Der Schweizer Bundespräsident Johann Schneider-Ammann trat am diesjährigen "UN Forum on Business and Human Rights" in Genf als Keynote-Speaker auf. Seine Rede begann unter dem Eindruck des Brexit und der Wahl von Donald Trump mit einer Verteidigung des freien Handels. Angesichts der Tatsache, dass Schneider-Ammann dieses Jahr zwar Bundespräsident, vor allem aber Schweizer Wirtschaftsminister ist, war das nicht weiter überraschend. Allerdings ging er so weit, den Freihandel als Voraussetzung für die Verwirklichung der Menschenrechte zu bezeichnen. Und als einziges Rezept, das Millionen aus der Armut gehoben habe. Dies ignoriert nicht nur die weit geteilte Analyse, dass es Verliererinnen und Verlierer der Globalisierung waren, die für einen Austritt aus der EU und für Trump gestimmt haben, sondern auch die Menschen, die in den Weltmarktfabriken unter gravierender Missachtung elementarer Menschen- und Arbeitsrechte schuften.

Nationaler Aktionsplan Menschenrechte: "keinerlei neue gesetzlich verbindliche Vorgaben" 

Die Aussagen von Bundespräsident Schneider-Ammann fallen damit diametral anders aus als die Analyse von Prof. John Ruggie, Autor der allseits als globale Referenz anerkannten UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte. In seiner Eröffnungsrede am Tag zuvor betonte Ruggie, dass gerade angesichts der durch die Globalisierung ausgelösten Verunsicherung und Ereignissen wie dem Brexit und den US-Wahlen, Konzerne mehr denn je die Respektierung der Menschenrechte ins Zentrum stellen müssten, um Armut zu reduzieren und Vertrauen zurückzugewinnen. Und er unterstrich, dass das Versprechen der Unternehmen, sich an ethischen Prinzipien zu orientieren, heute zu oft nicht standhalte. Genau deswegen seien 2011 die UNO-Leitprinzipien entstanden und forderten heute Bewegungen wie in Frankreich, der Schweiz und international verbindliche Regeln für Konzerne.
Als Höhepunkt seiner Rede sprach der Wirtschaftsminister den in der Schweiz seit 2014 überfälligen Nationalen Aktionsplan (NAP) zur Umsetzung der UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte an. Obwohl die UNO-Leitprinzipien als zentrales Element den Perspektivenwechsel von den Risiken für Unternehmen hin zu jenen für die Menschenrechte betonen, klang selbst die Einordnung des NAP in den Worten von Bundespräsident Schneider-Ammann wie ein Plan für die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Unternehmen. Er betonte denn auch, dass der Nationale Aktionsplan fünfzig Massnahmen enthalten werde, aber "keinerlei neue gesetzlich verbindliche Vorgaben".
Was für ein Unterschied zu Githu Muigai, dem Attorney General von Kenya, der nach Schneider-Ammann sprach: "Das freiwillige Handeln von Unternehmen ist willkommen und nötig, doch es reicht nicht, es braucht strenge Massnahmen und Gesetze." Falls es noch Zweifel gab, dass es in der Schweiz eine Volksinitiative braucht, um das Thema Wirtschaft und Menschenrechte voranzubringen, so hat der Auftritt unseres Wirtschaftsministers diese definitiv beseitigt.