Neues Raumordnungsgesetz in Mallorca: Ferienklassiker im Würgegriff der eigenen Beliebtheit
„300’000 deutsche Feriengäste mehr im laufenden Jahr machen alle politischen Bemühungen zum Schutz unserer Lebensgrundlagen auf der Insel zunichte.“ Mit dieser Pressemitteilung zum Auftakt der Internationalen Tourismusbörse Berlin (ITB) reagiert die Umweltorganisation „Grup Balear d’Ornitologia i Defensa de la Naturalesa“ (GOB) auf die Prognosen der deutschen Veranstalter, Mallorca würde dieses Jahr nochmals um 10 Prozent zulegen. Die Balearen liegen in der Gunst der UrlauberInnen; auch die Schweizer Veranstalter rechnen mit einem Zuwachs zwischen 5 und 10 Prozent für das laufende Jahr. Bereits 1998 sahen sich die rund 650’000 EinwohnerInnen von Mallorca mit einem Strom von 17 Millionen BesucherInnen – Feriengäste und BesitzerInnen von Zweitwohnungen – konfrontiert, gut 37 Prozent davon Deutsche. Der prognostizierte Zuwachs allein der deutschen Feriengäste für
1999 bedeute, so GOB in ihrer Mitteilung zur ITB, eine Steigerung des aktuellen Wasserverbrauchs um 1’200’000 m3, der Elektrizität um 2 Prozent, des Mülls um 5’350’000 kg sowie Stau auf den Strassen, an den Stränden, aber etwa auch in den bereits überlasteten Kehrichtverbrennungsanlagen. Und wo bitte sollen die neuen Gäste untergebracht werden, wo doch neue Gesetze einen Baustopp auf den Balearen vorsehen? Oder aber wozu dienen denn die neuen Gesetze? Bereits in Kraft getreten sind neue Gesetzesvorschriften, die den Bettenausbau limitieren und private BesitzerInnen touristischer Infrastrukturen verpflichten, Bauten zu modernisieren oder abzureissen. Neu soll nun zusätzlich das in der Vorsaison heiss umstrittene und am 30. März 1999 vom „Parlament Balear“ verabschiedete Raumordnungsgesetz dem Tourismus- und Bauboom auf der Insel für die nächsten 10 Jahre verbindliche Leitplanken verpassen. Das Gesetz bot ursprünglich reelle Chancen dafür, die Vorlage wurde jedoch im Verlauf der letzten Monate laufend nach unten korrigiert, kritisiert GOB in ihrer Stellungnahme für den akte. Wie auch der deutschen Touristikpresse zu entnehmen war, übten Bauunternehmer, Hoteliers und in ihrem Rücken die grossen Reiseveranstalter, die um ihre Bettenkontingente fürchten, erheblichen Druck auf den politischen Prozess aus. Jedenfalls standen zur Abstimmung die gesamte Linke sowie rechtsnationale Kreise auf Oppositionskurs gegen das Raumordnungsgesetz, das jedoch von der Mehrheit des „Partit Popular“ durchgebracht wurde. Hauptkritikpunkte der Umweltschutzorganisation GOB – die zwar eine ausserparlamentarische, aber als Gewinnerin verschiedener internationaler Auszeichnungen, unter anderem der TUI-Umweltabteilung, eine ernst zu nehmende politische Kraft darstellt sind mangelnde Rückzonung von Bauflächen in bereits erschlossenen Gebieten, ungenügender Schutz des ländlichen Raumes, wo heute Fincas ausgebaut und Golfplätze erstellt werden,
sowie Lücken und Unverbindlichkeiten in der Zielsetzung, die einem weiteren Ausbau des Tourismus Tür und Tor öffnen. Als Antwort auf die Verwässerung der gesetzlichen Massnahmen hat GOB am 17. März 1999 eine Gesetzesinitiative mit 14’000 Unterschriften beim Parlament deponiert, die ein Moratorium des touristischen Ausbaus vorsieht mit einer effektiven Rückzonung der bebaubaren Flächen, einem Baustopp im ländlichen Raum, insbesondere auch für Golfplätze, aber auch für Strassen, einer weiteren Flugpiste, Yachthäfen, neuen Kehrichtverbrennungs- oder Entsalzungsanlagen zur Süsswassergewinnung. Zudem müssten Naturschutzgebiete wirksam geschützt und die Schutzzonen im Strandbereich auf 1000 Meter ausgedehnt werden. Nach den lokalen und regionalen Wahlen vom kommenden 13. Juni wird sich zeigen, ob der Schutz der Grundlagen des Tourismus und der verbliebenen reizvollen Landschaften auf Mallorca besser durchsetzbar ist./cp
Quellen: Pressemeldungen von GOB auf http://gob.balears.net; GOB-Informe: Mallorca: situació Turística i Urbanística, septembre, 1998; Basler Zeitung 9.4.99, 8.4.99, 8.1.99, 1.12.98; Travel Inside Special Spanien 12/99, 3/99; Touristik R.E.P.O.R.T. 5/99; Fremdenverkehrswirtschaft 21/98, 18/98;
eigene Recherchen