Februar 2014: Mein Flug von Mumbai nach Zürich hatte Verspätung, und das um vier Uhr morgens. Ich musste mir die Zeit vertreiben, um nicht auf der Stelle einzuschlafen. Ziellos ging ich durch die Einkaufszone, bis ich auf einen kleinen Buchladen traf. Und dort fand ich die perfekte Reiselektüre für die langen Stunden der Heimreise, einen englischen Roman des aus Kalkutta stammenden Amit Chaudhuri. Zu Hause angekommen war das Buch fertiggelesen – und ich hatte Lust auf mehr Chaudhuri! Der einzige auf deutsch lieferbare Titel ist "Mrs Sengupta will hoch hinaus", es ist ein äusserst witziger, unterhaltsamer Roman aus dem Grossstadtleben Mumbais. Die Hauptperson, Frau Sengupta, ist mit einem strebsamen, aber langweiligen Geschäftsmann verheiratet. Sie träumt von einer wunderbaren Karriere als Sängerin und lässt sich deshalb vom Sohn eines berühmten Sängers und Gurus unterrichten. Dieser ist allerdings mehr am Geld als am Gesang interessiert, was zu allerlei grotesken Situationen führt. Und als auch noch Senguptas pubertierender Sohn auf der Bildfläche erscheint und traditionellen indischen Gesang lernen will, wird es brenzlig in der noblen Wohnung der Familie…
Drehpunkt der Geschichte ist indessen die indische Musik. Sie wird auch in Chaudhuris Sprache hörbar, leicht und locker streut er indische Wörter und Phrasen in seine Texte (ein umfangreiches Glossar steht am Buchende bereit) und öffnet den Lesenden damit Auge und Ohr für den Schauplatz Mumbai. Der 52jährige Chaudhuri ist Schriftsteller und Musiker, in beiden Bereichen fasziniert es ihn, indische und westliche Traditionen zusammenzubringen und dabei Lesern und Hörern einen Zugang zum andern Kulturkreis zu öffnen. Frau Senguptas Konzert ist über 400 Seiten lang, aber es lohnt sich, dabei zu sein!
Amit Chaudhuri, „Mrs Sengupta will hoch hinaus“, Blessing Verlag, 415 Seiten, CHF 32.90, ISBN 978-3-89667-259-9
Christine Hunziker ist Buchhändlerin und Museumsmitarbeiterin. Dieser Beitrag stammt aus der syndicom-Zeitung Nr. 5/2014 mit freundlicher Genehmigung.