HERMANN ERBER (Reisefotograf; Naturfreunde Österreich), VERA BRANDNER (ipsum) und MITHRA ANSARI (ECPAT – End Child Prostitution, Child Pornography and Trafficking of Children for Sexual Purposes) sprachen über ihre Arbeit und ihren Zugang und ihre Erfahrungen zum respektvollen Fotografieren auf Reisen. Moderiert wurde die Gesprächsrunde von Cathrine Schwenoha.

Unterwegs auf Reisen – wie entstehen eure Fotos, wie bereitet ihr euch vor, wie geht ihr mit Themen wie Kulturunterschiede, Religion und Kinder um?

HERMANN ERBER: Jeder hat seinen individuellen Zugang. Ich agiere spontan. Wenn man Personen porträtieren möchte, dann muss man sich Zeit nehmen, man muss sich mit den Menschen beschäftigen. Kinder fliegen einem zu, sie wollen gerne fotografiert werden. Das ist speziell in Afrika der Fall. Die meisten Menschen haben Freude daran, fotografiert zu werden. Ein Foto ist für sie noch etwas Besonderes. Religion ist ein sehr schwieriges Thema. Man muss respektvoll damit umgehen, generell viel Gespür für die Situation entwickeln, um damit richtig umzugehen.
VERA BRANDNER: Ich frage die Person, ob ich ein Bild machen darf. Wenn ich die Erlaubnis erhalte, ist es spannend und schön, fotografieren zu können – meist geht es mir beim Fotografieren um die Situationen, die sich dabei ergeben. Ein Foto zu machen ist eine Art Dialog, es passiert etwas zwischen den Menschen. Wenn fotografiert wird, entstehen aus einer gewissen Situation heraus immer wieder neue Geschichten – das setzt sich fort mit jedem Menschen, der später einmal das Bild betrachtet und sich seine/ihre eigenen Gedanken dazu macht.
MITHRA ANSARI: Die Frage ist auch, wie die Menschen vor Ort die Touristin/den Touristen erleben. Wenn man auf die Menschen zugeht und sie fragt, fühlen sie sich gesehen. Es gibt eine "touristische Bühne", aber auch einen Privatbereich der Einheimischen, wo TouristInnen keinen Zugang haben. Respektvoller Umgang ist sehr wichtig.

Geld für ein Foto?

MITHRA ANSARI: Es kommt auf die Situation an. In Indien war ich damit konfrontiert, dass Kinder um Geld gebettelt haben. Ich habe in dieser Situation Geld gegeben, weil ich etwas für das Foto zurückgeben wollte. Ich finde, am besten man schenkt eine Kleinigkeit, und gibt eher kein Geld. Wenn ein Erwachsener dabei ist, kann man ihm auch Geld in die Hand drücken, aber nicht ohne Gegenleistung.
HERMANN ERBER: Menschen sind verändert durch Geld. Man wird oft nicht mehr als Mensch gesehen, sondern als Geldgeber. Ich bin meist länger vor Ort und hatte die Möglichkeit, engeren Kontakt mit den Menschen zu schliessen, wurde zum Essen eingeladen, war zu Gast.
VERA BRANDNER: Grundsätzlich habe ich die Einstellung, dass ich mir im Klaren sein muss, warum ich fotografiere. Wenn ich ein bestimmtes Foto unbedingt haben möchte und das Foto Menschen als Motive hat, dann muss ich mir darüber im Klaren sein, dass es hier nicht nur um mich geht. Ich muss die Menschen, um die es geht, mitdenken und kann nicht einfach über sie bestimmen. Ich kann nicht einfach kommen, die Kamera zücken und mit meiner Beute (dem Foto) wieder verschwinden. Will ich also tatsächlich eine Erinnerung oder einen Beweis für meine Reiseerfahrungen haben, kann das in unserer kapitalisierten Welt natürlich auch zu einem Geldgeschäft führen – dann sollte ich bereit sein, für das, was ich unbedingt haben will, auch Geld zu zahlen. Gewisse ethische Grenzen sollten aber – egal ob Geldgeschäft oder nicht – gewahrt bleiben. Aus meiner Sicht kann ich diese Grenzen im Auge behalten, solange ich mir immer wieder die Frage stelle "Warum fotografiere ich überhaupt?"
MITHRA ANSARI: Wenn man sich zu sehr hinter der Kamera verschanzt, geht die Situation verloren. Am besten ist, sich als TouristIn so zu verhalten, wie man selbst behandelt werden möchte. Sich vor Ort respektvoll zu verhalten, ist die wichtigste "Regel".

Kinder fotografieren?

MITHRA ANSARI: Grundsätzlich gilt: Kinder haben ein Recht auf Privatsphäre. Hier muss man sensibel sein. Fotos von Kindern sollten generell auf gleicher Höhe gemacht werden, nicht von oben herab, sonst kann ein Gefälle entstehen.                  
Kinder haben ein Recht auf Privatsphäre, ab 14 hat ein Kind bei uns Recht auf Mitsprache. Vorsicht, wenn Fotos von Kindern in soziale Netzwerke gestellt werden! Fotos können leicht von Dritten missbraucht werden.

Nach der Reise / Verwendung von Fotos

HERMANN ERBER: Ich bin Berufsfotograf und lebe vom Fotografieren. Wenn ich mit einer Person in Kontakt war, sie mit dem Foto einverstanden ist, setze ich voraus, dass sie auch einverstanden ist, dass das Bild möglicherweise im öffentlichen Raum (Diavortrag) stehen wird.
VERA BRANDNER: Die Fotografie an sich kann nicht fair sein – ich kann mir nur für mich als Fotografin ein faires Rahmenwerk zurechtlegen. Und trotzdem, in dem Geflecht von FotografIn/Motiv/BetrachterInnen zieht dann immer irgendjemand den Kürzeren. So bedrückend das auf den ersten Blick sein mag, es besteht für mich gerade darin das grosse Potenzial von Fotografie – die Fotografie in ihrer Komplexität kann auf bestehende Ungleichheit verweisen, unfaire Verhältnisse aufdecken.