Die Transparenz über Auswirkungen der Geschäftstätigkeit und entsprechend ergriffenen Massnahmen von Unternehmen in nichtfinanziellen Bereichen, wie Menschenrechte oder Umwelt, gewinnt zunehmend an Bedeutung. Dabei ist einerseits eine wachsende Zahl an Unternehmen zu beobachten, welche auf freiwilliger Basis die betreffenden Informationen – z.B. in ihrem Jahresbericht – offenlegen. Andererseits lässt sich auch eine Entwicklung hin zur staatlichen Regulierung feststellen: So haben zahlreiche Staaten (z.B. Frankreich, Dänemark, USA) sowie die EU nichtfinanzielle Berichterstattungspflichten gesetzlich verankert bzw. ein entsprechendes Regulierungsverfahren in die Wege geleitet.

EU-Richtlinie zur nichtfinanziellen Berichterstattung

Die Europäische Kommission hat in ihrer Strategie zur sozialen Verantwortung der Unternehmen von 2011-2014 die Wichtigkeit der Transparenz über die Geschäftstätigkeiten betont*. Der in der Folge präsentierte Vorschlag einer Richtlinie zur Einführung einer nichtfinanziellen Berichterstattungspflicht vom April 2013 wurde nun diesen April vom Europäischen Parlament in leicht abgeschwächter Form angenommen. Der erforderliche Entscheid des Europäischen Rates war bei Redaktionsschluss noch ausstehend.
Gemäss der vom Parlament verabschiedeten Richtlinie haben grosse Unternehmen von öffentlichem Interesse mit mehr als 500 Mitarbeitenden jährlich über Themengebiete nichtfinanzieller Art wie Menschenrechte, Umwelt und Korruptionsbekämpfung zu berichten. Welche Unternehmen schliesslich zum Kreis der Verpflichteten gehören, wird durch die einzelnen Mitgliedstaaten zu definieren sein. Die Europäische Kommission geht in einer Schätzung davon aus, dass EU-weit rund 6’000 Unternehmen wie beispielsweise Versicherungen und Banken betroffen sein werden.
Die Berichterstattungspflicht verlangt eine Beschreibung der in den entsprechenden nichtfinanziellen Bereichen verfolgten Geschäftsstrategie und Vorgehensweise sowie der erzielten Ergebnisse. Weiter haben die Unternehmen die wesentlichen Risiken ihrer Geschäftstätigkeit in Bezug auf die erwähnten Themen darzustellen, die ergriffenen Massnahmen zu erläutern und die wichtigsten nichtfinanziellen Leistungsindikatoren für die Geschäftstätigkeit aufzulisten. Für den entsprechenden Bericht können sich die Unternehmen auf bereits bestehende nationale oder internationale Rahmenwerke wie die UNO Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte stützen. Hat ein verpflichtetes Unternehmen keine entsprechende Strategie, so muss es dies ausführlich begründen. Von der Berichterstattungspflicht ausgenommen sind Tochtergesellschaften, wenn die entsprechenden Informationen bereits in einem konsolidierten Bericht einer anderen Gesellschaft enthalten sind.

US-amerikanisches Urteil zum Dodd-Frank Act

Während auf Ebene der EU aktuell Bestrebungen zur Herstellung einer thematisch umfassenden Transparenz für gewisse Grossunternehmen in Gange sind, wurde in den USA mit dem Dodd-Frank Act bereits im Jahr 2010 eine spezifische Berichterstattungspflicht verankert. Demnach müssen börsenkotierte Unternehmen, welche Mineralien aus der Region der Demokratischen Republik Kongo (DRC) verwenden, Rechenschaft über deren exakte Herkunft sowie der ergriffenen Massnahmen zur Verhinderung des Handels mit "Konfliktmineralien" ablegen.
Im Urteil vom 14. April 2014 hatte der U.S. Court of Appeals for the District of Columbia Circuit sich in zweiter Instanz mit der gestützt auf Section 1502 des Dodd-Frank Act erlassenen ausführenden Verordnung der Securities and Exchange Commission (SEC) im Sinne einer abstrakten Normenkontrolle auseinanderzusetzen. Einzelne Bestimmungen der Verordnung waren von mehreren Wirtschaftsverbänden als willkürlich, gesetzes- oder grundrechtswidrig gerügt worden.
Das Gericht beurteilte die vorgebrachten Rügen der Wirtschaftsverbände mit einer Ausnahme als unbegründet und schützte die Ausführungsverordnung bis auf einen Punkt: Die Pflicht, Produkte mit Konfliktmineralien explizit als "not DRC conflict-free" zu bezeichnen, verletzt in den Augen des Gerichts die Meinungsfreiheit, wie sie im ersten Verfassungszusatz ("free speech") geschützt wird. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass es sich bei der entsprechenden Produktebezeichnung nicht um eine wertfreie Konsumenteninformation handle, weshalb ein strenger Prüfmassstab anzuwenden sei. Insgesamt sei die Erforderlichkeit der Massnahme (und damit ihre Verhältnismässigkeit) nicht belegt worden.
Konsequenz des Urteils vom 14. April 2014 ist, dass die betroffenen Unternehmen zwar ihrer Berichterstattungspflicht gemäss dem Dodd-Frank Act nachzukommen haben, allfällige betroffene Produkte aber nicht explizit mit "not DRC conflict-free" bezeichnen müssen.

Nichtfinanzielle Berichterstattungspflicht als genereller Trend

Die gesetzlich verankerte, nichtfinanzielle Berichterstattungspflicht ermöglicht Staaten, im Sinne einer verbindlichen Transparenzmassnahme auf die soziale Verantwortung von Unternehmen (Corporate Social Responsibility) einzuwirken und damit die Einhaltung der Menschenrechte durch Unternehmen zu fördern.
Die Annahme der EU-Richtlinie durch das Europäische Parlament und die weitgehende Gutheissung der Verordnung zum Dodd-Frank Act im erwähnten Urteil bestätigen den bestehenden Trend hin zur gesetzlichen Verankerung. Diese beiden Entwicklungen veranschaulichen zudem exemplarisch die unterschiedlichen Formen, welche eine Berichterstattungspflicht annehmen kann: Während in der EU eine thematisch umfassende Berichterstattung für Grossunternehmen von öffentlichem Interesse diskutiert wird, ist diese in den USA thematisch enger gefasst. Der Kreis der Verpflichteten wird in den USA, im Unterschied zur EU-Richtlinie, nicht über die Grösse und Bedeutung des Unternehmens, sondern über seine Tätigkeit (Verwenden von bestimmten Mineralien) definiert.
Auf der anderen Seite illustrieren die beschriebenen Entwicklungen aber auch den Widerstand gegen breit gefasste Formen der gesetzlich verankerten Transparenz. Bereits der Umstand, dass mehrere Wirtschaftsverbände die Ausführungsverordnung zum Dodd-Frank Act angefochten haben, zeigt die ablehnende Haltung verschiedener Unternehmen. Auch die Tatsachen, dass der Kreis der verpflichteten Unternehmen im Zuge des Regulierungsverfahrens in der EU auf grosse Unternehmen von öffentlichem Interesse beschränkt wurde und dass sich das US-amerikanische Urteil mit seiner "free-speech"-Argumentation gegen besonders explizite Formen der Offenlegung ausgesprochen hat, veranschaulichen vorhandene Widerstände gegen umfassende Berichterstattungspflichten.
Zusammenfassend scheint auf staatlicher Ebene ein breiter Konsens darüber zu bestehen, dass zumindest themen- oder adressatenspezifische nichtfinanzielle Berichterstattungspflichten als geeignete Instrumente zur Umsetzung der UNO Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte zu beurteilen sind.

Bedeutung für die Schweiz

Die Schweiz kennt zum aktuellen Zeitpunkt keine gesetzliche Berichterstattungspflicht im oben beschriebenen Sinne, wobei zahlreiche Schweizer Unternehmen entsprechende Informationen auf freiwilliger Basis veröffentlichen. In Erfüllung des Postulates 12.3980 hat der Bundesrat nun in seinem Bericht vom 2. Mai 2014 zuhanden des Parlamentes die Berichterstattungspflicht als mögliche zukünftige gesetzgeberische Massnahme erwähnt. Er folgt damit den aktuellen Entwicklungen auf nationaler und internationaler Ebene. Im Zentrum der nun auch in der Schweiz initiierten Diskussion wird insbesondere die Frage nach den Modalitäten der Berichterstattungspflicht (wie Kreis der Verpflichteten, thematischer Umfang, Berichtform und Konsequenzen im Fall des Nichteinhaltens) sein müssen.