Rezension und Empfehlung von Literatur glObal, Arbeitsgruppe Literatur aus Afrika, Asien und Lateinamerika - EvB

(Valsa negra, 2003. Aus dem Portugiesischen von Barbara Mesquita)
Droemer Verlag, München 2005
271 S., EUR 18.00, SFr. 31.90
ISBN 3-426-19696-4

Es dirigiert die Eifersucht
Patrícia Melo lässt in ihrem fünften Roman einen älteren, arrivierten Dirigenten in São Paulo von seiner Arbeit, seiner grossen Liebe und seiner tödlichen Eifersucht erzählen. Eigentlich hätte er alles, was ein Star braucht: berufliche Anerkennung, Macht, Einfluss und Geld. Von seiner ersten Frau und seiner Tochter lebt er getrennt und ist mit einer dreissig Jahre jüngeren, begabten Geigerin seines Orchesters verheiratet, in die er unsterblich verliebt ist. Doch jetzt, wo er alles hat, plagt ihn das Misstrauen. Treibt sich seine junge Frau nicht mit anderen Männern herum: mit dem Geigerkollegen am gleichen Pult, mit ihrem Lehrer in Tel Aviv oder etwa mit seinem Assistenten, der sich ihm gegenüber immer so zuvorkommend verhält? Überall lauert die Gefahr. Der Dirigent erlaubt sich selbstverständlich Beziehungen mit anderen Frauen. Anlässlich einer Probe kritisiert er, von seinen Phantasien geplagt, unberechtigterweise seine Frau und schreit sie vor versammeltem Orchester an, weil sie ihren Pultnachbarn angelächelt hat. Nach jeder Eifersuchtsszene jedoch gibt es die grosse Versöhnung verbunden mit einem grossen Liebesfest im Bett. Doch der Tanz dreht sich immer schneller, bis seine Frau definitiv auszieht und sich für den Dirigenten alles zum Schlechten wendet.
Patrícia Melo zeichnet auf überzeugende Weise einen Mann, dessen Beziehung zu Frauen, zu Menschen überhaupt und zu seiner Umwelt gestört ist. Alles dreht sich nur um ihn. Seine Nase braucht den Geruch des Kampfers, um den üblen Gestank seiner Umgebung nicht riechen zu müssen. Und immer wieder überwältigt ihn der Zwang, sich die Hände zu waschen, um sauber dazustehen. Indem die Autorin die Erlebnisse aus der Sicht des Dirigenten erzählt, fehlt einem beim Lesen jegliche Distanz und man erlebt unvermittelt und direkt die abgründigen Tiefen eines an der Macht orientierten Mannes, der das ganze Leben dirigieren will. Der Roman ist weit mehr als nur die Beschreibung eines südamerikanischen Machos, weil der Dirigent in verschiedenen Varianten auch an anderen Orten zu finden ist. Ein spannendes Psychogramm, gut geschrieben und leicht zu lesen – das Buch ist sehr zu empfehlen.

Michael Schwarz

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