Neue Energien freisetzen: Für eine ökologische und gerechte Welt
Basel, 23.03.2011, akte/ Letztes Jahr hat die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko gezeigt, wie gefährlich die gierige Suche nach Öl in immer tieferen Schichten des Meeresbodens sein kann. Jetzt bringt die atomare Katastrophe in Japan schlagartig ins Bewusstsein, dass das Risiko eines GAUs keinem Volk zugemutet werden kann. Die Erde scheint sich gegen uns zu wenden: Verheerungen drohen vom Klima, vom Wasser und der Erdkruste. Bei vielen Politikern, die bislang auf den Courant Normal setzten, breitet sich Ratlosigkeit aus: Wenn nicht Öl und Atom, was dann?
Hier bietet das Buch des Vorsitzenden der Schumacher Society, Herbert Girardet, und des Forschungskoordinators des Weltzukunftsrats, Miguel Mendonça, eine gute Orientierungshilfe. Ausgehend von der Geschichte der Industrialisierung und ihrer Folgen zeigen sie Wege aus der Abhängigkeit von den fossilen Energien. Ihre zwei Leitgedanken für das Buch sind: "Die Logik ist so zwingend, dass sie nicht ignoriert werden kann" und "Aus der Notwendigkeit ergibt sich eine Chance".
Diese Leitgedanken verleihen dem Buch den nötigen Schwung, ohne dass die Autoren dabei der Gefahr der Schönfärberei erliegen. Sie scheuen kritische Aussagen nicht, sondern zeigen auf, wo die politischen Verflechtungen der Atom-, Öl- und sonstigen Wirtschaftslobbys wichtige politische Weichenstellungen erschweren. Aber sie veranschaulichen auch, wo die Triebfedern für einen Wandel bei Unternehmern, WissenschaftlerInnen, NGOs und Behörden zu finden sind. Ein ganzes Kapitel widmen die Autoren den "Problematischen Energien", zu denen namentlich die Agrotreibstoffe und die Atomindustrie gezählt werden, ein weiteres der "Energiegerechtigkeit". Der Diskussionsstand zu den entscheidenden Themen der "Green Economy" wird auf ansprechende, leserfreundliche Weise vermittelt.
Die Autoren plädieren dafür, nicht nur aus der Not heraus zu agieren. Die Katastrophe, welche die heutige Generation für Mensch und Millionen anderer Arten angerichtet habe, sei nicht der normale Lauf der Dinge, sondern ein gigantisches fehlgeschlagenes Experiment auf der Grundlage der reichlich vorhandenen, billigen fossilen Brennstoffe – eine Episode der Menschheitsgeschichte, auf die spätere Generationen mit gemischten Gefühlen zurückschauen werden. Um sich die Wende heute schon vorstellen zu können, plädieren die Autoren, nicht nur auf Ethik und "das Lauffeuer des gesunden Menschenverstands" zu vertrauen, sondern auch auf die menschliche Natur, zu der auch die Zusammenarbeit und das Bedürfnis gehören, der Gesellschaft nützlich zu sein. Ansätze sehen sie in der Infragestellung der Begriffe Wachstum und Fortschritt und der Suche nach dem, was uns wirklich glücklich macht. Und schliesslich fordern sie ihre LeserInnen auf, angesichts grossartiger, nie erwarteter Durchbrüche den bewussten Entscheid zur Hoffnung zu fällen.
"Wir sind der Meinung, dass wir auch dann unsere Energiesysteme verändern, an der Wiedergesundung unserer Ökosysteme arbeiten, lebenswerte Städte, lebendige Gemeinden und kraftvolle Gemeinschaften schaffen, weniger Ressouren verbrauchen, den Reichtum gerechter verteilen, den internationalen Frieden stärken und unseren Kindern und Enkeln eine intakte Welt hinterlassen müssen, wenn es den Klimawandel gar nicht gäbe."
Das Buch ist eine empfehlenswerte Lektüre für alle, denen dieser Wandel ein Anliegen ist, besonders auch für alle, die sich auf die Konferenz Rio+20 vom Juni 2012 vorbereiten.
Miguel Mendonça, Herbert Girardet: Neue Energien freisetzen. Für eine ökologische und gerechte Welt. Rotpunktverlag Zürich 2010; 332 Seiten, CHF 39.00; 26.00 Euro, ISBN-13: 978-3858694300; Buch.ch: ID21405940.html