Nachhaltigkeit im Tourismus – wer punktet in der Schweizer Reisebranche?
Basel, 02.11.2011/ Bei Kuoni erfährt die Kundschaft am ehesten, was Nachhaltigkeit im Tourismus bedeutet, was das Unternehmen dafür tut und was man als Reisende selbst beitragen kann. Das geht aus der neuen Studie des Forschungsinstitutes für Freizeit und Tourismus (FIF) hervor, die erstmals unter die Lupe nimmt, wie Reiseveranstalter über Nachhaltigkeit kommunizieren und wie umfassend sie ihr Engagement im Sinne der Corporate Social Responsibility (CSR) verstehen.* Dabei erreicht Kuoni Group als einziger von acht geprüften Reiseveranstaltern ein knapp "sehr gut" für seine Kommunikation über Nachhaltigkeit. Platz zwei nimmt der kleine Veranstalter Reise Service Imagine Bern ein, der sich mit einem knappen "gut" für sein Informationsangebot noch vor die Grossveranstalter Hotelplan Suisse und TUI Suisse schiebt. Globetrotter Travel Service, Knecht Reisen, Coop-ITS-Travel und STA Travel werden auf die hinteren Ränge verwiesen.
Heute interessieren sich immer mehr Reisende für Nachhaltigkeit im Tourismus, wie die Marktforschung zeigt. Ausgangsfrage der FIF-Studie war deshalb, was Reiselustige vor der Buchung auf den Websites sowie in den Katalogen und Broschüren der Anbieter zu diesem Thema finden. Dazu wurden die Kommunikationsmittel von insgesamt 8 Reiseunternehmen mit 13 vertretenen Marken analysiert. Ausgewählt wurden 7 der führenden Anbieter auf dem Schweizer Markt sowie ein kleiner Touroperator als Referenzbetrieb für spezialisierte Nischenveranstalter. Die Untersuchung fokussierte auf die Angebote in den Destinationen Thailand, Dominikanische Republik und Südafrika. Alle geprüften Unternehmen konnten auf die ersten Ergebnisse aus Analysen und Mistery Checks des FIF-Forschungsteams Stellung nehmen und die Resultate ergänzen.
Die FIF-Studie bringt überraschend Erfreuliches zu Tage, weist aber auch auf ein klares Vebesserungspotenzial hin: Alle untersuchten Veranstalter haben sich die Nachhaltigkeit auf ihre Fahnen geschrieben und Bemühungen dazu eingeleitet. Insgesamt erfahren aber die Reisenden von den Veranstaltern noch wenig darüber, was konkret getan wird oder was sie selbst tun könnten. Dabei bieten die Grossen der Branche sowie der kleine Nischenveranstalter ihrer Kundschaft deutlich mehr an Informationen als die mittelständischen Touroperators, die sich mit ihrem Nachhaltigkeitsengagement schwerer zu tun scheinen. Die Websites der Veranstalter sind weit informativer als die Reisekataloge. Doch selbst wenn die KonsumentInnen im Web nach Tipps zur Nachhaltigkeit Ausschau halten, müssen sie schon sehr interessiert sein, um einschlägige Infos zu finden. Wenn der Kunde aufgibt, ist die Chance vertan, über das unternehmerische Engagement zu berichten und die Reisenden für respektvolles Verhalten zu gewinnen.
Wichtige Anliegen wie der Schutz der Kinder vor sexueller Ausbeutung im Tourismus werden heute thematisiert und einzelne Massnahmen dazu von den Veranstaltern auch ausführlich dargestellt. Auch der Klimaschutz kommt aufs Tapet, zumindest in Form von Angeboten zur Kompensation von Flügen. Unterbeleuchtet oder ganz ausgeblendet bleiben dagegen andere brennende Themen, etwa Artenschutz und Erhalt der Biodiversität, faire Arbeitsbedingungen oder der Schutz vor Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, Rasse, Religion oder Zugehörigkeit zu (indigenen) Minderheiten. Auffällig ist, dass auch bei den bestplatzierten Reiseveranstaltern der Studie solch wichtige Aspekte der Unternehmensverantwortung in der Kundeninformation zu kurz kommen.
Erstaunlich gross fallen die Unterschiede der Informationsqualität zwischen einzelnen Produktemarken desselben Konzerns aus, etwa Helvetic Tours im Rahmen von Kuoni oder Vögele im Rahmen von TUI Suisse. Das untergräbt in der Öffentlichkeit das Bekenntnis des gesamten Unternehmens zur Nachhaltigkeit.
Die Studie des FIF leistet gleich in doppelter Hinsicht einen wertvollen Beitrag zur Nachhaltigkeit im Tourismus: Sie gibt KonsumentInnen in der Schweiz erstmals darüber Aufschluss, bei welchem Veranstalter sie welche Tipps und Infos für nachhaltigere, verträglichere Ferien erhalten. Gleichzeitig bietet sie den Veranstaltern einen übersichtlichen Anforderungskatalog der wichtigsten CSR-Vorgaben, anhand dessen sie ihr Angebot und ihre gesamte Unternehmensverantwortung überprüfen und verbessern können.
Hansruedi Müller, Philipp Berger, Silvy Wismer: Transparenzanalyse zur Unternehmensverantwortung ausgewählter Schweizer Reiseveranstalter
Forschungsinstitut für Freizeit und Tourismus (FIF) der Universität Bern, 2011
*Nicht untersucht wurde, wie die Reiseveranstalter ihre Nachhaltigkeitsbemühungen auch effektiv umsetzen, was den Rahmen der vorliegenden Studie gesprengt hätte. Dazu sind weitere Untersuchungen willkommen!