Am 29. August 2000 hat die Umweltorganisation WWF Grossbritannien eine unabhängige Studie präsentiert, die der Mehrzahl der Zertifizierungsprogramme für umwelt- und sozial-verantwortlichen Tourismus ein schlechtes Zeugnis ausstellt. Im Mittelpunkt der Untersuchung steht das Zertifizierungssystem „Green Globe 21“, das 1994 auf Initiative des „World Travel & Tourism Council (WTTC) – dem Verband der SpitzenmanagerInnen im Tourismus – gegründet wurde und inzwischen eine Reihe von Veränderungen durchlaufen hat. „Green Globe 21“ ist international das am breitesten anerkannte Zertifizierungssystem im Tourismus. Mit Hilfe des „Green Globe“-Labels sollen die TouristInnen Ferien auswählen können, die für die lokalen Gemeinschaften und die natürliche Umwelt im Reisezielgebiet garantiert positive Folgen haben. Diesem Anspruch wird das System laut Studie aber nicht gerecht. Jedes Unternehmen könne mit dem „Green Globe 21“ ausgezeichnet werden, sobald es eine „grüne“ Geschäftspolitik formuliert und ein Umweltmanagementsystem eingeführt habe. Nicht verlangt werde hingegen, dass die Firma tatsächlich umweltschonender wirtschaftet bzw. bestimmte Leistungsvorgaben erfüllt. „Das Programm ist irreführend und unglaubwürdig“, erklärt Justin Woolford, zuständig für die Tourismuspolitik bei WWF Grossbritannien. „Die durch Green Globe 21 zertifizierten Unternehmen erscheinen den KonsumentInnen als die Besseren, sind aber unter Umständen viel schlimmer als nicht zertifizierte Unternehmen.“ Tatsache ist auch, dass sich viele Klein- und Mittelunternehmen – sie stellen die Mehrheit im Tourismus dar – finanziell nicht leisten können, ein Umweltmanagementsystem einzuführen und aufrechtzuerhalten. Ebenfalls kritisiert wird, dass sich die verschiedenen Logos von „Green Globe 21“ derart ähnelten, dass für KonsumentInnen kaum ersichtlich sei, ob ein Unternehmen tatsächlich eine Zertifizierung erreicht habe oder bloss die Absicht kundgetan hat, sich am Zertifizierungsprogramm zu beteiligen.
Für die KonsumentInnen wird es immer schwieriger, sich in der Fülle der weltweit über hundert verschiedenen Zertifizierungssysteme zurechtzufinden und die Glaubwürdigkeit der einzelnen Logos und Labels einzuschätzen. Dies habe dazugeführt, dass die Nachfrage nach zertifizierten Ferien klein geblieben ist, sind die Autoren der britischen Studie überzeugt. Dies obwohl – wie verschiedene neuere Untersuchungen belegen – die TouristInnen zunehmend bereit wären, für nachhaltigere Ferien mehr zu bezahlen. Auch auf der Angebotsseite ist das Interesse klein geblieben; weniger als ein Prozent der Tourismusunternehmen haben sich Zertifizierungsprogrammen angeschlossen. Der Labelsalat, das unzureichende Marketing und nicht zuletzt die mangelnde Glaubwürdigkeit von „Green Globe 21“ gefährdeten das Potential, das Zertifizierungssysteme für die Verwirklichung von Nachhaltigkeit im Tourismus haben könnten. Aus diesem Grund trat WWF Grossbritannien mit vier Forderungen an die Öffentlichkeit: Um die Glaubwürdigkeit und Vergleichbarkeit der Zertifizierungssysteme zu erhöhen, solle eine gemeinsame Dachorganisation geschaffen werden, welche für die Akkreditierung zuständig wäre und die Schaffung von universellen Standards beaufsichtigen würde. Die Kriterien müssten zudem über ökologisches Wirtschaften hinausgehen und auch soziale und wirtschaftliche Aspekte der Nachhaltigkeit umfassen. Labels und Logos dürften nur noch dann verwendet werden , wenn die Unternehmen bestimmte Leistungskriterien erfüllten. Schliesslich appelliert die Umweltorganisation an „Green Globe“, mit der versprochenen Konsultation der Betroffenen endlich ernst zu machen. Es gehe nicht an, dass nach aussen der Anschein erweckt werde, die Welttourismusorganisation und der WWF seien involviert, ohne das im „Green Globe“-Programm vorgesehene internationale Beratungsgremium je einberufen zu haben. /frei

Quelle: „Tourism Certification: An analysis of Green Globe 21 and other certification programmes“, Studie von Synergy consultancy, 2000; Pressemitteilung von WWF Grossbritannien, 29.8.2000.; eigene Recherchen.