Philippe Gerber: Das Aroma der Rebellion. Zapatistischer Kaffee, indigener Aufstand und autonome Kooperativen in Chiapas, Mexiko
Kaffee mit dem Aroma der Rebellion – der wirkt Wunder, besonders frühmorgens! Der Kaffee stammt aus Mut Vitz, einer Kooperative der indigenen Tzotzil aus dem Hochland des mexikanischen Bundesstaates Chiapas. In der Schweiz landet er über den Fairen Handel als Café RebelDía in den Kaffeemaschinen von engagierten Haushalten, Genossenschaftsbeizen und aufgeschlossenen Betrieben wie der Wochenzeitung oder dem arbeitskreis tourismus & entwicklung. Was in ihm steckt, zeigt Philipp Gerber in seiner Forschungsarbeit über die Kooperative Mut Vitz. Anhand von Berichten und Analysen, aber auch Gesprächen mit ausgewählten VertreterInnen der indigenen Bauernbewegung zeichnet er die Geschichte der Landnahmen in den 70er und 80er Jahren und die Entwicklung der indigenen Autonomie nach und rückt sie in den Kontext der mexikanischen und internationalen Politik der letzten Jahrzehnte. Sein Einblick ist ein Schlüssel zum besseren Verständnis der zapatistischen Bewegung. Mut Vitz ist eine zapatistische Kooperative: selbstverwaltet, unabhängig von staatlichen Subventionen und externen Beratern, die ihrem Selbstverständnis entsprechend den Kaffee biologisch anbaut. Die Verwaltung der Kooperative sowie die Aufgaben in Produktion und Vermarktung des Kaffees werden von Gemeindemitgliedern ehrenamtlich und im Turnus ausgeführt – kein Zuckerschlecken für die betroffenen Ehrenamtlichen, die, während sie zeitraubende Funktionen wahrnehmen, oft ihre eigenen Felder und die Familie vernachlässigen und sich verschulden müssen. Selbst wenn die Autonomie zuweilen an ihre Grenzen stösst, für die BiobäuerInnen hat sie entscheidend zur Verbesserung ihrer Lebensumstände beigetragen. Wichtige Bestandteile davon sind auch die autonomen Gesundheits- oder Bildungssysteme, die zwar auf Unterstützung von aussen angewiesen bleiben, oder die autonome Gerichtsbarkeit, eine der komplexesten Aufgaben der von den Zapatisten eingerichteten „Räte der Guten Regierung“, die aber die frühere Straflosigkeit in der Region bereits stark eingeschränkt hat. Gerbers Blick auf die Produktionsweise des fairen Kaffees ist auch aufschlussreich für die Bedingungen des Fairen Handels – seine klaren Vorteile mit den langfristigen, partnerschaftlichen Beziehungen und den Vorfinanzierungen, aber auch seine Schwächen, insbesondere die Gestaltung eines fairen Preises. Mit neueren Entwicklungen im Fairtrade geht Gerber harsch ins Gericht, sieht er faire Produkte doch immer mehr zum Feigenblatt für transnationale Unternehmen wie Nestlé, McDonalds oder Starbucks verkommen, die mit einem kleinen Anteil an fair gehandelten Produkten ihr Image „grünwaschen“ wollen. Dazu liefert er auch eine interessante Fallstudie, wie die Kaffeekette Starbucks mit Hilfe der amerikanischen Umweltorganisation Conservation International versucht, die Kontrolle über Kaffeekooperativen in Chiapas an sich zu reissen – Conservation International ist eine „alte Bekannte“ in der Gegend, die bereits bei der „Ökotourismus“-Spekulation rund um Montes Azules ein üble Rolle spielte (siehe oben). Gerbers Plädoyer für den alternativen Handel vermag allerdings nicht zu überzeugen angesichts des boomenden Fairtrade-Markts. Zeitweilig droht die reine Lehre den Blick des Autors auf die Realitäten zu verstellen. Zum Glück jedoch beleben die beherzten Aussagen seiner GesprächspartnerInnen, die er auszugsweise aus den Gesprächsprotokollen wiedergibt, das Bild einer autonomen zapatistischen Kaffeeproduktion im Aufbruch.
UNRAST-Verlag, Münster 2005, 194 Seiten, SFr. 25.30, ISBN 3-89771-023-4