Basel, 01.03.2009, akte/ Was unsere Einkäufe so geschmacksneutral, Wasser abstossend und luftdicht verpackt, landet nach durchschnittlich nur 10-25 Minuten Nutzungszeit im Wandschrank und schliesslich im Müll, oder noch schlimmer: irgendwo in der Natur, wo die Tüte für ihre Zersetzung  400 bis 1000 Jahre benötigt, Schadstoffe anreichert und Picknickplätze verunstaltet. Das ist in den Ländern des Südens schon seit Jahren ein Thema und wird wird seit dem letzten Jahr nun auch in der Schweiz diskutiert: Sollen Plastiksäcke verboten werden? Der Kanton Jura hat beschlossen, die Plastiksäcke bis in zwei Jahren komplett zu verbieten. Auch im Tessin und in Bern wurde ein Verbot erwogen. Grund für Migros und Coop, neu an den Kassen stabilere, wieder verwendbare Tragtaschen zu zwei Franken zu verkaufen, welche die bisherigen Plastiksäcke ablösen und damit die Ökobilanz verbessern sollen.
Letzteres empfiehlt auch der Bundesrat. Er sprach sich vergangenen November gegen ein nationales Verbot von nicht wieder verwendbaren Plastiksäcken aus: Die bei der Verbrennung der Säcke freigesetzte Energie werde zur Produktion von Energie und Wärme genutzt, die dabei entstehenden Rauchgase wirksam gereinigt. Die wilde Entsorgung von Abfällen bilde die Ausnahme. Die Abfallbewirtschaftung in der Schweiz ist tatsächlich effizient und umweltverträglich: Das zeigen die Zahlen der Abfallstatistik 2007, wonach 51 Prozent der Siedlungsabfälle rezykliert, der Rest in Kehrichtverbrennungsanlagen für Strom- und Wärmeproduktion genutzt wurden.

Die Welt im Kampf gegen den Plastiksack

Leider ist ein so gut funktionierendes Entsorgungssystem weltweit die Ausnahme. Von den 4-5 Billiarden  Plastiksäcken, die gemäss Worldwatch weltweit jährlich produziert werden, landet eine unvorstellbar grosse Menge in der Umwelt. Die Säcke bleiben an Zäunen hängen, werden in Fetzen gerissen, verstopfen Kanäle, verschandeln ursprüngliche Landschaften. Aus diesem Grund haben verschiedene Länder dem Plastik schon vor einiger Zeit den Kampf angesagt: Seit Juni 2001 ist der dünne Plastiksack in Goa verboten, seit 2002 in Bangladesh, wo argumentiert wurde, die Säcke würden die Abwasserkanäle blockieren und so zu Flutkatastrophen beitragen. Letztes Jahr hat China dünne Plastiktaschen verboten, dickwandigere Taschen wurden gebührenpflichtig. Damit spart China 5 Millionen Tonnen Öl pro Jahr im Wert von 3,7 Milliarden Dollar. Auch in verschiedenen Ländern und Städten Afrikas werden Massnahmen gegen den Kunststoff mit Henkeln ergriffen: In Südafrika mit der Abgabe der dickwandigeren Säcke, in einigen Städten der DR Kongo, in Rwanda oder in Sansibar mit Verboten. In Europa hat Irland mit einer Sacksteuer den Verbrauch um 95 Prozent gesenkt, auch in  Australien, Kanada, Neuseeland, den Philippinen, Taiwan, England und Frankreich existieren Pläne für die Abschaffung oder Besteuerung von Plastiksäcken. In der nordwestindischen Provinz Ladakh führten Bürgergruppen eine erfolgreiche Kampagne durch, der 1. Mai wird seither als „Plastic Ban Day“ gefeiert.

Kunststoffmüll – ein Problem mit gigantischen Ausmassen

Plastiksäcke sind ein Hauptbestandteil der so genannten Müllstrudel. In subarktischen und subtropischen Wirbeln im Ozean haben sich riesige Flächen an Müll angesammelt. Schätzungsweise 100 Millionen Tonnen Zivilisationsmüll kreisen auf einer Fläche von der Grösse Mitteleuropas  mit dem Pazifikstrom zwischen Nordamerika und Asien. Weitere Müllstrudel haben sich in anderen Weltmeeren gebildet. Rund 70 Prozent dieses Kunststoffmülls sinkt auf den Boden der Ozeane, wo sich wahre Müllhalden bilden, die das Leben unter sich begraben. Aber Plastik und andere Kunststoffe töten nicht nur unmittelbar unzählige Meereslebewesen. Erstmals sind letzten September WissenschaftlerInnen in Washington zusammengekommen, die vor einer Gefährdung der maritimen Nahrungsketten warnten. Seit den 90er-Jahren erhärtet sich zudem das Wissen der ForscherInnen darum, dass Kunststoffe und ihre Zusätze teilweise natürliche Hormone imitieren und dadurch sexuelle und neurologische Entwicklungen beeinflussen und die Fruchtbarkeit schädigen. Im April letzten Jahres wurden beim „Centre for Disease Control“ der Vereinigten Staaten 95 Prozent der untersuchten Personen positiv auf Bisphenol-A getestet, einer östrogenähnlichen Chemikalie, die vor allem in hartem Plastik vorkommt. Daraufhin warnte das Nationale Toxikologie-Programm (eine Abteilung des Nationalen Gesundheitsinstitut), dass eine Schädigung der Fruchtbarkeit zumindest nicht ausgeschlossen werden könne.
Als Alternative werden Biokunststoffe gepriesen. Sie werden aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt und sollen biologisch abbaubar sein. Bis heute werden aber die ökologischen Vorteile dieser Stoffe bestritten. Ausserdem müssten für den Anbau der Rohstoffe – in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion – Kulturflächen angebaut, bedüngt und bewässert werden.

Reduce, reuse, recycle: Vermeiden, wieder verwenden, rezyklieren – und auf Reisen tabu

Vor dem Einkaufen noch rasch die Einkaufstüte eingepackt: Was für unsere Grosseltern noch selbstverständlich war, müssen wir wieder neu lernen. Ob die Tüte aus Stoff, Plastik oder sonst was besteht, fällt in der Schweiz dabei weniger ins Gewicht als die Tatsache, dass sie wieder verwendet wird. Und erst, wenn sie ihren Dienst getan und löchrig oder schmutzig geworden ist, gehört sie im Abfallsack entsorgt. Im Ausland und insbesondere auf Reisen in die Länder des Südens ist künftig die Plastiktüte tabu. Attraktive Alternativen gibt es schliesslich genug.