
Oberstes Gericht Indiens verpasst die Chance, «Menschensafaris» zu den Jarawa endgültig zu unterbinden
Infolge des Gerichtsbeschlusses vom Januar hat die Anzahl der Fahrzeuge, die durch das Schutzgebiet der Jarawa fahren, um zwei Drittel abgenommen. Zuvor waren täglich Hunderte schaulustige Touristen entlang der Andaman Trunk Road, einer Fernverbindungsstrasse, deren Befahren eigentlich strengen Beschränkungen unterworfen wäre, unterwegs. Verschiedene Touristen warfen den Jarawa Kekse zu oder nötigten sie, im Tausch für Essen zu tanzen.
Berichten zufolge haben verschiedene Reiseveranstalter auf den Andamanen vor, die "Menschensafaris" nach der Wiedereröffnung der Strasse für Touristen wiederaufzunehmen. "Ich fühle mich nicht gut dabei. Ich mag es nicht, wenn sie Fotos aus ihren Autos schiessen", erklärte Enmai, ein junger Jarawa, auf die Frage, wie er sich fühlt, wenn Aussenstehende Bilder von ihm machen.
Seit drei Jahren setzen sich Survival International und die lokale Organisation Search gegen die ausbeuterischen "Menschensafaris" ein. Die Safaris hatten zu einem weltweiten Aufschrei geführt, nachdem die britische Zeitung Observer vor etwa einem Jahr darüber berichtet hatte. In einem Brief, der dem Obersten Gerichtshof vor der Anhörung geschickt wurde, hatte Survival im Februar gefordert, "das Touristenverbot dauerhaft zu machen, die Verwaltung auf den Andamanen aufzufordern eine alternative Verbindung zu Wasser einzurichten und die Strasse durch das Jarawa-Gebiet vollständig zu schliessen". Der Gerichtshof hatte schon 2002 die Schliessung der Strasse angeordnet, doch die Behörden auf den Inseln haben die Entscheidung bisher ignoriert.
Alarmierenden Berichten zufolge fragte das Gericht die lokalen Behörden auch, "ob sie die Jarawa isoliert halten wollen oder in den Mainstream integrieren möchten". Indigene Völker gegen ihren Willen in den Mainstream zu integrieren hat regelmässig fatale Folgen, mit einer Zunahme von Krankheiten, Depressionen, Sucht und Selbstmord. Die offizielle Jarawa-Politk der Regierung schreibt vor, dass "kein Versuch unternommen werden soll, sie [die Jarawa] gegen ihren Willen in die Mehrheitsgesellschaft einzugliedern". Doch indische Politiker haben immer wieder dazu aufgerufen, die Jarawa zu assimilieren.
Die Jarawa selbst, nicht die Behörden, sollten die Möglichkeit haben zu bestimmen, wie viel und welche Art von Kontakt mit Aussenstehenden sie wünschen und wie sie ihre Lebensweise allenfalls verändern wollen. Bisher haben die Jarawa in keiner Weise signalisiert, dass sie den Wald verlassen und Teil der Mehrheitsgesellschaft werden wollen.
Stephen Corry, Direktor von Survival International, sagte: "Diese 180 Kehrtwendung ist sehr besorgniserregend, doch Survival wird sich weiterhin energisch und lautstark für die Schliessung der Strasse einsetzen. Es ist eine Schande, dass die Behörden vom Gericht überhaupt dazu befragt werden, ob die Jarawa "isoliert gehalten oder assimiliert" werden sollen – das ist Sache der Jarawa und nur sie sollten darüber entscheiden. Wann werden nationale und regionale Regierungen endlich das Recht indigener Völker auf Selbstbestimmung anerkennen?"