Basel, 12.11.2013, akte/ Seit dem politischen "Tauwetter" in Burma, das nach 50 Jahren blutigster Militärdiktatur mit den Wahlen vom Herbst 2010 einsetzte und Hoffnung erweckt auf eine Transition zur Demokratie, ist der touristische "Rush" nach Myanmar – wie das Land von den Militärs umbenannt wurde – so richtig ausgebrochen. Lange haben sich Reisende vor einem Besuch des Landes zurückgehalten, da die unterdrückten demokratischen Oppositionskräfte seit Mitte der 1990er Jahre explizit westliche Investoren und Reisende dazu aufriefen, erst dann nach Burma zu kommen, wenn sie nicht mehr nur die herrschenden Generäle unterstützten. Seit Frühling 2011 hat sich auch die demokratische Opposition der National League for Democracy (NDL) unter der Führung von Nobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi für einen "verantwortungsvollen Tourismus" geöffnet.
Heute wollen immer mehr Reisende das lange verschlossene "Land der goldenen Pagoden" sehen und in Burma, das sich unter der langen Militärdiktatur nicht weiter entwickeln konnte, gerade das "authentische Asien" erleben, das in den wirtschaftlich und touristisch erschlossenen Nachbarländern längst kaum mehr zu erahnen ist. Die Hotelzimmer in Burma sind ausgebucht, die Preise für TouristInnen steigen rasant, kaufkräftige Investoren aus dem In- und Ausland treiben die Spekulation um grossartige neue Tourismusresorts an, während Einheimische dem neuen boomenden Wirtschaftszweig nach wie vor oft ohne angemessene Entschädigung Platz machen müssen und im besten Fall noch Brosamen des neuen "Tourismusmanna" erhalten. Noch herrscht in Burma längst keine Demokratie, wo AnwohnerInnen von neuen Tourismusresorts und Angestellte in den neuen Tourismusbetrieben zu ihren Rechten kommen.
Umso wichtiger, dass jetzt Reisende für ihre Vorbereitung auf die Reise nach Burma auch fundierte, praktische Tipps an die Hand bekommen, wie sie ihre Reise gestalten und worauf sie auch unterwegs bei ihrem eigenen Verhalten achten sollen. Das zeigt die neue Broschüre der Naturfreunde Internationale, die von den ausgewiesenen Burma-Experten Nicole Häusler und Martin Petrich verfasst wurde. Sie haben an der Ausarbeitung der neuen nationalen Policy für einen verantwortlichen Tourismus mitgearbeitet und bringen die Empfehlungen für Reisende entsprechend mit vielen griffigen Tipps auf den Punkt. Ansprechend ist besonders auch der Einstieg in die Broschüre mit den verschiedenen Porträts von Menschen in Burma, von denen wir erfahren, was sie jetzt vom Tourismus erwarten, wie sie mit dem aufkommenden Wirtschaftszweig Pläne für sich entwickeln, aber auch wovor sie sich fürchten.
"Myanmar – Lass uns die Reise beginnen" bietet – ganz im Einklang mit dem neuen Slogan der Regierung Myanmars – jetzt für angehende Burmareisende den einfachen, aber wichtigen Einstieg. Besorgen Sie sich aber unbedingt dazu noch ein Buch, das Ihnen effektiv Aufschluss über die Geschichte des heutigen Vielvölkerstaates Burma gibt. Denn es verwundert, dass ein Reiseführer die Geschichte von "Burma" erst im 20. Jahrhundert, bei der Unabhängigkeit aus dem britischen Protektorat nach dem Zweiten Weltkrieg, ansetzt – mit ausufernden Ausführungen über die fehlgeschlagenen Vereinbarungen unter den 135 verschiedenen Volksgruppen des neuen Staates "Burma", die sich in der Folge mit jahrzehntelangem militärischem Kampf gegen eine Zentralregierung auflehnten. Das gibt genau die Sprache der Generäle wieder, allen voran von Ne Win ab 1962, die u.a. diesen Kampf gegen die "Aufständischen" über 50 Jahre hinweg zum Vorwand für ihre Legitimierung der Diktatur genommen haben. Da wäre von den AutorInnen des Reiseführers mehr Weitsicht zu wünschen: Das Britische Empire hat nach seinem Zusammenbruch nach dem Zweiten Weltkrieg in Südostasien Landkarten hinterlassen mit Ländern wie dem heutigen Burma, das als Staatengebilde mit 135 Volksgruppen nur schwer regierbar ist, wenn überhaupt. Die Volksgruppen können in einem heutigen Reiseführer nicht einfach als rebellische Aufständische erscheinen. Vielmehr muss klar werden, dass die Volksgruppen im Hinblick auf eine tragfähige Demokratie in Burma – so schwierig dies heute auch ist – vollumfängliche Anerkennung ihrer Rechte und Mitsprache über die Entwicklung des Landes erhalten müssen. Dies auch im Tourismus und insbesondere in der Entwicklung der neuen "Responsible Tourism Policy", bei der die AutorInnen des Reiseführers massgeblich mitgewirkt haben.
Beherzigen Sie vor allem die nützlichen Tipps für Ihre Reise nach Burma und lassen Sie sich von den Geschichten der Einheimischen und deren Erwartungen an den Tourismus zum Eingang der Broschüre inspirieren, wie Sie selbst unterwegs in Burma den Menschen in diesem lange geschundenen Land etwas bringen können. Doch lassen Sie sich nicht von den einleitenden Ausführungen des Generalsekretärs der Naturfreunde Internationale, Christian Baumgartner, verwirren: Im Gegensatz zu seinen Aussagen gibt es unseres Wissens kein glaubhaftes Dokument, das einigermassen haltbar belegt, dass auch unter der Militärjunta der Tourismus "wesentlich zur Verbesserung der Lebenssituation vieler Menschen beigetragen" hat. Vielmehr wird in der Broschüre selbst aufgezeigt, dass bislang vor allem militärnahe Geschäftsleute mit ihren Investitionen in Hotels und Airlines das grosse Geschäft im Tourismus machten. Die Burmesinnen und Burmesen leben in ihrer grossen Mehrheit auf dem Land, kommen bei all den noch immer von Behörden und Militär geforderten "Gemeinschaftsleistungen" kaum auf einen Ertrag, können die Kinder vor diesem Hintergrund nicht in die Schule schicken und sind weit entfernt von jeglicher Beteiligung am Tourismus. Im schlimmsten Fall müssen sie ihr Land hergeben, weil da neue Tourismusresorts oder Industriestandorte und Freihandelszonen erbaut werden sollen. Bisher haben sie kaum Möglichkeiten, beim Regime ihre Rechte wirksam einzufordern, wie es jetzt im Übergang zur Demokratie so wichtig wäre. Entscheidend ist deshalb, dass alle Reisenden sich schon beim Buchen erkundigen, wie ihre Herberge entstanden ist, wem sie gehört und ob die Beschäftigten unter fairen Bedingungen arbeiten.
Wir wünschen Ihnen eine einzigartige Reise nach Burma und die Begegnung mit vielen Menschen, die schon viel zu lange unter der Diktatur und Abgeschiedenheit leben und den Austausch mit Ihnen suchen! Nehmen Sie sich Zeit dafür, machen Sie sich schlau beim Buchen und bereiten Sie sich vor!
Nicole Häusler, Martin H. Petrich: Myanmar – Lass uns die Reise beginnen. Naturfreunde Internationale, Wien 2013, 24 Seiten.
Download (Deutsche und Englische Version) auf www.nf-int.org/Myanmar; Bestellung gegen Versandgebühr bei office@nf-int.org;


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