Niklaus Stettler, Peter Haenger, Robert Labhardt: Baumwolle, Sklaven und Kredite
Die Schweiz war ja als Binnenland nie eine Seefahrtsmacht und hatte keine Kolonien. Sie hatte aber Welthandelshäuser, und die mischten kräftig mit im internationalen Sklavenhandel. Das zeigen die Recherchen der Historiker Niklaus Stettler, Peter Haenger und Robert Labhardt über die Aktivitäten der Basler Grosshandelsfirma Burckhardt & Cie. im auslaufenden 18. und beginnenden 19. Jahrhundert. Während der Wirren der französischen Revolution betrieben die Burckhardts einen regen internationalen Handel mit Tüchern, Baumwolle, Farbstoffen und sogenannten „Kolonialwaren“ wie Zucker, Kaffee und Kakao. Dabei spielte auch der Sklavenhandel eine wichtige Rolle, wurden doch im „transatlantischen Dreieckshandel“ Luxuswaren wie verarbeitete „Indienne-Tücher“, Seide, Scheren, Essbesteck, Branntwein und zahlreiche Waffen, Dolche, Gewehre, Schiesspulver und Blei nach Afrika verschifft, dort gegen Sklaven eingetauscht, die in die Karibik verfrachtet und dort gegen Zucker, Kakao und Kaffee getauscht wurden. Jede Handelsexpedition gab Anlass zu erquicklichen Spekulationen, an denen sich männiglich in Europa zu bereichern versuchte. Für die Burckhardts, insbesondere deren Zweigfirma Bourcard Fils & Cie. in Nantes, verliefen diese aber nicht nur einträglich: Profit schlug die Firma vornehmlich aus dem traditionellen Baumwollhandel sowie den Schmuggel- und Freibeutergeschäften. Von den in Afrika zwangsverfrachteten Sklaven, die „im Unterdeck wie Vieh gehalten wurden“, überlebten nur schätzungsweise 10 bis 15 Prozent die Überfahrt in die Karibik und wurden da oft zu „Dumpingpreisen“ verkauft. Bei den Sklavenunternehmungen, an denen die Burckhardts im auslaufenden 18. Jahrhundert beteiligt waren, kamen schätzungsweise 1’100 Menschen ums Leben. Zu dieser Erkenntnis gelangten die drei Historiker. Sie konnten erstmals die Archive der Burckhardt’schen Handelshäuser über die fraglichen Expeditionen sichten, die bislang von der Familie sorgsam unter Verschluss gehalten waren. Denn bereits damals geriet der Sklavenhandel zunehmend als „verwerfliche Tätigkeit“ unter Druck; so wurde 1815 etwa die Basler Mission gegründet mit dem Zweck, missionarische Arbeit als eine Art von Wiedergutmachung für den von den Europäern initiierten und kontrollierten transatlantischen Sklavenhandel zu leisten. Fast 200 Jahre hat es gedauert, bis die Forscher im Zusammenhang mit der Rassismuskonferenz von Durban 2001 und dem internationalen Jahr zur Sklaverei 2003 dieses wichtige Kapitel der Wirtschaftsgeschichte aufarbeiten konnten, das nicht allein die Basler Handelshäuser, sondern zahlreiche weitere Unternehmen aus Genf, Neuenburg, Zürich oder St. Gallen, Schaffhausen und gar dem Appenzell involviert. Es dürfte auch für Schweizer Reisende nicht ganz unerheblich sein zu wissen, dass ihre Vorfahren so aktiv am Sklavenhandel beteiligt waren.
Christoph Merian Verlag, Basel 2004, 239 Seiten, SFr. 38.-/ € 26.-, ISBN 3-85616-212-7