsfähigkeit, Lebensstandard. Der Index wurde 2011 erweitert und umfasst heute 36 Kennwerte in den Bereichen verantwortungsvolle Staatsführung, nachhaltige sozioökonomische Entwicklung, Erhaltung der Kultur und Umweltschutz.

Auch Ecuador und Bolivien nahmen Bezug auf indigenes Wissen und übernahmen daraus das Prinzip des "guten Lebens" in ihre Verfassung (Ecuador 2008, Bolivien 2009).

Das Weltsozialforum von 2009 in Belem (Brasilien) verabschiedete den Aufruf zum guten Leben mit dem wachstumskritischen Leitsatz: "Wir wollen nicht besser leben, wir wollen gut leben." 

Internationale Anerkennung

Die Pionierleistung dieser Länder beeinflusste die Diskussion um Nachhaltige Entwicklung dauerhaft. 2011 erklärte die UN Vollversammlung das Glück zu einem zentralen Bestandteil der Nachhaltigen Entwicklung und lud seine Mitglieder ein, das Glück ihrer Bevölkerung zu messen und diese Daten als Grundlage für ihre Politikstrategien zu nutzen. In der Folge begannen eine Mehrheit der Länder das subjektive Wohlbefinden ihrer Bevölkerung zu erheben, allerdings nutzen nur wenige diese Daten, um ihre Politik anzupassen.

Auch in der Schweiz ist die Lebenszufriedenheit der Bevölkerung einer unter 103 Indikatoren zur Messung der nachhaltigen Entwicklung – nach Angabe des Bundes werden aber nur rund 40 der Indikatoren auch für das Monitoring der neuen Strategie Nachhaltige Entwicklung 2030 des Bundesrates verwendet und es ist nicht angegeben, ob der Indikator Lebenszufriedenheit dazugehört.

2012 wurde der erste World Happiness Index der Vereinten Nationen publiziert, der seither jährlich am 20. März erscheint, dem internationalen Tag des Glücks der Vereinten Nationen, inzwischen mit Daten von über 160 Ländern. 

Subjektives Wohlbefinden – kein Nachhaltigkeitsindikator im Tourismus

Ein gesundes Leben und Wohlbefinden, auch das ist ein Ziel der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. Aber es fehlt an Untersuchungen, wie eine Tourismusentwicklung sich auf das gesunde Leben und das Wohlbefinden der Lokalbevölkerung auswirkt. Eine rare Ausnahme ist die sektorweite Folgeabschätzung der Tourismusentwicklung in Myanmar/Burma im Jahr 2015 durch das Myanmar Centre for Responsible Business in Zusammenarbeit mit dem Institute of Human Rights and Business und dem Danish Institute of Human Rights. In deren Zentrum standen Analysen und Forderungen von Gemeinschaften und zivilgesellschaftlichen Organisationen an die Regierung und die Tourismusindustrie, wie die Rechte lokaler und indigener Gemeinschaften im boomenden Tourismussektor geschützt werden können.

Aber in den Indikatoren der UN-Welttourismusorganisation, welche die Nachhaltigkeitswirkung des Tourismus für die Vereinten Nationen messen soll, finden sich keine Indikatoren zur Gesundheit und zum Wohlbefinden der Lokalbevölkerung. Genaugenommen geht es in diesen Indikatoren gar nicht um Menschen, sondern lediglich um Geldflüsse und Ressourcennutzung. Eine solche Nachhaltigkeitsmessung, so die UNWTO-Fachleute, sei am vernünftigsten und am machbarsten.

Daran darf gezweifelt werden. Denn anhand der Aufstellung der Kosten und Einnahmen, der Arbeitsplätze und des Ressourcenverbrauchs wird nicht ersichtlich, ob die Lokalbevölkerung eher an der Zunahme der touristischen ArbeitsmigrantInnen, der Verknappung des Wohn- und Lebensraums und den steigenden Lebenskosten leidet oder sich über neue Karrieremöglichkeiten, Infrastrukturen und den Kontakt mit Menschen aus anderen Kulturkreisen freut. Dafür bräuchte es schon Kennzahlen wie jene im bhutanesischen Index für das Bruttonationalglück.