Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrte Delegierte

Vielen Dank für diese Gelegenheit, unsere Bedenken und Empfehlungen in Bezug auf den Tourismussektor mitzuteilen.

Tourismus kann durch richtiges Management ein Anreiz für die Erhaltung von biologischer Vielfalt sein. Es ist jedoch umfassend belegt, dass viele als «Ökotourismus» bezeichnete Tourismusaktivitäten die Erosion von biologischer und kultureller Vielfalt beschleunigt haben (z.B. durch den Verlust angestammter Landzugangs- und Landnutzungsrechte). Dies trifft besonders auf Indigene Gebiete zu, in denen Indigene Völker ein hohes Maß an biologischer Vielfalt erhalten haben. In diesen Gebieten ist der schnellste Zuwachs der als «Ökotourismus» vermarkteten Tourismusformen feststellbar. Es ist unabdingbar, die Entwicklung jeglicher Formen des Tourismus mit umfassender Beteiligung der Indigenen Völker und lokalen Gemeinschaften an den Nutzen hieraus zu gestalten, und sicherzustellen, dass diese Entwicklung auf vorangehendem und informiertem Einverständnis gründet.

Es ist wichtig hervorzuheben, dass durch die Vereinten Nationen das Jahr 2002 zum Internationalen Jahr des Ökotourismus erklärt worden ist. Es gibt jedoch noch keine klare Definition von «Ökotourismus». Die Bedingungen, unter denen Tourismus zur Erhaltung von kultureller und biologischer Vielfalt beitragen kann, müssen noch geklärt werden. Deshalb sind wir der Meinung, dass diese Erklärung, zum Jahr des Ökotourismus, eine Bedrohung der biologischen Vielfalt darstellen könnte, und daher mit höchster Vorsicht betrachtet werden muss.
Viele Vertragsstaaten waren während des 4. SBSTTA-Treffens (Subsidiary Body on Scientific, Technical and Technological Advice) der Ansicht, dass technische Belange bezüglich Artikel 8 (j) und damit zusammenhängende Bestimmungen nur innerhalb der «Ad-Hoc Open-ended Working Group» zu Artikel 8 (j) behandelt werden sollten. Als Nichtregierungsorganisationen möchten wir hierzu unsere großen Bedenken zum Ausdruck bringen. Wir möchten auf die Wichtigkeit hinweisen, Indigenes Wissen und Innovationssysteme, und die Teilung von Nutzen, in die sektorbezogenen Diskussionen mit einzubeziehen. Dies ist besonders in Bezug auf Tourismus von Bedeutung, da dieser Bereich stark sektorübergreifend ist.

Auch die sich möglicherweise widersprechenden Inhaltsbestandteile des Artikel 8 betrachten wir mit Besorgnis. Forschungen zufolge können Schutzgebiete den Erhalt von biologischer Vielfalt fördern. Andererseits sind Schutzgebiete auch dafür bekannt, die traditionellen Rechte an Ressourcen sowie die Wissens- und Innovationssysteme Indigener Völker und lokaler Gemeinschaften zu unterlaufen.

Es ist daher entscheidend, dass die Vertragsstaaten Punkt 16 der Berliner Erklärung zu Biologischer Vielfalt und Nachhaltigem Tourismus (unterzeichnet vom Sekretariat der CBD, der Globalen Umweltfazilität GEF, dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen UNEP und anderen) umsetzen und die Entwicklung von Kriterien für kulturelle und ökologische Vielfalt durch Indigene Völker und lokale Gemeinschaften unterstützen.

In Anbetracht dieser Bedenken sowie der Bedenken bezüglich des Tourismussektors, die von NROs während der 4. Vertragsstaatenkonferenz und SBSTTA-4 geäußert wurden, überreichen wir den Delegationen der Vertragsstaaten zur 5. Vertragsstaatenkonferenz hochachtungsvoll die folgenden Empfehlungen:

Empfehlungen

   1. Die Vertragsstaatenkonferenz sollte den Tourismus als einen Sektor zum Dialog innerhalb des Übereinkommens über die Biologische Vielfalt (CBD) beibehalten.

   2. Die Vertragsstaatenkonferenz sollte sicherstellen, dass die Umstände klargestellt werden, unter denen Tourismus zum Erhalt der biologischen und kulturellen Vielfalt beitragen und lokalen Gemeinschaften von Nutzen sein kann.

   3. Die Vertragsstaatenkonferenz sollte weiterhin sicherstellen, dass Indigene Völker und lokale Bevölkerungsgruppen umfassend informiert und sinnvoll in jegliche Vorgänge mit einbezogen werden, die im Rahmen der CBD zur Diskussion über Nachhaltigkeit im Tourismus eingeleitet werden.

   4. Die Vertragsstaatenkonferenz sollte empfehlen, dass Vertragsstaaten und multilaterale Institutionen der Entwicklungszusammenarbeit der direkten finanziellen Förderung Indigener Völker und lokaler Gemeinschaften zur Entwicklung von Kriterien, Indikatoren, Frühwarnsystemen und Richtlinien, welche sowohl die kulturellen als auch die ökologischen Aspekte der biologischen Vielfalt mit einbeziehen Vorrang geben.

   5. Die Vertragsstaatenkonferenz sollte von den Vertragsstaaten die Dokumentation der besten Beispiele zu Nutzungsteilung und nachhaltiger Nutzung im Tourismussektor erbeten, so wie es Artikel 8 (j) und ähnlichen Bestimmungen der CBD entspricht.

   6. Die Vertragsstaatenkonferenz sollte empfehlen, dass Vertragsstaaten, die Tourismus fördern und nationale Strategien zu nachhaltigem Tourismus entwerfen, kein Marketing und keine Geschäftsplanung oder Produktentwicklung zum Tourismus durchführen, bevor nicht ausführliche Bestandsaufnahmen und Planungen vorgenommen wurden und Systeme für die Nutzungsteilung eingerichtet worden sind.

   7. Die Vertragsstaatenkonferenz sollte die biologische Vielfalt als Ganzes anerkennen und behandeln und nicht den im Rahmen der CBD begonnenen Prozess zum Tourismussektor auf Schutzgebiete und andere «Gebiete mit Vorrang» beschränken, wie es im SBSTTA 4/14 Dokument formuliert ist.

   8. Die Vertragsstaatenkonferenz sollte sicherstellen, dass die Vertragsstaaten nicht Vereinbarungen in anderen internationalen Abkommen aushandeln, die der CBD zuwiderlaufen.

Dieses Dokument wurde erstellt von den TeilnehmerInnen des Internationalen NRO Workshops «Tourismus und Biodiversität» , koordiniert von der ad-hoc Arbeitsgruppe «Tourismus» im Deutschen NRO Forum für Umwelt & Entwicklung, Berlin, 8.-11. März 2000.

Die folgenden Organisationen haben dieses Dokument bis jetzt verabschiedet:

    * respect – Zentrum für Tourismus & Entwicklung (Austria)
    * IITF – Institut für Intergrativen Tourismus und Freizeitforschung (Austria)
    * Margareta Weisser Foundation for Indigenous People in Asia (Austria)
    * CEBSE – Centro de Conservaci un y Ecodesarrollo de al Bahìa de Saman y su Entorno (Dominican Republic)
    * Red de Turismo Sustenable en América Latina Abya Yala (Ecuador/Costa Rica)
    * ESTECAS – Estonian Ecoturism Association (Estonia)
    * Transverses (France)
    * Gambia Tourism Concern (Gambia)
    * BUND – Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, AK Freizeit, Sport, Tourismus (Germany)
    * E.T.E. – Ecological Tourism for Europe (Germany)
    * FernWeh – Tourism Review (third world information centre – iz3w) (Germany)
    * Gruppe Neues Reisen (Germany)
    * Institute for Development and Peace (Germany)
    * KATE – Centre for Environment & Development (Germany)
    * Naturfreundejugend Deutschlands (Germany)
    * Pan-African Renaissance e.V. (Germany)
    * Studienkreis Tourismus und Entwicklung (Germany)
    * Tourism Watch (Germany)
    * ECTWT – Ecumenical Coalition on Third World Tourism, New Territories (Hong Kong)
    * FONI – Friends of Nomads International and Kenya Pastoralist Forum (Kenya)
    * ECOSOLAR (Mèxico)
    * Society for National Parks of Mongolia (Mongolia)
    * WIMSA – Working Group of Indigenous Minorities in Southern Africa (Namibia)
    * ECOCIUDAD (Peru)
    * Institute for Environment Protection (Poland)
    * Ecotourism Development Fund «Dersu-Uzala» (Russia)
    * Participatory Research and Planning (South Africa)
    * akte – arbeitskreis tourismus & entwicklung, Basel (Switzerland)
    * Aang Serian Peace Village (Tanzania)
    * Retour-Foundation (The Netherlands)
    * Tourism Concern (United Kingdom)
    * Conservation International (U.S.A.)
    * RTP-Rethinking Tourism Project (U.S.A.)
    * CORPOMEDINA C.A. (Venezuela).

      Ökologischer Tourismus in Europa (Ö.T.E.) e.V.
      Am Michaelshof 8-10
      D-53177 Bonn
      Tel.: +49-(0)228-359008
      Fax: +49-(0)228-359096
      E-mail: oete-bonn@t-online.de