Die Maschinen der Holzindustrie fahren auf zu fällen, was an Bäumen noch zu fällen ist, die Bergbauindustrie beginnt, bis anhin noch unerschlossene Rohstoffvorkommen auszubeuten. Das Gebiet Temagami im Osten der Provinz Ontario, ca. 450 Kilometer nördlich von Toronto, ist kürzlich – nach mehr als 20 Jahren dauernden gerichtlichen Verfahren zwischen Indianern, Industrie, Umweltschutzgruppen und der Regierung – von der Regierung für die industrielle Nutzung freigegeben worden. Temagami ist für die Holzindustrie interessant, weil dort die letzten Föhrenbestände Ontarios stehen. Es handelt sich um Waldbestände, die noch nie abgeholzt wurden und die ihrer hohen und gerade wachsenden Stämme wegen zu den wertvollsten Hölzern für die Holzindustrie gehören. Die noch unerschlossenen Bodenschätze (Gold, Diamanten, Kupfer, Zink u.a.) machen Temagami für den Bergbau interessant.
In Ontario ist Temagami bisher vor allem als "wilderness" Gebiet bekannt, dessen Hauptaktivitäten Kanufahren sowie Camping und Wandern im Lady Evelyn Smoothwater Provinz Park und in den Wäldern ausserhalb des Parks sind. Kontrolliert wird der Tourismus von privaten Anbietern, welche Campingplätze, Cottages oder Kanus an TouristInnen vermieten sowie von der Provinzregierung (Parkmanagement). Bis heute hat diese Tourismusform wenig Umweltschäden angerichtet. Dies, sowie ein 23jähriger Baustopp gegen jegliche Bauentwicklung in Temagami und gegen die Ausbeutung der Ressourcen haben eine Ausgangslage geschaffen, die eine nachhaltige Entwicklung um Temagami ermöglicht hätte. Verloren haben im Kampf gegen die nun beginnende Landschaftszerstörung nicht nur Umweltschutzorganisationen sondern auch die im Reservat auf Bear Island im Gebiet Temagami lebenden Tema Augama Anishanabai Indianer.
Seit Beginn der 70er Jahre führten sie gegen die Provinz und den Staat eine Landrechtsklage (land claim) um das Gebiet Temagami (ca. 10’000km2), welche auch den oben genannten Park und die heute von der Holzindustrie gerodeten Wälder miteinschliesst. Land claims sind mit Rückforderungen von Landtiteln sowie mit der Forderung nach Selbstregierung der indianischen Reservate und mit der Anerkennung der Indianer als eigenständige Nation verbunden. Die Teme Augama Anishanabai begründen ihren land claim mit der Behauptung, dass sie nie ein Landrechtsabkommen mit der Regierung abgeschlossen haben. Ziel der Indianer ist es, durch die land claims Kontrolle über Land und Ressourcen und deren Nutzung zu gewinnen und dadurch in den Reservaten ökonomisch unabhängig(er) von der kanadischen Regierung zu werden. Bis heute basiert die Ökonomie der Teme Augama Anishabai auf einer Kombination von traditionellen Aktivitäten (Jagen, Fischen, Sammeln, Handwerk) mit Arbeiten im Tourismus (Stickereien, Holzhandwerk, Outfitting, guiding). Der Tourismus fasste zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Temagami ertsmals richtig Fuss. Die Teme Augama Anishanabai, obwohl die eigentlichen Besitzer des Landes, waren jedoch nie in einer Position, die Tourismusentwicklung zu kontrollieren. Sie waren auch nie im Parkmanagement beteiligt, obwohl sich der Lady Evelyn Smoothwater Provinz Park auf traditionellem indianischem Gebiet befindet.
Die Teme Augama Anishanabai sind, wie alle indianischen Gemeinschaften in Kanada, auf Arbeitsplätze und wirtschaftliche Entwicklung angewiesen. Um Arbeitsplätze zu schaffen, streben sie einen indianisch kontrollierten Tourismus an, basierend auf einem "small-scale ethic and educational tourism". Mit dem Kapital könnten kommerzielle Tourismusaktivitäten unterstützt werden, welche ihrerseits das traditionelle Handwerk erhalten. Für dieses Vorhaben ist jedoch ein nachhaltig genutzter, nicht vollständig gerodeter Wald, Voraussetzung. Für die Teme Auga Anishanabai ist deshalb wichtig, dass die Wälder auf dem traditionellen Land, welches die Landrechtsforderung betrifft, noch nicht abgeholzt sind, bevor nicht die Landrechtsfrage geklärt ist.
Ende der 80er Jahre, 23 Jahre nachdem die Landrechtsklage ertsmals erhoben wurde, wurde jedoch endgültig klar, dass die Teme Auga Anishanabai ihre Klage verloren hatten. Daraufhin schlug die Regierung den Indianern eine co-management Vereinbarung vor. Diese hatte zum Ziel, Verantwortung und Kontrolle über Land und Ressourcen in Temagami zwischen Indianern und Regierung zu teilen. Die Vereinbarung wurde jedoch von einer Mehrheit der Indianer abgelehnt. In der Folge bestimmt nun wieder die Regierung und damit Wirtschaftsinteressen die Entwicklung über das Gebiet. Damit ist eine Chance sowohl von Regierungs- als auch von Seite der Teme Augama Anishanabai vertan worden, in Temagami eine nachhaltige Entwicklung einzuleiten, bei der einem indianisch kontrollierten Tourismus eine zentrale Bedeutung zugekommen wäre.

Monika Jäggi, Toronto, Kanada