Bei ihrem Kongress am 26. September 2008 im tschechischen Liberec präsentiert die Naturfreunde Internationale (NFI), die Dachorganisation der Naturfreundebewegung, ihre neue Klimacharta. Fazit: Europas Politik, Wirtschaft und KonsumentInnen müssen umdenken und den Klimaschutz ernst nehmen.

Mit der Klimacharta fordern die Naturfreunde Internationale eine ambitionierte Klimapolitik von der Europäischen Union und ihrer Mitgliedsstaaten, welche dem derzeitigen wissenschaftlichen Kenntnisstand entspricht und auf der anzustrebenden Einhaltung der 2-Grad-plus-Grenze basiert.

 
Politik & Wirtschaft: Viel geredet, zuwenig umgesetzt
„Die EU muss in laufenden Verhandlungen für ein internationales Post-Kyoto-Abkommen aufgrund ihrer historischen Verantwortung und ihrer wirtschaftlichen Stärke eine Vorreiterrolle einnehmen“, erklärte NFI-Präsident Herbert Brückner. Bisher sei zwar viel geredet, aber zuwenig umgesetzt und –gedacht worden. Ein sektorenübergreifendes Klimaprogramm für die Bereiche Energie, Verkehr, Bauen sowie Land- und Forstwirtschaft sei dringend nötig, um eine tatsächliche Reduktion der Treibhausgasemissionen und die Anpassung an bereits jetzt unvermeidlichen Folgen des Klimawandels als Gesellschaft überhaupt noch zu schaffen.

Klimawandel in sozialer Hinsicht „zutiefst ungerechtes Phänomen“
Die Naturfreundebewegung, die seit  mehr als 100 Jahren soziale mit umweltpolitischen Fragen verknüpft, sieht den globalen Klimawandel als zutiefst ungerechtes Phänomen: „1/5 der Erdbevölkerung nutzen 4/5 der fossilen Energieträger Kohle, Öl und Gas. Wir in Europa, Nordamerika und in den industriellen Ballungszentren der Welt sind Hauptverursacher des Klimawandels, aber die Menschen in vielen Ländern des Südens, vor allem ländlichen Regionen, sind – unverschuldet! – ungleich stärker von dessen Folgen betroffen. Extreme Wetterereignisse wie Hitzewellen, Dürre, Wirbelstürme, Überschwemmungen nehmen zu. Bereits jetzt kämpfen viele Menschen in Ländern des Südens – wie z.B. Bangladesh – mit weit härteren Klimafolgen als wir in den nördlichen Industriestaaten, welche großteils für die erhöhten Treibhausgas-Konzentrationen verantwortlich sind und wirtschaftlich lange vom Raubbau an Natur und Umwelt profitiert haben. Wir haben daher gegenüber den Ländern des Südens eine historische Verantwortung“, stellt NFI-Generalsekretär Christian Baumgartner fest. Die Industriestaaten müssten alles tun, um den Klimawandel so gering wie möglich zu halten, die Länder des Südens aber auch bei der Bewältigung der Folgen des Klimawandels politisch und finanziell unterstützen.

Bedingungsloses Wirtschaftswachstum nicht mit Klima- und Umweltschutz vereinbar
Um ein deutliches Zeichen für einen politisch-kulturellen Wandel zu setzen, verabschieden die Naturfreunde ein umfassendes Programm als Antwort auf die Herausforderungen des Klimawandels. „Das neoliberale Grundprinzip vom bedingungslosen Wirtschaftswachstum ist mit den dringend notwendigen Klima- und Umweltschutzmaßnahmen nicht vereinbar“, betonte Baumgartner. Dies müssten Politik, Wirtschaft und Gesellschaft endlich verstehen.

Selbstverpflichtungen der Naturfreunde
„Als Naturfreunde Internationale definieren wir mit der Klimacharta auch ehrgeizige Vorgaben für uns selbst. Wir als einer der großen europäischen Verbände für Nachhaltige Entwicklung müssen zeigen, dass wir selbst zur notwendigen Änderung von vertrauten Gewohnheiten und Strukturen bereit sind“, so NFI-Generalsekretär Baumgartner.

Maßnahmen zum Klimaschutz und zur Klimafolgenanpassung werden für allgemeine Vereinsaktivitäten, Naturfreundehäuser, Reisen und Mobilität, politische Arbeit sowie für den alltäglichen Bürobetrieb definiert und sollen bis zum Jahr 2012 umgesetzt werden. Dazu gehören Niedrigenergiebau bei neuen Naturfreunde-Häusern, thermische Sanierung, der Einsatz von erneuerbaren Energiequellen und die Bevorzugung regionaler Zulieferer. Naturfreunde-Gruppenreisen sollen mit klimaschonenden Transportmitteln wie Bahn und Bus erfolgen. Für Reiseziele unter 800 km Entfernung sollen keine Flüge angeboten werden, für Reiseziele über dieser Entfernung soll die Länge des Aufenthaltes in einem angemessenen Verhältnis zum Flug stehen. Alle von Naturfreunden angebotenen oder organisierten Flugreisen sollen mit einer entsprechenden Klimaschutz-Spende bei der Initiative atmosfair oder anderen seriösen Offset-Anbietern verbunden sein.

„Klimaschutz zu leben stellt auch für Naturfreunde eine Herausforderung dar, welcher wir uns mit all unserer Kraft und unseren historischen Idealen stellen. Um den globalen Gefahren des Klimawandels zu begegnen, braucht es eine völkerübergreifende, solidarische Antwort“, so Christian Baumgartner abschließend.
Weitere Informationen: Dr. Christian Baumgartner, christian.baumgartner@nfi.at; www.nfi.at