Die Beschwerde in Quechua ist gut belegt und liest sich wie ein Krimi mit allen Zutaten wie Begünstigung von Behördenmitgliedern, Absprachen und Einschüchterung. Marriott ist ein globaler Betreiber, Franchise- und Lizenzgeber von Hotel-, Wohn- und Teilzeitimmobilien, der über verschiedene Tochtergesellschaften unter 30 Servicemarken tätig ist. Eine dieser Tochtergesellschaften ist Starwood Hotels & Resorts Worldwide, die wiederum "Four Points by Sheraton" betreibt, eine Hotelkette im Luxussegment.

Starwood unterzeichnete 2014 eine Vereinbarung mit verschiedenen peruanischen Firmen zum Betreiben eines Hotels namens "Four Points by Sheraton Cusco". Später erweiterte Starwood diese Vereinbarung für den Bau dieses Hotels mit sieben Stockwerken und drei Untergeschossen in einem heiligen Gebiet der Inka, der Ceque Inka von Huacapuncu. Ceque ist die Bezeichnung für rituelle Wege der Inka, die vom Zentrum in Cusco zu den Heiligtümern führt, Huacapuncu heisst "Pforte zum Heiligtum".

Für den Bau habe Geschäftspartner "Inmobiliaria R&G SAC" fünf Inkamauern einer Gesamtlänge von knapp 100 Metern des Huacapuncu-Tempels niedergerissen. Und nicht genug damit: Aus dem Tempel Huacapuncu seien auch die Überreste von vier zeremoniellen Bestattungen mit ihren jeweiligen Opfergaben entnommen worden. Damit sei Marriott über seine Geschäftspartner verantwortlich für den unwiderruflichen Verlust von Perus Kulturerbe auf einer Fläche von mehr als 4’000 Quadratmetern.

Gegen Menschenrechte verstossen

Die Indigenen machen geltend, dass Marriott und Partner beim Bau des Hotels gegen Menschenrechte verstossen und ihre menschenrechtliche Sorgfaltspflicht sowie die Pflicht, negative Auswirkungen der Geschäftstätigkeit zu verhindern oder abzumildern, versäumt haben. Betroffen ist einmal das Menschenrecht auf Erhaltung der indigenen Kultur, die im internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (Art. 15, Absatz 2), in der UNESCO-Erklärung über die absichtliche Zerstörung des Kulturerbes (2003) und in der peruanischen Verfassung festgehalten ist. Zum anderen sind auch die in der peruanischen Verfassung garantierten Menschenrechte auf ethnische und kulturelle Identität sowie auf Religionsfreiheit und Religionsausübung betroffen.

Die UNESCO hat Cusco 1983 zum Welterbe erklärt, weil die Stadt ein einzigartiges Zeugnis der alten Inka-Zivilisation ist, dem Herzen der kaiserlichen Regierung Tawantisnuyu, die zwischen dem 15. und 16. Jahrhundert einen Grossteil der südamerikanischen Anden kontrollierte. "Die Stadt repräsentiert die Summe von 3’000 Jahren indigener und autonomer kultureller Entwicklung in den peruanischen Südanden", begründete die UNESCO. Cusco wurde auch von Peru per Gesetz zum nationalen Kulturerbe erklärt. Auf lokaler Ebene (Gemeindeverordnung) ist Cusco durch die Vorschriften des Masterplans des historischen Zentrums von Cusco geschützt. Der Tempel von Huacapuncu, der von Marriott abgerissen wurde, ist Teil dieses geschützten historischen Zentrums von Cusco.

Vorwurf der Korruption

Marriott-Partner Corrales Ingenieros S.R.L. leistete offenbar Zahlungen an den Beamten Ruffo Antonio Gaona Moreno, damals Legal Manager der Regionalregierung von Cusco, um als Anwalt beim Kauf und Verkauf des Grundstücks zu fungieren, auf dem sich der westliche Sektor des Huacapuncu-Tempels befand. Ausserdem zahlte die gleiche Firma auch Gelder an den Vater dieses Beamten, einen Notar, der bis zu drei Grundstücksverkäufe in diesem Gebiet formalisiert hat. Moreno erstellte als Legal Manager von Cusco Rechtsgutachten, in dem das "Four Points by Sheraton" zur Aufnahme in ein steuerliches Sonderregime empfohlen wird, bei der die Begünstigten die allgemeine Umsatzsteuer frühzeitig zurückerhalten. Zwischen 2014 und 2016, als Marriott und Partner Verwaltungsgenehmigungen für den Bau des Hotels einholten, wurde Moreno Berater des Top-Managements im Kulturministerium von Cusco. Moreno auf seiner Seite zu haben, kommt dem Eigentümer von Marriott-Partner Corrales Ingenieros, Carlo Antonio Corrales Coutinho, sehr gelegen, als er wegen dem illegalen Erwerb einer Immobilie, die zum nationalen Kulturerbe gehört, verhaftet wird: Das Kulturministerium "versäumt" es, den Straftatbestand an die Staatsanwaltschaft zu übermitteln.

Moreno hält 2015 seine schützende Hand weiter über Corrales, als über die Presse bekannt wird, dass Corrales beim Bau des "Four Points by Sheraton" das Kulturerbe beschädigt habe. Moreno trat einer "Ad-hoc-Kommission" der Kulturdirektion von Cusco bei, um Unregelmässigkeiten bei der Vergabe von Lizenzen im Zusammenhang mit diesem Bauvorhaben zu beurteilen – obwohl einer der Beteiligten sein (Ex-)Kunde war. Moreno ist für seine Haltung berüchtigt: Es laufen zurzeit mindestens zwei Strafuntersuchungen gegen ihn wegen Bestechung während seiner Zeit in der Regionalregierung.

Nationale Kontaktstelle: sowohl Beteiligte wie Richterin

Die Nationale Kontaktstelle der OECD in Peru, welche die Beschwerde prüfen wird, ist das gleiche Gremium, dass die steuerliche Begünstigung des "Four Points by Sheraton" genehmigt hatte. Die Beschwerdeführenden, welche auch im Namen derer Sprechen, die sich nicht trauen, weil sie "von den Erbauern des Hotels "Four Points by Sheraton Cusco" bedroht würden, bitten darum, dass zumindest kein Beamter die Beschwerde beurteile, der schon bei der Genehmigung des steuerlichen Sonderregimes dabei gewesen war. Auf dem Prüfstand stehen also nicht nur Marriott und Geschäftspartner, sondern auch die Nationale Kontaktstelle der OECD.