Rund 100’000 Migrantinnen und Migranten leben ohne Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz. Diese sogenannten Sans-Papiers erledigen die anstrengenden, unbeliebten und meist schlecht bezahlten Arbeiten: Im Haushalt als Putzfrau, Babysitterin, Alterspflegerin oder auf dem Bau, in der Gastronomie, der Landwirtschaft oder für Umzugsfirmen.

Um die Kinder der Sans-Papiers handelt das Buch von Pierre-Alain Niklaus und Hans Schäppi. Es geht aus von einer Studie der Hochschule für soziale Arbeit an der Fachhochschule Nordwestschweiz. Petra Leuenberger, Projektleiterin am Forschungsinstitut gfs, hat für diese Studie Jugendliche ohne Aufenthaltsbewilligung interviewt. Die Interviews mit Laura, Slava, Luis, Dora, Daniela und Mohsen erlauben einen Einblick in einen fast normalen Alltag, der trotzdem ein Skandal ist: Die Angst, beim Ausgang erwischt zu werden, was die Ausschaffung der ganzen Familie bedeuten könnte, wie 2004 bei der Familie Estrada aus Ecuador. Die Unmöglichkeit, nach der obligatorischen Schule eine Lehre anzufangen. Am Ende ihrer Kindheit stehen die jugendlichen Sans-Papiers mit der Option da, sich entweder mit Schwarzarbeit durchzubringen oder in ein ihnen oft fremdes „Heimatland“ zurückzukehren. Petra Leuenberger hat ausgewertet, wie sich die Illegalität auf das Sozialleben, den Aktionsradius und andere Bereiche des Lebens auswirkt und was die verschiedenen Strategien der Kinder sind, um mit diesem Stress fertig zu werden.
Georg Geiger, Lehrer am Basler Leonhard-Gymnasium, lässt teilhaben an den Geschichten, die er mit Kinder von Eingewanderten erlebt hat, und die etwas von der Lebenskunst vieler Kinder zeigen, aber auch etwas von den Wunden, die einigen das Schicksal schon geschlagen hat.

„Sans-Papiers? Illegale? Flüchtlinge? Es sind Kinder! Kinder, Kinder und nochmals Kinder! Jede weitere Titulierung, Kategorisierung oder Klassifizierung verbietet sich moralisch. (…)“ zitiert der Leiter der Basler Anlaufstelle Sans-Papiers, Pierre-Alain Niklaus, aus dem Leserbrief von Jan Fischer in der Basler-Zeitung nach der Ausschaffung der Familie Estrada. Doch in unserem Land scheint die Kindheit der Sans-Papiers weniger zu gelten: Punkt für Punkt zeigt Juristin Martine Lachat Clerc auf, wie das aktuell geltende Asyl- und Ausländerrecht gleich gegen eine ganze Reihe von Bestimmungen der von der Schweiz vor 10 Jahren ratifizierten Kinderrechtskonvention verstösst. Und die Basler Grossrätin Heidi Mück blickt zurück auf den langen Kampf, bis schon nur das Recht auf Grundbildung für Kinder ohne Aufenthaltspapiere durchgesetzt werden konnte. Dabei, so lernen wir einmal mehr von Menschenrechtsaktivistin Anni Lanz, schaffen es diese „Illegalen“ unter grossen Opfern, durch ihre Überweisungen ihre Familien hier und dort durchzubringen. Sie versuchen gar, wie eine Weltbankstudie zeigt, auf privater Ebene die Lücken zu füllen, welche entstanden sind, nachdem arme Staaten auf Druck des internationalen Währungsfonds und der Weltbank ihre Ausgaben im Gesundheits- und Bildungsbereich massiv reduzieren mussten. Und, so Lanz: „Es sind somit die Emigrantinnen und Emigranten – und nicht die internationalen Appelle – welche effektiv Kinderarbeit reduzieren. (…) Man kann nicht den Armen dieser Welt die Beseitigung der Armut aufbürden und sie mit menschenrechtswidriger Behandlung bestrafen – erst recht nicht ihre Kinder!“
Das Buch ist ein engagierter Aufruf, das Unrecht nicht einfach hinzunehmen, sondern uns einzusetzen für den Verzicht auf Zwangsmassnahmen gegen und eine einfachere Regularisierung von Familien mit Kindern.

Pierre-Alain Niklaus, Hans Schäppi (Hrsg.): Zukunft Schwarzarbeit? Jugendliche Sans-Papiers in der Schweiz. edition 8, Zürich 2007, 144 Seiten, SFr. 22.-, ISBN 978-3-85990-120-9