Nachhaltiger Tourismus ist eine anspruchsvolle Zielsetzung
VCS-Magazin: Sie sind Touristikerin; können Sie in den Ferien überhaupt noch abschalten?
Monika Bandi Tanner: Ja, durchaus. Natürlich habe ich immer beide Brillen an. Spannend ist für mich zum Beispiel immer das Ausprobieren einer neuen touristischen App. Nebst dem Analyseblick lasse ich mich aber auch stets gerne überraschen und geniesse gern.
Und wie funktioniert nachhaltiger Tourismus?
Streng betrachtet gibt es den kaum. Gewisse Entwicklungen orientieren sich an der nachhaltigen Entwicklung, aber Tourismus setzt immer eine Ortsverschiebung voraus. Nachhaltigkeit beinhaltet eine ökologische, ökonomische und gesellschaftliche Dimension. Diese sind gerade im Zeitalter wirtschaftlicher Herausforderungen anspruchsvoll zu vereinbaren. Einerseits hängt beim Schweizer Tourismusverband eine unterzeichnete Nachhaltigkeits-Charta an der Wand. Andererseits ist man stolz auf die wachsenden Logiernächte aus dem asiatischen Raum und blendet die hohen dafür benötigten natürlichen Ressourcen aus.
Was braucht es denn?
Die drei Nachhaltigkeitsdimensionen sollten zusammen spielen, wobei mit einer starken ökonomischen Komponente Anreize gesetzt werden können: Es muss sich lohnen, nachhaltig zu arbeiten. Zum Beispiel gibt es den Trend zu häufigeren, aber kürzeren Reisen. Mit geschickten Angeboten wie attraktiven Packages können Anbieter durchaus versuchen, dem entgegenzuwirken und schliesslich von den längeren Aufenthalten der Gäste auch wirtschaftlich zu profitieren.
Was sind Erfolgsrezepte?
Aus meiner Sicht ist ein klares Bekenntnis der Führung zur nachhaltigen Entwicklung unabdingbar. Das kann auf der Ebene der Leistungsträger ein Hoteldirektor sein, der sich stark an der nachhaltigen Entwicklung orientiert und sich dementsprechend bei den Gästen auch so positioniert. Es kann aber auch die Destination und dort der Tourismusdirektor sein. Glaubwürdig macht das seit Jahren Scuol im Engadin, gerade bezogen auf die Mobilität: Den Gästen wird dort beispielsweise kostenlos ÖV über die Landesgrenze angeboten. Zudem gibt es eine Zusammenarbeit mit der Rhätischen Bahn für den Gepäcktransport: Von zu Hause aus können die Gäste Skis und Gepäck aufgeben und im Hotel oder der Ferienwohnung wieder beziehen.
Ist die Schweiz ein guter Ort für Nachhaltigkeit?
Generell bringt die Schweiz gute Voraussetzungen mit. Dies dank hoher Erlebnisdichte auf kleinem Raum und einem extrem guten, durchaus erschwinglichen ÖV. Schaut man aber genau hin, zeigt sich, dass nicht jede Region gleich viel Potenzial für eine Positionierung in diesem Bereich hat. Wenn eine Region wie das Unterengadin auch den Nationalpark beheimatet, ist dies ein grosser Vorteil, den man auch touristisch nutzen kann.
Haben gewisse Destinationen in der Schweiz zu lange geschlafen?
Einige haben die Chance dieser Nische gepackt. Destinationen, die bereits früher unter Druck geraten sind, haben sich auch früher den Entwicklungsfragen gestellt. Im 2016 abgeschlossenen Projekt «Nachhaltige Tourismusangebote» waren Regionen wie Scuol, Arosa oder die Biosphäre Entlebuch mit dabei. Ein schönes betriebliches Beispiel gibt es in der Biosphäre Entlebuch: Im Normalfall sind Moorlandschaften für Bergbahnbetreiber etwas Unliebsames. Sie sind schwierig zu bebauen, und es gibt viele Auflagen. Das Mooraculum Sörenberg hat diesen scheinbar grossen Nachteil in einen Vorteil verwandelt. Da die Zufahrtsstrasse neu gesperrt ist, sind die Gäste angehalten, die Bergbahn zu benutzen – das bringt Frequenzen. Ein Konsumationsgutschein im Angebotspaket spornt die Gäste zudem an, das Restaurant zu besuchen. Ein Erlebnispfad und Moorspielplatz sensibilisieren für das Thema Moorlandschaft und bieten eine zusätzliche Attraktion. Der Mut und die Innovationen der Bergbahnbetreiber wurden mit einem Award ausgezeichnet, welcher Leistungsträger zusätzlich für solche Bestrebungen motivieren soll.
Wo gibt es Konflikte?
Nehmen wir die Energiewende: Im Lötschental hat man sich dazu entschieden, auf Wasserkraft zu setzen. Das führt punktuell zu grossen Eingriffen in die Landschaft, wenn jeder der kleinen, wunderbaren Bergbäche mit einem Kleinkraftwerk ausgestattet wird. Da ist die Idee eigentlich gut und sinnvoll, die Umsetzung aber problematisch, da das Landschaftsbild dadurch beeinträchtigt wird. Ganz wird man solche Zielkonflikte nie lösen können. Dazu gehört auch die Beschneiung: Die mag kurzfristig sinnvoll sein, hat aber Auswirkungen auf Flora und Fauna. Und dennoch haben wir einen starken Anstieg der beschneiten Flächen. Damit sind wir beim Klimawandel: Dieser lässt sich nicht wegdiskutieren. Der letzte Winter hat leider den Bergbahnen und Tourismusdestinationen gezeigt, dass der Klimawandel zur Herausforderung wird. An Weihnachten lag nirgends Schnee.
Wie reagiert man darauf?
Vermutlich sollte man den Blick über Ski und Snowboard hinaus öffnen – das hört natürlich kein Bergbahnbetreiber gern. Aber im letzten Winter ging es nicht anders. Im Oberengadin wurde dann spontan Eislaufen auf Schwarzeis zur Attraktion. Pragmatisch und auch etwas improvisiert reagierte die Destination auf den fehlenden Schnee. Vielerorts werden aber solche Massnahmen noch kaum umgesetzt, obwohl bereits 2007 in einer Klimastudie die schneeunabhängigen Angebote diskutiert wurden.
Wieso ist man so fokussiert auf den Winter?
Skifahren bringt pro Gast viel Wertschöpfung in die Region. Eine Tageskarte kostet zwischen 60 und 80 Franken. Fährt jemand im Sommer zum Wandern auf den Berg, bringt das vielleicht 20 Franken.
Aber Skitourismus ist doch enorm teuer?
Ja, und da geht die Schere auf: Mit dem Klimawandel und der Beschneiung steigen die Erstellungskosten. Gleichzeitig gehen die Erträge zurück, weil nur ein kleiner Teil der Gäste bereit ist, 130 Franken für einen Tag Skifahren zu bezahlen. Die Investitionskosten sind enorm hoch – man spricht von einer Million Franken für die Beschneiung pro Pistenkilometer. Paradoxerweise investieren die Bergbahnbetreiber, obwohl die Eintritte bei Bergbahnen von Jahr zu Jahr sinken. Dazu kommt, dass es mit den günstigen Flügen auch im Winter attraktiv und teilweise günstiger ist, eine Woche irgendwohin zu fliegen, statt Skiferien zu machen.
Gehen also im Schweizer Tourismus die Lichter aus?
Nein, nicht zwingend. Wo das Potenzial hoch ist, gibt es Chancen, nachhaltig zu wirtschaften. Gewisse Destinationen orientieren sich eher am Massengeschäft. Andere suchen ihre Chance in der Nische. Wichtig ist, die Entwicklungsrichtung gemeinsam zu definieren. Dabei kann auch die Qualität eine bedeutende Rolle spielen, um den Gästen einen klaren Mehrwert zu bieten.
Dieser Beitrag erschien im VCS-MAGAZIN 5/November 2017. Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung.
Wo gibt es Konflikte?
Nehmen wir die Energiewende: Im Lötschental hat man sich dazu entschieden, auf Wasserkraft zu setzen. Das führt punktuell zu grossen Eingriffen in die Landschaft, wenn jeder der kleinen, wunderbaren Bergbäche mit einem Kleinkraftwerk ausgestattet wird. Da ist die Idee eigentlich gut und sinnvoll, die Umsetzung aber problematisch, da das Landschaftsbild dadurch beeinträchtigt wird. Ganz wird man solche Zielkonflikte nie lösen können. Dazu gehört auch die Beschneiung: Die mag kurzfristig sinnvoll sein, hat aber Auswirkungen auf Flora und Fauna. Und dennoch haben wir einen starken Anstieg der beschneiten Flächen. Damit sind wir beim Klimawandel: Dieser lässt sich nicht wegdiskutieren. Der letzte Winter hat leider den Bergbahnen und Tourismusdestinationen gezeigt, dass der Klimawandel zur Herausforderung wird. An Weihnachten lag nirgends Schnee.
Wie reagiert man darauf?
Vermutlich sollte man den Blick über Ski und Snowboard hinaus öffnen – das hört natürlich kein Bergbahnbetreiber gern. Aber im letzten Winter ging es nicht anders. Im Oberengadin wurde dann spontan Eislaufen auf Schwarzeis zur Attraktion. Pragmatisch und auch etwas improvisiert reagierte die Destination auf den fehlenden Schnee. Vielerorts werden aber solche Massnahmen noch kaum umgesetzt, obwohl bereits 2007 in einer Klimastudie die schneeunabhängigen Angebote diskutiert wurden.
Wieso ist man so fokussiert auf den Winter?
Skifahren bringt pro Gast viel Wertschöpfung in die Region. Eine Tageskarte kostet zwischen 60 und 80 Franken. Fährt jemand im Sommer zum Wandern auf den Berg, bringt das vielleicht 20 Franken.
Aber Skitourismus ist doch enorm teuer?
Ja, und da geht die Schere auf: Mit dem Klimawandel und der Beschneiung steigen die Erstellungskosten. Gleichzeitig gehen die Erträge zurück, weil nur ein kleiner Teil der Gäste bereit ist, 130 Franken für einen Tag Skifahren zu bezahlen. Die Investitionskosten sind enorm hoch – man spricht von einer Million Franken für die Beschneiung pro Pistenkilometer. Paradoxerweise investieren die Bergbahnbetreiber, obwohl die Eintritte bei Bergbahnen von Jahr zu Jahr sinken. Dazu kommt, dass es mit den günstigen Flügen auch im Winter attraktiv und teilweise günstiger ist, eine Woche irgendwohin zu fliegen, statt Skiferien zu machen.
Gehen also im Schweizer Tourismus die Lichter aus?
Nein, nicht zwingend. Wo das Potenzial hoch ist, gibt es Chancen, nachhaltig zu wirtschaften. Gewisse Destinationen orientieren sich eher am Massengeschäft. Andere suchen ihre Chance in der Nische. Wichtig ist, die Entwicklungsrichtung gemeinsam zu definieren. Dabei kann auch die Qualität eine bedeutende Rolle spielen, um den Gästen einen klaren Mehrwert zu bieten.
Dieser Beitrag erschien im VCS-MAGAZIN 5/November 2017. Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung.