Ostjerusalem: Israelische Siedlungspolitik unter dem Deckmantel einer archäologischen Touristenattraktion
Basel, 26.03.2009, akte/ In Bustan, dem „Gartenviertel“ des Ostjerusalemer Stadtbezirks Silwan, sollen für den Ausbau eines archäologischen Vergnügungsparks rund 1’500 PalästinenserInnen aus 88 Häusern vertrieben werden. Silwan, ein ärmlicher, seit Jahrhunderten von PalästinenserInnen bewohnter Stadtbezirk, liegt am Südlichen Abhang der Altstadt von Jerusalem unterhalb der Aksa-Moschee und der Klagemauer. Die Häuser stehen über Schichten von Kulturresten der Kanaaniten, Juden, Perser, Griechen, Römer, Byzantiner, Muslime, Kreuzritter und Ottomanen.
In den späten 70er-Jahren tauchten die ersten israelischen Archäologen auf und heuerten Palästinenser für Ausgrabungen aus. 1986 kam David Be’eri nach Silwan, damals Kommandant einer Eliteeinheit der israelischen Armee. Er hatte die Idee, die archäologischen Ausgrabungen zur Wiederansiedlung der Israelis in Ostjerusalem zu nutzen, verliess die Armee und gründete die Organisation Elad. Be’eri wurde für sein Vorhaben vom US-amerikanischen Multimillionär Irving Moskowitz unterstützt, der mittels einer eigenen Stiftung allein in den 90er-Jahren 18 Millionen Dollar für seine "guten Zwecke" in Israel spendete. Ein Großteil der Gelder war für die jüdische Ansiedlung im muslimischen Viertel der Altstadt und im arabischen Dorf Silwan bestimmt. Moskowitz› Mittelsmänner gehören der radikalen religiösen Gruppe Ateret Cohanim an, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, Eigentum in Ostjerusalem zu kaufen. Verschiedene Russische Industriemagnaten sorgten ebenfall für ausreichend Finanzen, allein im Jahr 2005 kamen so sieben Millionen Dollar zusammen.
Mit dem Geld machte sich Elad daran, auf allerlei legale, halblegale und illegale Weisen Häuser der Palästinenser zu erwerben. 1991 zog eine erste Gruppe von Siedlern mitten unter die Silwanis und markierten den Beginn der jüdischen Besiedlung Ostjerusalems.
Das Ziel: Klare demografische Verhältnisse schaffen
Kurz darauf überschrieb der Staat das Land in Silwan, auf dem diese Häuser standen, an den Jüdischen Nationalfonds, der die Grundstücke an Elad verpachtete – ohne vorschriftsgemässe Ausschreibung. Und 1998 überliess die Natur- und Parkbehörde Israels das Management des Gebiets rund um die alten Stadtmauern inklusive dem Archäologiepark „Stadt von David“ – und verhalf Elad so zur Legitimation. Elad hat nie einen Hehl daraus gemacht, worum es geht: „Das Ziel ist, in Ostjerusalem Fuss zu fassen und ein Fait Accompli im heiligen Becken rund um die Altstadt zu schaffen“, erklärte Elad-Sprecher Adi Mintz gegenüber der israelischen Tageszeitung Ha’aretz. Die Archäologie dient dem in mehrfacher Hinsicht: Mittels interpretatorischer Freiheiten lässt sich aus den archäologischen Funden eine Geschichte klittern, welche die Jahrtausende alte Verbundenheit der Juden mit diesem Ort belegen soll. Der Zugang zu den archäologischen Schätzen soll die Vertreibung der Palästinenser zu einem Nebenschauplatz degradieren. Und Geld lässt sich mit archäologischen Ausstellungen in Israel gut verdienen – besuchten doch allein im Jahr 2007 350’000 Israelis den in Silwan errichteten Archäologiepark „Stadt von David“ und liessen sich mit einer Version der Geschichte belehren, in der die Palästinenser mit keinem Wort erwähnt sind.
Gefährdung des Friedensprozesses
2004 erarbeitete die Jerusalemer Stadtverwaltung Pläne für die Vergrösserung der archäologischen Stätte. Die Ostjerusalemer Bevölkerung wehrte sich und der Entscheid wurde vertagt. Anfang Jahr hat nun die Stadtverwaltung im Einvernehmen mit dem israelischen Innenministerium beschlossen, den Park gegen den Widerstand der Betroffenen zu realisieren und damit den jüdischen Anspruch auf das Gebiet zu untermauern. Für den Ausbau der archäologischen Touristenattraktion „Stadt von David“ sollen 88 Häuser weichen. Die Häuser seien illegal erbaut worden, begründet Nir Barkat, der letzten November neu gewählte Bürgermeister von Jerusalem. Tatsächlich ist es sehr schwer für Palästinenser, von den israelischen Behörden eine Bauerlaubnis zu erhalten, weshalb sehr viele Häuser im besetzten Ostjerusalem „illegal“ erbaut wurden. Seit 1967 baut Israel seine Präsenz zulasten der palästinensischen Bevölkerung in Ostjerusalem stetig aus. Bereits wohnen fast 200’000 israelische Bürger streng bewacht in Ostjerusalem, obwohl dies gegen mehrere von Israel unterzeichnete internationale Abkommen verstösst. Sollte es je zu einer Zweistaatenlösung kommen, wird es angesichts des Bands der jüdischen Siedlungen schwierig, den palästinensischen Anspruch auf Ostjerusalem als Hauptstadt durchzusetzen. Entsprechend ernst beurteilt die palästinensische Autonomiebehörde den Abriss der ersten zwei Häuser im Februar und Anfang März: „Wenn diese Siedlungspolitik nicht abgestellt und der Abriss der Wohnungen nicht gestoppt wird, dann wird sich Israel auch nicht mehr als Partner im Friedensprozess betrachten – und wir ebenso wenig“.
Hillary Clinton’s Besuch
Einige Hoffnungen wurden auf den Besuch von Hillary Clinton von Anfang März gesetzt. Doch mit dem Bekenntnis zur Zweistaatenlösung, der Weigerung, die Hamas als Verhandlungspartner zu akzeptieren und der überaus zurückhaltenden Kritik an Israel vermochte sie keine neuen Aktzente der US-Aussenpolitik zu setzen. Zu den Plänen in Silwan erklärte Clinton: "Diese Art von Aktivität ist eindeutig nicht hilfreich und widerspricht den Verpflichtungen, die in der ‚Road map’-Vereinbarung eingegangen wurden.“ Und versprach, das Thema gegenüber der israelischen Regierung und der Jerusalemer Stadtverwaltung vorzubringen. Präsident Abbas und die Bewohner von Silwan hätten sich deutlichere Worte gewünscht. Denn nicht nur in Jerusalem, auch in anderen palästinensischen Gebieten geht die Vertreibung weiter: Räumungsbefehle für 20 Häuser und Scheunen in Dörfern rund um Nablus wurden ebenfalls im März verschickt, für acht Häuser in Al Baqaa in der Nähe von Hebron, sowie für weitere in Nilin in der Nähe von Ramallah, wo die Siedlungsbehörde gerade 35,5 Morgen Land konfisziert.
Quellen: Die Tageszeitung, 14./15.03.2009; www.bodyontheline.wordpress.com 10.03.2009; The Independent, 06.03.2009; Associated Press ,03.03.2009; Mittelland-Zeitung, 02.03.2009; Christian Science Monitor, 26.02.2009, The Nation, 18.08.2008; Bild oben: Marie Newman; www.bodyontheline.wordpress.com; Bild Mitte: www.cityofdavid.org